Von Mag. Sabine Stehrer
„Geschwüre, die mit Beginn der Pubertät außerhalb der Gebärmutter auftreten“, so nennt anno 1690, also vor mehr als 300 Jahren, der deutsche Arzt Daniel Schroen eine gynäkologische Erkrankung, die er bei Frauen entdeckt hat. Dasselbe Leiden beschreibt ein knappes Jahrhundert später, im Jahr 1769, der schottische Arzt Arthur Duff bereits als „bekannte Störung“. Und im 19. Jahrhundert legt schließlich der Wiener Pathologe und Mitbegründer der Wiener Medizinischen Schule Carl Freiherr von Rokitansky vor der Gesellschaft der Ärzte den Bauchraum einer Frau frei, die jeden Monat extreme Menstruationsschmerzen hatte. Was die Mediziner sehen, sind Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut überall dort, wo sie nicht hingehören: Am Bauchfell, um die Blase herum und um den Darm. Sie bezeichnen die Krankheit nach der Gebärmutterschleimhaut, dem Endometrium, als Endometriose und lassen sie in die Liste der gynäkologischen Erkrankungen eintragen.
Mediziner schlagen Alarm: „Wir schätzen, dass heute 20 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter Endometriose haben“, sagt Univ. Prof. Dr. Christine Kurz, Gynäkologin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde im Wiener AKH. Das heißt, jede fünfte Frau ist betroffen. Warum die Erkrankung trotzdem vergleichsweise unbekannt ist und meistens viele Jahre vergehen, bis die Diagnose Endometriose gestellt ist? Das, sagt Prof. Kurz, hänge mit den Symptomen zusammen, die meistens schwer zuzuordnen sind und daher die Entdeckung der Krankheit verzögern.
Das Problem der Diagnose
Hinweise auf Endometriose sind intensive Menstruationsschmerzen, die jeden Monat ein bis zwei Tage vor der Blutung auftreten, vom Unterleib ausgehen und manchmal sogar bis in den Rücken ausstrahlen. Darmkrämpfe können hinzukommen, und manchmal auch zyklisch auftretende Blutungen aus Blase und Darm und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. In diesem Fall kann die Endometriose bei einer gynäkologischen Untersuchung in der Scheide ertastet werden. Sind die Eierstöcke betroffen, bilden sich dort Zysten, die mithilfe einer Ultraschalluntersuchung erkannt werden können. Haben sich die ver(w)irrten Zellen an der Blase, am Darm oder Harnleiter festgesetzt, gestaltet sich die Entdeckung der Endometriose noch schwieriger. Prof. Kurz: „Eine eindeutige Diagnose lässt sich dann nur noch über einen operativen Eingriff stellen.“
Entweder es wird eine Bauchspiegelung gemacht, die so genannte Laparoskopie, bei der durch kleine Einschnitte in der Bauchdecke nach Endometriosezellen gesucht wird. Oder – was aber äußerst selten vorkommt – es wird der Bauch aufgeschnitten. In rund 80 Prozent der Verdachtsfälle wird auf diese Art und Weise tatsächlich eine Endometriose entdeckt, und auch gleich therapiert: Das heißt, die Endometrioseherde werden entfernt. Stellt sich bei der Laparoskopie heraus, dass es sich bei der Erkrankung doch nicht um Endometriose handelt, muss man überlegen, ob die Beschwerden eine psychosomatische Ursache haben.
