Joggen baut Stress ab

September 2007 | Fitness & Entspannung

Warum Laufen locker macht
 
Stress setzt Energien in uns frei, die wir meist gar nicht brauchen, die uns aber krank machen, wenn wir sie nicht abbauen. Wohin damit? Nutzen Sie sie zur Flucht und laufen Sie dem Stress davon!
Der Arzt und Läufer Dr. Andreas Dallamassl aus Linz erklärt, wie man das am besten macht.
 
Von Mag. Wolfgang Bauer

Jeder Zweite hätte allen Grund zum Davonlaufen. Denn 50 Prozent der Österreicher leiden unter zu viel Stress am Arbeitsplatz, wie eine aktuelle Studie der Gesundheitsagentur Bad Aussee zeigt.

Auf Stresssituationen reagiert der Mensch heute genauso wie zu Urzeiten: Hormone werden ausgeschüttet, Blutdruck und Blutzucker steigen, das Herz schlägt schneller, die Anspannung der Muskulatur nimmt zu. Der gesamte Organismus wird in Alarmbereitschaft versetzt, um genügend Energie zur Verfügung zu haben für ein altbewährtes Reaktionsmuster: Kampf oder Flucht.

Für moderne Menschen haben diese Strategien kaum mehr Sinn. Schließlich müssen wir nicht mehr vor wilden Tieren flüchten, müssen auch nicht mehr unsere Behausung gegen andere verteidigen. Wird der Druck nicht abgebaut, besteht aber die Gefahr, dass die dauerhafte Alarmbereitschaft chronisch wird. Die Folgen sind bekannt: Bluthochdruck, Verspannungen, nervöse Unruhezustände, Schlafstörungen, Gereiztheit, Haltungsschäden und psychische Beschwerden wie Ängste und Depressionen, in weiterer Konsequenz drohen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wohin also mit dieser Energie, die der Körper in Stressituationen bereit stellt?
Nutzen Sie sie zur Flucht – vor dem Stress: „Wer läuft und diesen Sport richtig betreibt, kann dem Stress regelrecht davonlaufen“, weiß Dr. Andreas Dallamassl, Allgemein- und Sportmediziner in Linz aus eigener Erfahrung. Der begeisterte Läufer ist überzeugt, dass Laufen gegen Stress resistenter macht, indem es beispielsweise das Herz-Kreislauf-System stärkt und den Blutdruck senkt.

Herzgesunde Schritte
Das Herz muss zwar während des Laufens mehr leisten als in Ruhe. Doch gerade das schafft die Basis dafür, dass es in den übrigen Zeiten langsamer schlägt, aber dennoch pro Schlag mehr Blut durch den Körper pumpt. Es arbeitet ökonomischer. Wie das möglich ist? Angenommen ein Mann, Mitte 40, beginnt nach jahrelanger sportlicher Abstinenz ein regelmäßiges Lauftraining, das er allmählich steigert. Nach einigen Monaten sinkt sein durchschnittlicher Ruhepuls von anfänglich 70 Schlägen auf 50 Schläge pro Minute – ein Zeichen guter Fitness. Das ergibt ein Minus von 20 Schlägen pro Minute. 1200 Schläge erspart sich das Herz pro Stunde, während eines durchschnittlichen Bürotages sind es rund 10.000 Schläge weniger. Das Herz arbeitet also durch das regelmäßige Training ökonomischer, und das sogar in Stresssituationen. „Bei gut trainierten Läufern können wir beobachten, dass ihr Puls auch bei Hektik und Stress niedriger ist. Das heißt, sie können mit der Belastung entspannter umgehen, sind ruhiger, regen sich nicht so leicht auf. Insofern kann man mit Fug und Recht behaupten, dass regelmäßiges Laufen auch das Nervensystem beruhigt“, so Dallamassl.

