Regelmäßige Bewegung härtet ab. Das beweisen zahlreiche Studien. Allerdings weiß man auch, dass Sportler, die häufig und intensiv trainieren, besonders anfällig für Infekte sein können, zum Teil noch mehr als Sportmuffel. Der Innsbrucker Sportmediziner Dr. Kurt Moosburger erklärt für MEDIZIN populär, wie Sie mit dem optimalen Bewegungspensum Ihr Immunsystem in Schuss halten.
Von Mag. Wolfgang Bauer
Das darf doch nicht wahr sein! Da bereitet man sich gründlich vor, lässt keine Einheit des Trainingsplanes aus, hält sich an alle guten Tipps für eine ausgewogene Ernährung – und dann das: Halsweh, Gliederschmerzen, über 38 Grad Fieber. Und das zehn Tage vor dem Marathon, für den man so intensiv trainiert hat! Der Grazer Bankangestellte Martin S. ist verzweifelt, denn bis zu den ersten Schluckbeschwerden und Niesanfällen war er felsenfest davon überzeugt, dass er diesmal seine persönliche Bestzeit unterbieten werde. Wieder und wieder fragt er sich, bei welcher Gelegenheit er sich erkältet haben könnte. Lag es an dem kalten Wind und dem Regen, der ihm unlängst beim Laufen entgegenpeitschte? Wie auch immer, Tatsache ist, dass er zunächst einmal das Bett hüten muss, aus der Bestzeit wird wohl nichts, wahrscheinlich wird er sogar auf die Teilnahme am Marathon verzichten müssen.
Anders bei Irene K. Seit es sich die Salzburger Lehrerin zur Gewohnheit gemacht hat, alle Wege in der Stadt und der näheren Umgebung mit dem Fahrrad zurückzulegen, stellt Erkältung für sie ein Fremdwort dar. So radelt sie die fünf Kilometer von ihrer Wohnung in die Schule und wieder zurück und erledigt auch alle Einkäufe mit ihrem neuen Trekkingbike. Sie ist praktisch bei jedem Wetter mit dem Fahrrad unterwegs, und beim berühmten Salzburger Schnürlregen passiert es gar nicht so selten, dass sie ziemlich durchnässt ans Ziel kommt. Auch in den kalten Wintermonaten fährt sie so oft wie möglich mit dem Rad. Trotz Schnee und Kälte erfreut sie sich bester Gesundheit. Ist vielleicht Radfahren gesünder als Laufen?
Ob Sport die Abwehrkräfte stärkt oder schwächt, hängt nicht von der Wahl der Sportart ab. Vielmehr besteht ein Zusammenhang zwischen dem Immunsystem und der Intensität und Dauer einer Belastung. „Sport wird von immer mehr Medizinern als Medikament betrachtet. Doch wie bei jedem Medikament, so erzielt man auch mit Sport die optimale Wirkung mit der richtigen Dosis“, so der Innsbrucker Sportmediziner Dr. Kurt Moosburger. Wenn also jemand in zu hohen Dosen Sport betreibt, sprich: besonders intensiv trainiert oder sich bei Wettkämpfen auspowert, dann kann der Organismus empfindlicher reagieren als sonst. So beobachtet man besonders bei Leistungssportlern, dass sie oft an Atemwegsinfekten erkranken. Husten, Schnupfen und Heiserkeit sind daher häufige Begleiter in intensiven Trainings- und Wettkampfphasen. Andererseits: „Wer Sport mit der richtigen Dosis betreibt, stärkt seine Abwehrkräfte. In Zahlen ausgedrückt heißt das: unser Immunsystem profitiert von einem Pensum von bis zu fünf Stunden pro Woche bei moderater Belastung“, so Dr. Moosburger.
Auf den Körper horchen
Das Wochenpensum von fünf Stunden sportlicher Betätigung stellt natürlich nur einen allgemeinen Richtwert dar, der sich für den großen Durchschnitt der Sportlerinnen und Sportler bewährt hat. Dieser Wert kann bei gut Trainierten nach oben und bei Menschen mit schlechterer Fitness nach unten korrigiert werden.
„Wichtig ist, dass man die Signale des Körpers ernst nimmt. Jeder Sportler bzw. jede Sportlerin sollte für sich herausfinden, wie viel Aktivität gut tut und ab welchem Trainingsumfang man in den Bereich erhöhter Infektanfälligkeit kommt. Wenn man zum Beispiel an einem Tag nicht so gut drauf, also müde und ausgelaugt ist und keine Lust zum Training hat, sollte man auf Sport verzichten oder mit nur geringer Intensität trainieren“, empfiehlt der Sportmediziner.
