Orgasmusprobleme der Frau

September 2007 | Partnerschaft & Sexualität

Was tun, wenn die Liebe ohne Höhepunkt bleibt?
 
Jede vierte Frau erlebt beim Geschlechtsverkehr selten oder nie einen Höhepunkt. Welche Ursachen kann das haben und was können Betroffene tun, um sexuelle Erfüllung zu finden? Lesen Sie alles rund um das Schönste an der schönsten Nebensache der Welt.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Dr. Elia Bragagna ist Vize-Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Sexualmedizin und Leiterin der Sexualambulanz am Wiener Wilhelminenspital. Wer zu ihr kommt, fragt frei nach Woody Allen offen nach allem, was er bisher nicht zu fragen wagte, aber immer schon über Sex wissen wollte. Wenn man die Fragen, die Frauen an Dr. Bragagna herantragen, vom Inhalt her nach Häufigkeit reiht, stehen die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr an erster Stelle. Am zweithäufigsten leiden die Hilfe suchenden Frauen unter Lustlosigkeit, am dritthäufigsten klagen sie über Erregungsstörungen, das heißt, sie haben Probleme damit, das Schönste an der schönsten Nebensache der Welt zu erleben: einen Orgasmus.

Dr. Bragagna hat aber auch noch andere Statistiken parat, die sich aus den Ergebnissen aktueller Umfragen ableiten. „Danach kann man davon ausgehen, dass der Anteil der Frauen, die unter Orgasmusproblemen leiden, bei 25 Prozent liegt. Das heißt, jede vierte Frau erlebt beim Geschlechtsverkehr nur schwer oder nie einen Höhepunkt“, sagt Dr. Bragagna. Und sie sagt auch: „Man weiß, dass die wenigsten Betroffenen etwas gegen ihr Orgasmusproblem unternehmen, und das ist sehr schade, denn es würde sich schon auszahlen, sich um das Erlebnis des Höhepunkts zu bemühen.“

Das Wort Orgasmus kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Trieb“ und „Verlangen“. Warum es für Frauen so erstrebenswert ist, zu einem Orgasmus zu kommen?  Sex, der mindestens zweimal wöchentlich ausgeübt wird und von einem Orgasmus gekrönt ist, tut Körper und Geist gleichermaßen gut, sagt Dr. Bragagna. Und in wissenschaftlichen Studien steht zu lesen, welche Wohltaten die Liebe mit Höhepunkt mit sich bringt. Die Liste ist erstaunlich lang, sie reicht vom Training für das Immunsystem und der besseren Durchblutung des gesamten Körpers, die das Gewebe strafft und Herzkrankheiten vorbeugt, über die Stärkung der Paar-Beziehung und das Empfinden von Glücksgefühlen bis hin zum Energieschub und Jungbrunneneffekt.

Auf Ursachenforschung gehen
Doch was tun, wenn es mit dem Orgasmus nicht so klappt, wie es klappen sollte? In Woody Allens Filmklassiker „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“ hat die Italienerin Gina Probleme damit, beim Sex mit ihrem Mann Fabrizio zum Höhepunkt zu kommen. Durch Zufall findet sie heraus, dass sich die Sache von selbst erledigt, wenn sie „halböffentlich“ mit Fabrizio schläft – wie etwa auf dem Balkon, oder im Restaurant unterm Tisch. Auch Fabrizio findet Gefallen daran, er macht mit, und schon gehört das Orgasmusproblem für die Gina aus der US-Satire des Jahres 1972 der Vergangenheit an.

Im realen Leben sieht das freilich anders aus. Da verzweifeln die betroffenen Frauen oft an dem Problem. „Ich bin seit drei Jahren mit meinem Partner zusammen und hatte noch nie einen Orgasmus. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll, wer mir weiterhelfen kann, soll sich bitte melden  …“, heißt es in einem Internetforum. Eine andere Frau schließt sich der Bitte an, sie schreibt: „Ich habe mit meinem Partner in den vergangenen zehn Jahren alles ausprobiert, um zu einem Orgasmus zu kommen, doch nichts hat zum Erfolg geführt, kann mir jemand sagen, was wirklich hilft?“
„So wie bei allen Problemen ist es auch bei Orgasmusschwierigkeiten so, dass man nur dann helfen kann, wenn man die Ursache kennt“, sagt die Wiener Sexualmedizinerin Dr. Bragagna. „Betroffene, die nicht mehr weiter wissen, fragen am besten ihre Gynäkologin oder ihren Gynäkologen um Rat, oder sie vereinbaren einen Termin mit einer Sexualmedizinerin oder einem Sexualmediziner.“

Hauptursache Informationsdefizit
In 75 Prozent der Fälle ist ein Informationsdefizit schuld an den Orgasmusproblemen, weiß Dr. Bragagna. „Damit meine ich, dass sich die Frau nicht traut, dem Mann zu sagen, wie sie richtig stimuliert werden muss, um zum Höhepunkt zu kommen. Oder aber die Frau weiß selber nicht, wie sie richtig stimuliert werden muss, und kann es dem Mann folglich nicht sagen. Und schließlich kommt es auch vor, dass die Frau in Wirklichkeit Orgasmen hat, diese aber nicht als solche erkennt, weil sie ganz andere Vorstellungen davon hat, wie sich ein sexueller Höhepunkt anfühlt.“ Egal, wie ausgeprägt das Informationsdefizit ist, es lässt sich leicht beseitigen. Bragagna: „Ich rate den Betroffenen, sich Zeit zu lassen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, sich kennen zu lernen und zu erfahren, was ihnen gut tut. Das Ergebnis teilen sie dann dem Partner mit und schlagen ihm vor, die bewährten Techniken gemeinsam mit ihm auszuprobieren. Da hat er sicher nichts dagegen.“  

