Oma und Opa als Babysitter

März 2007 | Gesellschaft & Familie

So funktioniert die Kinderbetreuung durch die Großeltern
 
Beim Kinderhüten dürfen Oma und Opa gerne einspringen, wenn bei Mama und Papa wieder einmal die Zeit knapp und Not am Mann ist. Aber wehe, die Großeltern beschränken sich nicht aufs Aufpassen und Liebhaben ihrer Enkerln, sondern mischen sich in Erziehungsfragen ein! Dann hängt der Haussegen schief. Lesen Sie, wie es gelingen kann, dass Eltern und Großeltern in punkto Kindererziehung an einem Strang ziehen.
 
Von Mag. Petra Hauk

Eigentlich sind es Kleinigkeiten, die man mit einem Lächeln abtun könnte – wenn man nur dazu imstande wäre! Aber wenn Brigitte zum x-ten Mal von ihrer Mutter zu hören bekommt, dass der vierjährige Jan ihr nicht brav die Hand schüttelt und „Bitte und Danke“ sagt, wenn er eine Tafel Schokolade bekommt, dann könnte Brigitte explodieren vor Wut. Nicht nur, weil es sie nervt und kränkt, dass die Oma an ihrem Enkerl herumnörgelt, sondern auch, weil sie ihre Mutter mindestens ebenso oft gebeten hat, dem Kleinen nicht jedes Mal Naschereien mitzubringen. Aber die ignoriert die Wünsche ihrer Tochter einfach! Gesundheit und Zähne ihres Enkels sind Oma scheinbar auch egal. Mittlerweile überlegt Brigitte, den Kontakt abzubrechen.

Warum Großeltern so wichtig sind
Das wäre ein großer Verlust, sagt die Wiener Ärztin und Psychotherapeutin Dr. Iris Seidler: „Denn Großeltern haben für Familien in vielerlei Hinsicht eine wichtige Funktion. So stellen sie oft als wichtige Betreuungsalternative zu Kindergarten und Hort eine große Hilfe für Eltern dar. Dazu kommt der Faktor Gelassenheit. Viele Omas und Opas sind in Pension und haben nicht nur mehr Zeit, sondern oft auch mehr Ruhe und Geduld als die jüngere Generation. Das macht sie zu idealen Verbündeten, denen das Enkerl auch einmal ein Geheimnis anvertrauen kann.“
Weiters schlagen Großeltern eine Brücke in eine ganze andere Lebensphase, die Kinder viel über die grundsätzlichen Mechanismen menschlicher Existenz lehren kann, so Dr. Seidler. „Sie können Fragen zur Familiengeschichte und somit zur eigenen Herkunft beantworten, zum Beispiel: ‚Wie war das, als Mama oder Papa klein waren? Wie war das, als Oma und Opa klein waren?‘. Das kann spannend, lustig und lehrreich sein, Großeltern stellen dadurch eine Bereicherung für Kinder dar. Die Vielfalt der Familie profitiert enorm von der Anwesenheit mehrerer Generationen.“

Neue Rolle, altes Spiel?
Alle diese Möglichkeiten gehen verloren, wenn’s an der Familienfront ständig kracht. Woran liegt das? Sehr oft findet man die Ursache in der Neuverteilung der Rollen, die automatisch passiert, wenn ein Enkelkind auf die Welt kommt, sagt Dr. Seidler. „Das heißt: aus den eigenen Kindern werden plötzlich Eltern, man selbst gehört nun zu einer anderen Generation. Nicht allen fällt dieser Standpunktwechsel leicht. Schließlich sind die Omas und Opas von heute fitter und jünger als je zuvor. Plötzlich als Oma und Opa angesprochen zu werden, löst in vielen die Angst aus, zum alten Eisen zu gehören. Die Suche nach neuen Positionen kann tief sitzende Konflikte zutage fördern.“

Ähnliches trifft auch auf die jungen Eltern zu, die sich vielleicht vorgenommen haben, alles ganz anders zu machen, wenn sie einmal eigene Kinder haben. Wer zu Hause unter einem straffen Regime und vielen Verboten gelitten hat, will dem eigenen Nachwuchs ermöglichen, was er sich selber dringend gewünscht hat. Zum Beispiel eine längere Leine oder weniger Druck beim Lernen. Und genau hier tappen junge Eltern oft in die Falle. Denn jeder Ratschlag, der von Oma und Opa in Richtung Enkerl kommt – sei es, dass das Kind eine Haube aufsetzen, mehr essen oder die Hausaufgaben zu einer bestimmten Zeit machen soll –, wird von den jungen Müttern und Vätern als Bevormundung der eigenen Person empfunden und gibt ihnen ein Gefühl, als wären sie immer noch die kleinen Kinder, die sie früher einmal waren.

