Unsere Nase weiß es längst: Weihnachten liegt in der Luft, denn überall riecht es nach Zimt, Nelken und Vanille. Und Verkaufsstrategen wissen längst, dass sie uns via Nase in gute Stimmung bringen und unsere Kauflust anstacheln können. Denn mit Düften kann man uns leicht manipulieren und verführen.
Von Mag. Sabine Stehrer & Mag. Wolfgang Bauer
Düfte können aber mehr als das: Für eine Studie wurden sechs Wochen lang Büros mit ätherischen Ölen unterschiedlicher Geruchsrichtungen beduftet. Nach der Testphase gab die Mehrheit der Mitarbeiter an, dass sie sich mit dem Duft von Douglasfichte, Orange, Zitrone & Co viel wohler gefühlt hatte und die Arbeit wesentlich leichter von der Hand ging als ohne. Doch Düfte tun nicht jedem gut: Bei immer mehr lösen sie allergische Reaktionen aus, wie Umweltmediziner warnen. Dass eine empfindliche Nase auch von Vorteil sein kann, schildert einer der weltweit besten Sommeliers. Und wie sich der triste Alltag eines Menschen darstellt, der gar nichts riechen kann, erzählt eine Betroffene. Tauchen Sie mit MEDIZIN populär ein in die faszinierende Welt der Düfte.
ACHTEN SIE AUF DIE QUALITÄT!
Die ätherischen Öle werden vor allem durch Wasserdampfdestillation aus Pflanzen gewonnen. Dabei wird in einem Brennkessel durch Wasserdampf das ätherische Öl aus der Pflanze gelöst, bei der anschließenden Abkühlung wird das Öl vom Wasser getrennt. Für Dr. Steflitsch stellen „ätherische Öle eine hervorragende Ergänzung zur Schulmedizin dar. Allerdings müssen sie gewisse Qualitätskriterien erfüllen, um ihre Wirkung bestens entfalten zu können.“ So sollte aus dem Etikett des Fläschchens ersichtlich sein, woher das Öl stammt und wie es hergestellt wurde. Außerdem sollte sowohl der deutsche (z. B. „Lavendel“) als auch der botanische Name (z. B. „Lavandula angustifolia“) des Öls draufstehen sowie das Ablaufdatum.
WENIGE TROPFEN GENÜGEN
Ätherische Öle soll man sehr sparsam verwenden:
Zum Inhalieren benötigt man nur vier Tropfen. Wer erkältet ist, nehme zum Beispiel die bewährte Mischung aus zwei Tropfen Weißtanne, einemTropfen Zitrone und einem Tropfen Cajeput und inhaliere dieses Gemisch – entweder wie zu Großmutters Zeiten mit heißem Wasser und einem Handtuch oder mit Hilfe eines Inhalationsgerätes.
In eine Duftlampe zur Beduftung eines Raumes gibt man – je nach Größe der Räumlichkeit – sechs bis zehn Tropfen. „Man sollte nicht den ganzen Tag in einem stark bedufteten Raum verbringen, davon kann man Kopfweh bekommen. Man erzielt die gewünschten Effekte am besten, wenn man einen Raum drei oder vier Stunden lang beduftet – so lange eben ein Kerzerl in der Duftlampe brennt“, empfiehlt Dr. Steflitsch.
Für ein Fußbad werden sechs bis acht Tropfen benötigt, für ein Vollbad acht bis zwölf. Allerdings vermischt man bei einem Vollbad am besten zuerst die ätherischen Öle mit einem Emulgator, also mit Molke, Obers, Meersalz oder Honig, und gibt diese Mischung anschließend ins Badewasser.
DÜFTE STEIGERN KAUFLUST
Dass der sensible Geruchssinn auch seine Schwachstellen hat, weiß der Umweltmediziner Dipl.-Ing. Dr. HansPeter Hutter. Mit Düften kann man uns gut manipulieren. Wie in den USA und in Japan hat inzwischen auch in Deutschland und Österreich die Beduftung mit künstlichen Duftstoffen überhand genommen. Abgesehen von Büros werden Kaufhäuser beduftet, um die Kaufbereitschaft der Kunden zu steigern, Tiefgaragen, um Passanten ihre Ängste zu nehmen. Autos bekommen einen Duft nach Neuwagen verpasst und werden so schneller an den Mann oder die Frau gebracht, Cola-Automaten, die mit Cola-Aromen beduftet sind, werden häufiger benützt als solche, die geruchlos dastehen. In einer Studie der Universität Paderborn konnte man zeigen, dass der Umsatz in bedufteten Shops um sechs Prozent höher ist als in unbedufteten.