Lustkiller Streit und Stress
Auf das Informationsdefizit folgt als zweithäufigste Ursache für Orgasmusprobleme von Frauen der Stress. „Wenn die Frau denkt, jetzt liege ich hier, aber eigentlich müsste ich noch was arbeiten, nach der kranken Tante schauen, die Kinder von der Schule abholen, und so weiter und so fort, dann ist sie mit dem Kopf dauernd viel zu weit weg vom Geschehen, um eine Erregung aufzubauen, und dann wird garantiert nichts aus dem Orgasmus.“ Die Lösung: Sich bewusst darum bemühen, abzuschalten und sich zu entspannen, eventuell Entspannungstechniken lernen.

Andere häufig auftretende psychisch-bedingte Auslöser für Orgasmusprobleme sind Konflikte in der Partnerschaft. „Da ist die Frau eigentlich verletzt und kann sich nicht gehen lassen. In dem Fall hilft es, die Streitpunkte durch ausführliche Gespräche mit dem Partner zu klären.“ Auch Persönlichkeitsstörungen wie die Angst vor einem Kontrollverlust können erfüllten Sex verhindern. „Wer etwa im Job ständig beherrscht agiert, dem fällt es schwer, sich fallen zu lassen und Sex zu genießen.“ Was in diesen Fällen hilft? Dr. Bragagna: „Die Probleme gemeinsam mit einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten aus der Welt schaffen. Oft reicht es schon, für ein paar Stunden in Behandlung zu gehen.“  

Körperliche Probleme abklären
Manchmal hat das Ausbleiben des Orgasmus auch körperliche Ursachen, wie Hormonunstimmigkeiten durch Fehlfunktionen der Hirnanhang- oder Schilddrüse, Übergewicht oder Diabetes, Nervenschäden durch Operationen oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Dr. Bragagna: „Auch die Pille oder andere Verhütungsmittel, die über Hormone wirken, können die Erregungsfähigkeit einer Frau einschränken und zu Lustlosigkeit und Orgasmusproblemen führen.“ Was hilft? „Auf andere Verhütungsmittel umsteigen, beziehungsweise Medikamente austauschen oder die Ursprungskrankheit behandeln und sich eventuell Mittel zur Steigerung der Durchblutung verschreiben lassen.“

Ob es nun körperliche oder seelische Faktoren sind, die die Orgasmusfähigkeit blockieren, eines sollten Frauen auf keinen Fall tun, sagt Dr. Bragagna: „Einen Orgasmus vortäuschen.“ Denn wer wie einst Meg Ryan im Streifen „Harry und Sally“ agiert, handle möglicherweise voreilig und verbaue sich selbst die Chance auf das Erlebnis eines Höhepunkts. Dr. Bragagna: „Außerdem tun Täuschungen egal welcher Art der Beziehung zum Partner gar nicht gut.“

Das Aaah und Oooh des Orgasmus
Der weibliche Orgasmus wird durch ein kompliziertes Zusammenspiel von Gefühlen, körperlichen Reaktionen und Phantasien ermöglicht und dauert meistens nur ein paar Sekunden, manchmal hält er auch bis zu einer Minute lang an.
Fühlbare und sichtbare Anzeichen sind rhythmische, als wohltuend empfundenen Kontraktionen der Scheide und der Gebärmutter, ein Ansteigen der Atemfrequenz, des Blutdrucks und der Pulsfrequenz, Schweißausbrüche oder Körperzuckungen. Es kann auch zu einem Ejakulieren von Flüssigkeit aus der Harnröhre (kein Urin) kommen. Eine Wiederholung des Orgasmus, beziehungsweise „multiple Orgasmen“, also Orgasmen in Serie, sind möglich.

Die sechs Pluspunkte von Sex

  • Durch Sex wird die Durchblutung angeregt, das trainiert unter anderem die Abwehrkräfte und stärkt das Herz-Kreislauf-System.   
  • Weil beim Geschlechtsverkehr und beim Orgasmus Endorphine ausgeschüttet werden, kann Sex Missstimmungen vertreiben und Depressionen vorbeugen.
  • Nach den Ergebnissen einer deutschen Studie sorgen häufige Ausschüttungen von Sexualhormonen, wie sie beim Sex und beim Höhepunkt erfolgen, dafür, dass Frauen um fünf bis zehn Jahre jünger aussehen, als sie tatsächlich sind.
  • Die Aktivierung des Belohnungs- und Wohlfühlzentrums im Gehirn, die beim Sex erfolgt, führt zu einer Stimmungsaufhellung. Mit dem Bewusstsein, begehrt zu sein, steigen außerdem das Selbstwertgefühl und die Zufriedenheit mit sich selbst.
  • Sex aktiviert die Gehirnzellen und sorgt für Entspannung, vor allem wenn es zum Orgasmus kommt, denn dabei wird das entspannende Hormon Prolactin ausgeschüttet.  
  • Sex festigt über die Aktivierung des Hormons Oxytocin die Partnerschaftsbeziehung. Insbesondere durch das Erleben des Orgasmus fühlt man sich „mit dem Partner verschmolzen“.

                

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