Laufen macht also locker. Und es kann den erhöhten Blutdruck gestresster Menschen senken. „Regelmäßiges Laufen erweitert die Gefäße, der Blutdruck sinkt“, sagt Dr. Dallamassl. Damit nicht genug: Laufen hilft auch im Kampf gegen die Sekundärfolgen von Hektik und Stress. Die Ausseer Studie hat auch nachgewiesen, dass Menschen, die unter Stress leiden, mehr rauchen und Alkohol trinken als Nichtgestresste, vor allem in Spannungssituationen. So ist der Anteil jener, die bis zu 20 Zigaretten pro Tag rauchen, unter den Gestressten doppelt so hoch wie bei jenen, die keinen Stress verspüren. Wer nun gewohnt ist, seine Anspannung beim Laufen abzubauen, wird seltener zu Glas oder Glimmstängel greifen.

So läuft es sich am besten
„Wenn Sie Stress abbauen möchten, dann sollten Sie mindestens jeden zweiten Tag 30 bis 60 Minuten laufen. Das ergibt ein Minimum von eineinhalb bis zwei Stunden pro Woche“, empfiehlt Dallamassl. Wichtiger Zusatz: „Wer es richtig macht, sollte sich nach dem Laufen besser fühlen als davor.“ Das erreicht man am besten, wenn man im Wohlfühltempo unterwegs ist. Das ist eine Geschwindigkeit, bei der man sich noch problemlos mit jemandem unterhalten kann.
Wer dies mit Zahlen untermauern will, sollte auf seinen Puls achten: Das optimale Tempo zum Stressabbau erzielt man mit Pulswerten zwischen 65 und 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Die Eckdaten für dieses moderate Tempo bestimmt man am besten bei einer sportmedizinischen Untersuchung. Diese empfiehlt Dr. Dallamassl vor allem jenen, die nach einer langen Sportabstinenz mit dem Laufen beginnen möchten. Auch Menschen, die rauchen, übergewichtig sind oder unter Bluthochdruck leiden, sind gut beraten, sich vor Beginn sportlicher Aktivitäten gründlich durchchecken zu lassen.

Anstrengung ja, Erschöpfung nein!
Vor allem Laufanfängern empfiehlt der Sportmediziner den Puls zu kontrollieren und die jeweiligen Werte einzuhalten. Dr. Dallamassl: „Viele Anfänger sind zu ehrgeizig, wollen in zu kurzer Zeit zu viel erreichen und überfordern sich dabei. Das führt zu großer Unzufriedenheit, weil man nach dem Laufen häufig erschöpft ist. Überforderung kann auch zu Schmerzen am Bewegungsapparat führen. Und nicht zuletzt: Wer zu ambitioniert ans Werk geht, macht aus dem ,Antistressmedikament‘ Laufen einen weiteren Stressfaktor!“
Laufeinsteiger sollten sich nicht scheuen, mit einem Mix aus langsamem Laufen und

Gehen zu beginnen. Von Woche zu Woche sollten aber die Laufphasen mehr und länger, die Gehpausen weniger und kürzer werden.
Wer so vorgeht, wird die Verbesserung in kurzer Zeit spüren. Nach einigen Wochen sollte man mit dieser behutsamen Steigerung in der Lage sein, die erforderlichen 30 bis 60 Minuten problemlos am Stück laufen zu können – in langsamem Wohlfühltempo. „Freilich kann man auch einmal ordentlich Gas geben und beim Laufen Dampf ablassen, wenn man sich über irgendetwas geärgert hat. Aber im Großen und Ganzen sollte man sein Wochenpensum zu 70 bis 80 Prozent im erwähnten Wohlfühlbereich bestreiten“, so der Arzt.

Was Laufen bringt:

  • Man kann es praktisch überall und jederzeit durchführen,
  • es baut Stress ab,
  • es senkt den Blutdruck,
  • gutes HDL-Cholesterin steigt, schlechtes LDL-Cholesterin sinkt,
  • es reduziert Gewicht,
  • es bewegt viele Muskeln,
  • man kann bei fast jedem Wetter laufen,
  • es gibt keine Altersgrenze fürs Laufen
  • man kann in kürzester Zeit enorm viel Gutes für den Organismus tun.

            

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