„Ob Duftstoffe nicht nur das Kaufverhalten ändern, sondern bei Inhalation durch die Nase auch zu körperlichen Krankheitssymptomen führen können, ist wissenschaftlich zwar noch nicht nachgewiesen“, sagt Dr. Hutter. Doch wahrscheinlich sei: „Je mehr beduftet wird, desto mehr Menschen reagieren auch auf die künstlichen Duftstoffe.“
ALLERGISCH AUF DUFTSTOFFE
Schon heute gibt es hierzulande nach Schätzungen von Experten rund 50.000 Duftstoffallergiker. Besonders anfällig für dieses Problem sind Kleinkinder, Menschen mit geschwächtem Immunsystem und jene, die bereits unter einer Kontaktallergie leiden,
wie zum Beispiel gegen Nickel. Häufigstes Symptom einer Duftstoffallergie sind Hautausschläge. Hilfe bieten die medikamentöse Behandlung der Allergie, beziehungsweise der einzelnen Symptome, und, wie Dr. Hutter sagt, „vor allem die Vermeidung des Allergie-Auslösers, so gut das eben geht“. Gegen welchen Duftstoff man allergisch ist, lässt sich am besten durch einen Allergie-Test mit einem Duftstoffmix feststellen, der wie ein Parfum auf die Haut aufgetragen wird.
Der Rat des Mediziners: Im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung sollte man prinzipiell keine Raumbeduftung oder Düfte verwenden, die die Luft verbessern. Auch mit Duftölen in Duftlämpchen, Duftkerzen, Räucherkegeln und Räucherstäbchen sollte man sparsam umgehen. Sensible Personen oder Allergiker sollten zusätzlich von Putz- und Waschmitteln, Kosmetika, Cremen und Lotionen, in denen künstliche Duftstoffe enthalten sind, auf duftstofffreie Alternativen umsteigen.
Für die besondere Vorsicht spricht das Ergebnis einer Studie, für die Umweltmediziner Dr. Hutter gemeinsam mit dem österreichischen Umweltbundesamt untersucht hat, ob künstliche Duftstoffe im Blut von jungen Erwachsenen nachweisbar sind – und wenn ja, welche das sind. Für die Studie wurde das Blut von 100 gesunden Studentinnen und Studenten mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren auf den Gehalt an elf Stoffen geprüft. Nachweisbar waren sowohl die älteren Nitromoschusduftstoffe als auch die neuen polyzyklischen Verbindungen, darunter auch Moschus-Xylol und Moschus-Keton, die, so Dr. Hutter, „die Wirkung krebserregender Substanzen verstärken können“. Was den Forschern nicht gelang, war herauszufinden, über welche Mittel die Stoffe in das Blut der Studenten gelangt waren.
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Welcher Duft wofür?
Ätherische Öle und ihre Wirkung
- Lavendel
wirkt beruhigend, antidepressiv und krampflösend
- Eukalyptus
wirkt schleimlösend, tötet viele Krankheitserreger ab, fördert die Konzentration
- Teebaum
wirkt keimtötend, stärkend
- Zitrone
steigert die Abwehr, fördert die Durchblutung, erfrischt den Geist
- Bergamotte
regt den Appetit an, muntert auf
- Ylang Ylang
senkt den Blutdruck und die Atemfrequenz, hebt die Stimmung
- Latschenkiefer
wirkt schleimlösend, konzentrationsfördernd
- Vanille
beruhigt, regt die Verdauung an
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Ich kann dich gut riechen!
Wie der Geruchssinn funktioniert
Der Geruchssinn ist aus der Sicht der Evolution ein lebenswichtiger Sinn, der zum Beispiel Gefahren rechtzeitig erkennen lässt (etwa den Brandgeruch bei Feuer) oder vor dem Genuss verdorbener Lebensmittel schützt. Gerüche spielen auch im Sozialverhalten eine maßgebliche Rolle, wenn wir beispielsweise jemanden sympathisch finden, dann können wir diese Person tatsächlich „gut riechen“ – wie der Volksmund treffend ausdrückt.
Wir riechen, indem Moleküle eines bestimmten Duftes an die Nase gelangen, in das Nasenloch eindringen und dort auf die Riechsinneszellen treffen, die alle vier Wochen erneuert werden. Diese lösen einen Impuls aus, der zum sogenannten Riechkolben, einem Nervengeflecht hinter der Stirnhöhle, weitergeleitet wird. Von dort führt der Weg ins Gehirn, wo die Moleküle als ganz bestimmter Geruch erkannt und auch mit jener Situation, in der er aufgetreten ist, abgespeichert werden. So können bis zu 10.000 unterschiedliche Gerüche im Gedächtnis behalten werden.