Das gilt vor allem für Sportler, die ihr Training nach Plänen, wie sie im Internet für verschiedene Sportarten zu finden sind, ausrichten. „Es hat keinen Sinn, einen vorgegebenen Plan auf Biegen und Brechen einhalten zu wollen, schon gar nicht, wenn man das Gefühl hat, dass einem das Trainingspensum überfordert. Selbst Spitzensportler schaffen es nicht immer, sich tagtäglich an das von ihren Trainern vorgeschriebene Pensum zu halten und belasten sich an manchen Tagen weniger lang oder weniger intensiv.“
Wenn man sich krank fühlt, Fieber oder Schmerzen hat, dann ist von einem Training strikt abzuraten. Doch nicht nur Krankheiten sollten zu Trainingspausen führen. Generell sollten Sportler auch für ausreichend Regenerationszeiten sorgen und zum Beispiel zwischen den Trainingseinheiten einen Ruhetag einlegen.
Gefahr gleich nach dem Sport
Aus Studien ist bekannt, dass in den ersten ein bis zwei Stunden nach erschöpfenden Belastungen die Abwehrfunktion vorübergehend beeinträchtigt ist. Der Grund: unmittelbar nach Ende einer intensiven sportlichen Belastung oder nach einem Wettkampf kommt es zu einem Abfall von bestimmten weißen Blutkörperchen, die an und für sich Krankheitserreger in Schach halten. Dieses Zeitfenster stellt eine fast barrierefreie Eintrittspforte für Bakterien und Viren dar (in der Medizin wird diese Phase auch als „open Window“ bezeichnet).
Daher sollte man in diesem sensiblen Zustand etwas nachhelfen, um die Abwehrkräfte zu stärken. Dr. Moosburger: „Nehmen Sie gleich nach einer Belastung etwas Zuckerhältiges zu sich – zum Beispiel eine Limonade, gesüßten Tee oder unverdünnten Fruchtsaft. Denn die vorübergehende Abwehrschwäche hängt nicht zuletzt mit dem Verlust von Kohlenhydraten zusammen, die zur Energiegewinnung bei intensiver oder langdauernder sportlicher Betätigung benötigt werden. Und die verbrauchten Kohlenhydrate müssen möglichst rasch wieder zugeführt werden.“ Neben dieser Akutmaßnahme sollte man in den ein bis zwei Stunden nach einer sportlichen Belastung eine kohlenhydrat- und proteinreiche, aber fettreduzierte Mahlzeit zu sich nehmen. Essen Sie Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis in Verbindung mit Fleisch, Geflügeln, Fisch, Eiern. Dadurch werden die leeren Glykogenspeicher aufgefüllt. Und damit trifft man mehrere Fliegen auf einen Schlag: Man beschleunigt die Regeneration, schafft die Voraussetzung für weitere effiziente Trainingseinheiten, mindert die vorübergehende Abwehrschwäche – und bleibt stark gegen Krankheiten.
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Sport & Immunsystem
Wo ist der Zusammenhang?
Das Immunsystem ist die hoch komplexe Gesundheitspolizei unseres Körpers. Um Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger abzuwehren oder unschädlich zu machen, sind eine ganze Reihe von Helfern im Einsatz, die zu den weißen Blutkörperchen gehören. Durch sportliche Aktivität werden Lymphozyten, Granulozyten, Makrophagen dazu angeregt, besonders effektiv im Dienste der Abwehr von Erregern zu arbeiten.
„Das Immunsystems wird durch jede Sportart gestärkt, die in optimaler Dosis ausgeübt wird. Es ist also einerlei, ob jemand in der frischen Luft läuft oder mit dem Rad fährt, in einer Halle Tennis spielt oder Kraftsport betreibt“,
sagt Dr. Kurt Moosburger.
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Gewappnet für die kalte Jahreszeit
Was die Abwehrkräfte sonst noch stärkt
Sauna:
Der Wechsel von Erwärmung
(60 bis 100 Grad Celsius) und Abkühlung regt das Immunsystem an und trainiert außerdem Herz und Kreislauf.
Kneipp:
Sebastian Kneipp hat eine ganzheitliche Naturheilmethode zur Stärkung und Vorbeugung entwickelt. Am bekanntesten sind die Wasseranwendungen (Hydrotherapie) in unterschiedlichen Reizstärken, die nachweislich abhärten. Welche Art der Hydrotherapie – Güsse, Bäder, Waschungen, Wickel etc. – zur Anwendung kommt, hängt vom körperlichen Zustand der Patienten ab.
Ernährung:
Eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit allen notwendigen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen stärkt ebenfalls das Immunsystem.
Lebensstil:
Wer für ausreichend Schlaf sorgt und Stress vermeidet, ist gegen Krankheitserreger besser gewappnet.