Weltweit leben etwa drei Millionen Menschen mit einem Herzschrittmacher.
Was kaum bekannt ist: Oft muss das lebenswichtige Gerät schon im Kindesalter eingesetzt werden, manchmal sogar unmittelbar nach der Geburt. Wie im Fall von Jonas, der heute zehn Jahre alt ist und fast genauso unbeschwert herumtollen kann wie seine herzgesunden Freunde.
Von Mag. Christian F. Freisleben-Teutscher
In Österreich kommen pro Jahr etwa 700 Kinder mit Herzfehlbildungen zur Welt – davon müssen zwei Drittel operiert werden. „Ein Herzfehler ist schon lange kein Todesurteil mehr. Die betroffenen Kinder können mit der entsprechenden Behandlung in den meisten Fällen ein fast normales Leben führen und auch ihre Lebenserwartung entspricht dem Durchschnitt“, berichtet Dr. Miklos Pinter. Er ist als Oberarzt am „Kinderherzzentrum Linz“ tätig (www.kinderherzzentrum.at), das das Linzer AKH und die Landeskinderklinik 1995 gemeinsam aufgebaut haben und das inzwischen national und international einen hervorragenden Ruf genießt.
„Je früher eine Herzerkrankung erkannt wird, umso besser“, betont Pinter. Oft erfahren Eltern die Diagnose schon zwischen der 18. und 30. Schwangerschaftswoche. „Es wäre wichtig, dass dies bei möglichst vielen Kindern mit Herzkrankheiten gelingt, denn dann können bereits unmittelbar nach der Geburt medizinische Maßnahmen gesetzt werden“, so der Arzt. „Wir können nun Operationen durchführen, die früher undenkbar waren. Teilweise nehmen wir dabei quasi das Herz auseinander und setzen es neu zusammen. Dann kann es nach der Operation auch zum Einsatz eines Herzschrittmachers kommen“, berichtet Pinter aus der Praxis.
Schrittmacher wurde zweimal aufgerüstet
„Früher dachte ich bei Herzschrittmacher eigentlich nur an ältere Menschen“, berichtet Anna G. Schon in der Schwangerschaft hatte die Frau erfahren, dass ihr Sohn Jonas an einer seltenen Herzkrankheit leidet, bei der rechte und linke Herzkammer vertauscht sind. „Für uns ist eine Welt zusammengebrochen – es war ein Schock. Zum Glück bekamen wir im Kinderherzzentrum eine sehr gute und persönliche Betreuung. Inzwischen ist Jonas zehn Jahre alt und führt eigentlich ein ganz normales Leben wie viele anderen Buben in seinem Alter. In der Schule ist sogar Turnen sein Lieblingsfach.“ Unmittelbar nach der Geburt bekam Jonas einen Herzschrittmacher, der dann bei ihm später zweimal aufgerüstet werden musste.
Bei Kindern bis zum vierten bzw. fünften Lebensjahr wird der Generator für den Herzschrittmacher unter der Bauchdecke eingepflanzt, die Elektroden werden direkt an das Herz angenäht. „Später wird dann dieser Generator entfernt, die Elektroden, die im Körper bleiben, werden abgestöpselt. Nun wird ein Generator in einer Hauttasche in der Nähe des Schlüsselbeins eingesetzt und die Elektroden werden über die Venen ins Herz eingeführt.“ Dieser Eingriff ist ohne Öffnung des Brustkorbes möglich.
Probleme durch Handys und Mikrowelle
Im „Kinderherzzentrum Linz“ werden inzwischen mehr als 35 Kinder mit einem Schrittmacher betreut – darunter auch Neugeborene und Jugendliche bis 20. „Die Mehrzahl bekam das Gerät im Rahmen einer Herzoperation – einem Kind wurde es direkt nach dem Kaiserschnitt im selben Operationssaal eingesetzt“, berichtet Pinter. Bei den regelmäßigen Kontrollen wird nach der körperlichen Untersuchung die Einstellung des Schrittmachers überprüft bzw. mit einem Röntgen die Lage der Elektroden kontrolliert. Denn die Kinder und damit deren Herzen wachsen ja weiter.