Weil beim Riechvorgang auch jene Hirnareale beteiligt sind, in welchen unsere Emotionen sitzen – zum Beispiel das Limbische System – sind über Düfte auch Gefühle und Stimmungen beeinflussbar.
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Verführt vom Geruch
Wie die Duftmanipulation funktioniert
Die Manipulation durch künstliche Duftstoffe funktioniert, obwohl die Düfte so sparsam eingesetzt werden, dass sie für normal Riechende gar nicht bewusst wahrzunehmen sind. Warum das so ist, ist leicht erklärt: Bereits ein Molekül, das eine Sinneszelle in der Nase stimuliert, löst einen Impuls aus, der an das Gehirn weiter geleitet wird, wo die unbewusste Wahrnehmung erfolgt. Damit ein Mensch einen Geruch bewusst wahrnimmt, müssen aber zugleich 40 Sinneszellen stimuliert werden. Zuordnen, beziehungsweise benennen kann ein Mensch den Geruch allerdings erst ab der zehnfachen Menge an Molekülen. Auch wenn man sich die Nase zuhält, kann man den Düften nicht entkommen. Denn sobald man durch den Mund atmet, dringen die Duftmoleküle über den Rachenraum bis zur Riechschleimhaut vor und lösen dort wiederum Signale aus, die über die Nervenbahnen das Gehirn erreichen und stärker wirken als optische oder akustische Signale.
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INTERVIEWS
Kann gar nichts riechen:
Die Niederösterreicherin Romana S.
Wie es ist, kaum etwas oder gar nichts zu riechen, wissen alle, die schon einmal massiv verschnupft waren. Ist der Schnupfen vorbei, ist die Geruchswahrnehmung aber meistens wieder da. Es gibt allerdings Menschen, bei denen der Geruchssinn für längere Zeit oder ganz ausfällt. In der Fachsprache nennt man das Anosmie. Im Gespräch mit MEDIZIN populär schildert die 48-jährige Romana S., wie es sich lebt, wenn man überhaupt nichts riechen kann.
MEDIZIN populär
Wann haben Sie Ihren Geruchssinn verloren?
Romana S.
Ich leide seit längerer Zeit an chronischer Sinusitis, also chronischer Nasennebenhöhlenentzündung. Seit rund einem Jahr habe ich überhaupt keinen Geruchssinn mehr, der Geschmackssinn ist auch nur mehr zum Teil vorhanden. Wie ein bestimmtes Essen schmeckt, weiß ich nur mehr aus der Erinnerung. Ich weiß zum Beispiel, dass ein Apfel säuerlich schmeckt, spüre aber diesen Geschmack nicht. Und das ist schon eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität. Ich werde ständig daran erinnert, dass ich eigentlich in gewisser Weise behindert bin.
Sie nehmen auch Gestank nicht wahr?
Genau. Wenn ich zu Hause etwa nach dem Kochen lüfte, dann weiß ich nicht, ob schon genügend Frischluft im Raum ist oder ob ich noch länger lüften soll. Meine Kinder sagen dann oft, dass es noch vom Kochen riecht. Ich merke das ja nicht. Vor kurzem ist die Milch am Herd angebrannt, ich habe nichts gerochen, obwohl der Topf mit Milch bereits verkohlt war. Zum Glück habe ich es irgendwie im Nebenraum gehört.
Wie ist denn Ihr Geruchssinn ausgefallen?
Das ist schleichend vor sich gegangen. Ich bin schon zweimal operiert worden an den Nebenhöhlen, weil dort alles verwuchert ist. Daher gelangt der Geruch nicht zum Riechzentrum. Bei den Operationen wurden die Schleimhautwucherungen aus den Nebenhöhlen entfernt. Danach war der Geruchssinn für kurze Zeit wieder da, dann ist er durch neuerliche Verschleimungen leider immer wieder ausgefallen. Jetzt steht eine dritte Operation bevor, bei der nochmals die Wucherungen entnommen werden. Eine 100-prozentige Prognose kann man allerdings nicht abgeben.
Was ist Ihr größter Wunsch?
Also ich würde mich sogar freuen, wenn ich etwas riechen könnte, das sehr stinkt. Dann weiß ich nämlich, dass der Geruchssinn wieder funktioniert. Was mir sehr fehlt, sind Gerüche der Natur, zum Beispiel eines Herbstwaldes oder der Duft der Weihnachtsbäckereien. Das habe ich von früher noch in sehr guter Erinnerung.