Operation oder Hormontherapie
Muss die Entfernung der Endometriose in jedem Fall sein? „Das kommt darauf an“, sagt Prof. Kurz. „Ob sich die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt und die Patientin gemeinsam dazu entschließen, den Befall zu entfernen, wird von Fall zu Fall entschieden und hängt von einer ganzen Reihe an Dingen ab.“ Wenn etwa die Schmerzen, die mit der Krankheit verbunden sind, so unerträglich sind, dass sie die Frauen in der Bewältigung ihres Alltags behindern, sei die Entfernung empfehlenswert. Hat die Patientin einen Kinderwunsch und bleibt dieser wegen der Endometriose unerfüllt, was sehr häufig vorkommt, dann empfehle sich die Entfernung ebenfalls. Auch wenn die Endometriose Blase, Darm oder Harnleiter befallen hat, sollte operiert werden, denn der Befall kann zu Funktionsstörungen und sogar zu schweren Schäden der einzelnen Organe führen, wie zu einer „stummen“, funktionsunfähigen Niere. Ebenfalls anzuraten ist die operative Entfernung, wenn die Zellen und Zysten weiter oben im weiblichen Körper ihr Unwesen treiben, also am Magen, der Lunge oder am Herzen kleben und jeden Monat Beschwerden verursachen, was, wie Prof. Kurz sagt, „zwar äußerst selten, aber doch vorkommt“.
Stellt die Endometriose keine Gefahr für die Gesundheit der Patientin dar und ist diese noch jung genug, um sich mit der Erfüllung des Kinderwunsches Zeit lassen zu können, gibt es eine Alternative zur Operation: die Hormontherapie. Dabei werden Hormone verordnet, die die Eierstöcke ruhig stellen und den Körper in einen künstlichen Wechsel versetzen, wodurch die ver(w)irrten Zellen austrocknen und absterben. Allerdings verursacht diese Therapie als Nebenwirkung die typischen Wechseljahrbeschwerden wie Erschöpfungszustände, Schlaflosigkeit, Schweißausbrüche, Nervosität und depressive Verstimmungen. Andere Möglichkeiten für Endometriose-Patientinnen: Man bekämpft die Endometriose-bedingten Menstruationsbeschwerden medikamentös mit Schmerzmitteln oder behandelt sie mit Akupunktur und wartet ab, bis der natürliche Wechsel einsetzt – wodurch die Verwachsungen wie beim künstlichen Wechsel von selbst verschwinden. Auch die Hormonumstellung, die bei einer Schwangerschaft eintritt, bringe die Endometriose zum Verschwinden, sagt Prof. Kurz: „Die Erkrankung kann nach der Schwangerschaft aber wieder auftreten, so wie sie sehr oft auch nach dem Absetzen der Pille auftritt.“
So beugt man vor
Kann man etwas tun, um Endometriose vorzubeugen? „Ja“, meint Prof. Kurz. „Günstig ist eine Lifestyle-Änderung mit dem Ziel, Entzündungsprozesse im Körper zu vermeiden.“ Konkret heißt das: Man sollte Süßigkeiten und fettes Fleisch vom Speiseplan streichen und durch viel Gemüse, Obst, Salate und Fisch ersetzen, möglichst viel Ausdauersport betreiben, möglichst viel schlafen und nicht rauchen.
***************
Endometriose breitet sich aus:
Ist die Umweltverschmutzung schuld?
Bei der Forschung nach den Ursachen für die gleich nach der Bildung von Myomen zweithäufigste unter den gutartigen gynäkologischen Erkrankungen tappen die Wissenschaftler im Dunkeln. Es gibt lediglich ein paar Theorien. Die gängigste besagt, dass durch die monatliche Blutung Gebärmutterschleimhaut-Zellen aus der Gebärmutterhöhle verschleppt werden, ehe sie sich anderswo im Körper ansiedeln. Nach anderen Vermutungen handelt es sich bei den Zellen nicht um verirrte, sondern um verwirrte, die sich neu bilden, so tun, als wären sie Gebärmutterschleimhautzellen und für Irritationen sorgen.
Weitere mögliche Ursachen für die Endometriose sind Funktionsstörungen des Immunsystems und Umwelteinflüsse. Univ. Prof. Dr. Christine Kurz: „Wir wissen, dass im Bereich von Industrieanlagen, wo die Umwelt besonders belastet ist, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet, besonders viele Frauen an Endometriose erkranken, und dass auch bei uns die Zahl der Endometriose-Patientinnen mit zunehmender Umweltbelastung gestiegen ist.“