Aus Pinters Erfahrung „akzeptieren Kinder das Gerät sehr gut. Sie haben weniger Ängste als Erwachsene, die oft bereits viele und lange Vorbehandlungen wegen Rhythmusstörungen hinter sich haben.“ Und Frau G. weiß über das Kinderleben mit Schrittmacher: „Wenn Jonas jemand auf seine Operationsnarben anspricht, erzählt er wie selbstverständlich von ‚seinem‘ Schrittmacher. Er hat sich inzwischen auch gut an die halbjährlichen Kontrollen im Kinderherzzentrum gewöhnt.“
Pinter betont, dass im Alltag einige Verhaltensregeln wichtig sind, „auch wenn die Geräte der neuesten Generation wenig anfällig für Störungen von außen sind.“ Probleme können hochfrequente Strahlen verursachen: „Diese werden zum Beispiel von elektrisch betriebenen Schweißgeräten abgegeben“, erklärt Pinter. Sind Handys in der Großstadt unproblematisch, sollten sie Kinder mit Herzschrittmacher in entlegenen Regionen nicht benützen: Denn mit der Entfernung zum nächsten Sendemast erhöht sich die Leistung und damit auch die abgegebene Strahlung des Handys. Vorsicht ist geboten bei Metallkontrollen am Flughafen, auch manche Sicherungssysteme von Kaufhäusern können die Funktion des Schrittmachers beeinflussen. Probleme verursachen können zudem schlecht abgeschirmte Mikrowellenherde bzw. Magnete in Lautsprecherboxen.
Bei älteren Kindern mit dem Generator beim Schlüsselbein „ist darauf zu achten, dass diese Region durch das Tragen einer zu schweren Schultasche nicht zu sehr belastet wird“. Auch manche Sportarten wie etwa Tennis sind zu vermeiden – „aber insgesamt können diese Kinder und Jugendliche meist genau dasselbe unternehmen wie ihre Altersgenossen“, unterstreicht Pinter. Insofern bräuchten auch Kindergärten und Schulen keine Bedenken haben, wenn es um die Aufnahme von „solchen“ Kindern geht.
„Herzkinder“ helfen den Eltern
Die Geburt eines herzkranken Kindes bringt massive Veränderungen des Alltags mit sich. Dieser ist dann geprägt von regelmäßigen medizinischen Untersuchungen, operativen Eingriffen und oft langen Klinik- und Rehabilitationsaufenthalten. „So wie es Frau G. beschreibt, geht es den meisten Familien: Es ist ein großer Schock, über die Herzkrankheit zu erfahren, und gerade nach der Spitalsentlassung tauchen sehr viele Fragen und Unsicherheiten auf“, ergänzt Michaela Altendorfer. Sie hat selbst zwei herzkranke Kinder und ist Gründerin der Selbsthilfegruppe „Herzkinder“ (www.herzkinder.at), die in ganz Österreich tätig ist. Initiiert wurden Anlaufstellen in Oberösterreich, der Steiermark, in Wien und Tirol, in den anderen Bundesländern werden diese gerade aufgebaut. „Es ist sehr wichtig, dass es Stellen gibt, an die sich betroffene Eltern wenden, und dass sie Kontakt zu Eltern in ähnlichen Situationen knüpfen können.“
„Herzkinder“ bietet auch Schulungen für Eltern an, organisiert Vorträge und Kinderlager sowie Rehabilitations- und Erholungsurlaube für die betroffenen Familien und hilft in allen organisatorischen Belangen.
Altendorfer appelliert an Betroffene, „nicht zu versuchen, alles ganz alleine zu bewältigen. Die Belastung ist sehr groß und es ist auch nicht immer einfach, die richtigen Ansprechpartner für die unterschiedlichsten Fragen zu finden.“ Umso wichtiger ist es, sich Unterstützung zu suchen und aktiv den Erfahrungsaustausch mit anderen betroffenen Familien zu suchen.
Lebenswichtige Impulse
Was bewirkt ein Herzschrittmacher?
- Ein Herzschrittmacher dient grundsätzlich dazu, ein zu langsam schlagendes Herz zu beschleunigen. Einsatzgebiete sind auch die Behandlung von Herzrhythmusstörungen und Herzmuskelerkrankungen. Der Schrittmacher überwacht die Geschwindigkeit und den Rhythmus des Herzschlages und gibt bei Bedarf die nötigen elektrischen Impulse.
- 1950 wurde in Kanada das erste Gerät entwickelt, das von außen durch die Haut elektrische Impulse an das Herz abgab. Damit war allerdings die Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt und die Lebenserwartung sehr gering.
- Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Technik rasant weiterentwickelt. Schrittmacher können nun meist ohne Öffnung des Brustkorbes eingesetzt werden, da die Elektroden durch die Venen in das Herz eingeführt und in den Herzhöhlen verankert werden können.
- Die Schrittmacher können nun angepasst an die Gesundheitsentwicklung des Patienten von außen programmiert werden – beeinflussbar ist so die Geschwindigkeit oder die Energie der Impulse. Abgefragt werden kann auch, wie voll die Batterien noch sind – diese halten inzwischen bis zu acht Jahre und können dann in einem kleinen Eingriff ausgewechselt werden.
- Weltweit leben etwa drei Millionen Menschen mit einem Herzschrittmacher, jährlich werden 600.000 neue Geräte implantiert. In Österreich haben etwa 130 Kinder einen Herzschrittmacher.
Kontakttipp
Selbsthilfegruppe „Herzkinder Österreich“, www.herzkinder.at