Lebt von seinem guten Riecher:
Der Tiroler Aldo Sohm
Aldo Sohm stammt aus Inzing in Tirol, ist 37 Jahre alt und von Beruf Sommelier. Als solcher ist er gleich viermal hintereinander zum Besten des Landes gekürt worden. Dann holte er sich den Titel „Bester Sommelier New Yorks“, heuer wurde er sogar „Bester Sommelier in Amerika“. Sein ausgezeichneter Geschmacks- und Geruchssinn kommt derzeit den Gästen des Top-Restaurants Le Bernardin im New Yorker Stadtteil Manhattan zugute, wo Aldo Sohm für die Weinauswahl und die Weinempfehlungen zuständig ist.
MEDIZIN populär
Herr Sohm, Sie können offenbar besser schmecken und riechen als der Durchschnittsmensch. Bei welcher Gelegenheit haben Sie das bemerkt?
Aldo Sohm
Da erinnere ich mich an eine Begebenheit in meiner Kindheit: Ich war da wohl vier oder fünf Jahre alt und mit meinen Eltern im Wald unterwegs, wo wir Eierschwammerln gesammelt haben. Ich habe auch eines gepflückt, und das hat so gut gerochen, dass ich es nicht mehr hergegeben habe und immer wieder daran riechen musste. Irgendwann habe ich wohl so intensiv dran gerochen, dass das Schwammerl ziemlich tief in meine Nase geraten ist. Wir mussten zu einem HNO-Arzt gehen, der mir das Ding herausgeholt hat. Gute Gerüche habe ich offenbar damals schon sehr gern gehabt.
Wie viele Gerüche können Sie unterscheiden?
Das weiß ich nicht, ich habe noch nicht einmal die Weingerüche gezählt, die ich auseinanderhalten kann. Ich denke aber, es werden schon 100 sein.
Gibt es überhaupt für alle Weingerüche, die Sie wahrnehmen, Bezeichnungen?
Wir Sommeliers haben besondere Bezeichnungen für Gerüche, die man sonst nicht kennt, wie zum Beispiel balsamisch, das hat so etwas von Waldboden-Geruch, gemischt mit Teergeruch, und das findet man meistens beim Barolo.
Es gibt heutzutage viele künstlich beduftete Räumlichkeiten. Der Duft ist allerdings so dosiert, dass ihn normal Riechende gar nicht bewusst wahrnehmen und er nur über das Unterbewusstsein wirkt.
Wie geht es Ihnen damit?
Für mich ist das ganz furchtbar, wenn ich in Räume komme, die künstlich beduftet sind, weil ich rieche die Duftstoffe genau. Ganz extrem ist es etwa in den Kasinos und Kasino-Hotels von Las Vegas, wo beduftet wird, um die Spiellust zu steigern. Oder in Parfumerien. Wenn meine Frau in so was hineingeht, um ein Parfum zu kaufen, bleibe ich draußen vor der Tür stehen, weil ich würde die vielen Gerüche nicht aushalten und begreife auch nicht, wie jemand da drinnen überhaupt noch einen einzelnen Geruch richtig wahrnehmen kann.
Trainieren Sie Ihren Geruchssinn?
Ja, selbstverständlich, das mache ich die ganze Zeit. Wenn ich durch New York gehe und etwas rieche, schaue ich dann nach, ob an der nächsten Ecke wirklich gebrannte Nüsse zu kaufen sind, oder ob es Kastanien sind oder beides. Oft sind die Gerüche in dieser Stadt auch nicht so gut, aber da halte ich dann eben die Luft an und gehe schnell vorbei. Wenn ich am Wochenende rausfahre und einen Spaziergang mache, dann genieße ich dafür den Geruch von Ästen, Kräutern, Blumen und Laub und frage die, die mich begleiten, die ganze Zeit, ob sie den einen oder anderen Geruch eh auch wahrnehmen. Für die, die ich frage, kann das ganz schön anstrengend werden (lacht).
Sie verdienen Ihr Geld mit Ihrem Geruchssinn und arbeiten derzeit als Sommelier im New Yorker Top-Restaurant Le Bernardin. Da sollte Ihre Nase praktisch immer gesund sein. Haben Sie ein Geheimrezept gegen Schnupfen?
Leider bin ich recht anfällig für Schnupfen und Heiserkeit. Daher gehe ich, wenn ich merke, jetzt bahnt sich ein Schnupfen an, zu einem Arzt, der mich mit Akupunktur behandelt. Nachdem ich bei ihm war, fühle ich mich meistens sofort wieder ganz gesund.
Haben Sie einen persönlichen Lieblingsgeruch und umgekehrt einen, den Sie verachten?
Besonders gern mag ich den Geruch von Eukalyptus und Yasmin, und selbstverständlich mag ich auch die Gerüche meiner persönlichen Lieblingsweine sehr gern, das sind der Riesling und der Barolo. Was ich gar nicht ausstehen kann, ist zum Beispiel der Geruch von Teebaumöl.