„Und auf eine bestimmte Art und Weise sind sie das auch noch“, sagt Dr. Seidler, „denn in so einem Fall bestehen emotionale Abhängigkeiten, man ist den eigenen Eltern gegenüber nicht erwachsen geworden. Solche Zusammenhänge zu durchschauen, ist der erste Schritt in Richtung Lösung. Konflikte bedeuten auch Chancen, bei denen alle Beteiligten gewinnen können.“

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So bleibt der Familienfriede gewahrt
Tipps für Eltern und Großeltern

Liebe Eltern!
Ein bisschen Gelassenheit ist angebracht
Großeltern wollen nicht bewusst verletzen, sondern eigentlich helfen. Was Eltern als „Einmischung“ sehen, ist oft vor allem ein Ausdruck von Interesse. Zum häufigen Streitthema Verwöhnen meint Dr. Seidler: „Bis zu einem gewissen Grad ist das ein Privileg der Großeltern und schadet Kindern nicht. Kinder können lernen zu unterscheiden, dass es unterschiedliche Regeln gibt, an die man sich halten muss. Das ‚verdirbt‘ die Erziehung der Eltern nicht.“

Klare Abmachungen bei wichtigen Fragen
Bei grundsätzlichen Themen sollten Eltern allerdings keine Kompromisse machen. Zum Beispiel, wenn Opa dem Kind immer wieder Geld zusteckt oder Oma den Jüngsten nach dem Zähneputzen mit einem süßen Betthupferl füttert. Hier gehören klare Grenzen her. Und das geht nur mit einem offenen Gespräch, in dem man sich nicht scheut, unangenehme Dinge anzusprechen.

Finden Sie offene Worte
Eine Auseinandersetzung bewirkt nur dann eine Veränderung zum Positiven, wenn sie konstruktiv geführt wird. Dabei ist es für Eltern wichtig, sich schon vor einem Gespräch klar zu werden, warum sie so empfindlich auf die Einmischung reagieren. Das erfordert eine große Portion Mut, denn schließlich geht es um Dinge, die vielleicht schon lange unter Verschluss gehalten werden. „Günstig wäre es hier, möglichst auf Schuldzuweisungen von der Art: ‚Ich hab das nie von dir bekommen‘ zu verzichten, sondern sich mehr auf das zu konzentrieren, was vor einem liegt. Wenn das nicht funktioniert, kann es sich für alle Beteiligten lohnen, Hilfe bei einem Mediator oder Psychotherapeuten zu suchen. Das nimmt spannungsgeladenen Situationen oft die Schärfe und kann zu konstruktiven Lösungen führen.“

Liebe Großeltern!
Sie sind nicht für alles verantwortlich
Großeltern haben viele Jahre ihres Lebens investiert, um aus ihren eigenen Kindern selbstständige Menschen zu machen. Jetzt ist die nächste Generation dran, und Oma und Opa dürfen die gleichen Anstrengungen mit dem wohl verdienten Abstand betrachten. Denn verantwortlich dafür, wie schnell ein Kind gehen lernt, wie es angezogen ist oder den Schulalltag bewältigt, sind sie nun zum Glück nicht mehr. Das ist befreiend – und bedeutet nicht, dass Großeltern keine Ratschläge mehr geben sollen. Sondern nur, dass sie genügend Lebenserfahrung haben, um zu wissen, dass viele Wege nach Rom führen.

Trauen Sie Ihrem Kind etwas zu
Meinen Sie, Ihr Sohn, Ihre Tochter wäre mit der Erziehung eines Kindes überfordert und käme ohne Ihre Hilfe auf keinen grünen Zweig? „Haben Sie mehr Vertrauen“, rät Dr. Seidler, „schließlich haben Sie die Elternschaft selbst auch erst lernen müssen – Fehler inklusive. Und schließlich wächst man mit seinen Aufgaben. Es muss Ihnen auch nicht immer gefallen, wie diese Aufgaben gelöst werden.“

Unterschiede bei der Erziehung sind gut
Auch wenn Großeltern die Regeln ihrer Kinder in punkto Erziehung respektieren sollen, gilt das umgekehrt genauso. Bei Oma und Opa darf man die Schuhe in der Wohnung anbehalten, aber zu Hause nicht? Bei Oma muss man beim Geschirrspülen helfen? Dafür darf man länger aufbleiben als daheim? Durch solche Unterschiede lernen die jüngsten Familienmitglieder, sich an verschiedene Situationen anzupassen.
   

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