Chlamydien-Infektion: Die heimliche Liebeskrankheit

Januar 2007 | Partnerschaft & Sexualität

Mit der sinkenden Angst vor AIDS nehmen Geschlechtskrankheiten stark zu
 
Über Unterleibsgeschichten spricht man nicht gern. Über Geschlechtskrankheiten schon gar nicht. So kommt es, dass viel zu wenig bekannt ist, welche verheerenden Folgen eine Chlamydien-Infektion haben kann, und wie einfach es ist, sich davor zu schützen.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

In jungen Jahren war Anna Z. kein Kind von Traurigkeit. Auf der Suche nach der großen Liebe wechselte sie häufig ihre Partner, weil sie mit Hilfe der Pille verhütete, verzichtete sie zumeist auf die Verwendung von Kondomen. Die Angst vor AIDS befiel sie zwar immer wieder, mit einem jährlichen HIV-Test wiegte sie sich aber in Sicherheit. Dann trat ihr späterer Mann in ihr Leben und mit ihm der Wunsch nach einem Kind, der aber für mehrere Jahre unerfüllt blieb. Eine genaue Untersuchung brachte das niederschmetternde Ergebnis: Unfruchtbarkeit wegen verklebter Eileiter. Der Grund dafür: eine verschleppte, nicht behandelte Chlamydien-Infektion.

Man passt nicht mehr so auf!
Ausgelöst wird die Infektion durch die so genannten Chlamydien. Das sind Bakterien, die die Schleimhaut im Genitalbereich befallen, bei der Frau kann das der Gebärmutterhals oder der Muttermund sein, beim Mann die Harnröhre. Entsprechend geschieht die Übertragung dieser Erreger beim ungeschützten Geschlechtsverkehr, beim oralen und analen Liebesspiel. Und das ist leider alarmierend oft der Fall: Die Chlamydien-Infektion ist die häufigste bakterielle Erkrankung im Genitalbereich – die Zahl der Betroffenen ist in den letzten Jahren stark gestiegen, beobachtet Univ. Prof. Dr. Angelika Stary, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Wien, die Entwicklung.

„Seit die Angst, sich mit dem HI-Virus tödlich anzustecken, abgenommen hat, ist die Zahl aller Infektionen im Genitalbereich im Steigen begriffen. Nicht nur Chlamydien werden vermehrt verbreitet, auch Syphilis und Gonorrhoe, also Tripper, treten wieder häufiger auf. Man ist sich zwar schon noch dessen bewusst, dass man an AIDS sterben kann, aber durch die Errungenschaften der Medizin und die Entwicklung von Therapiemöglichkeiten wurde den Menschen die unmittelbare Todesangst genommen. Dadurch gestaltet sich ihr Liebesleben oftmals wieder freizügiger, Kondome werden seltener benützt, man passt nicht mehr so auf.“ Aber auch die geänderte politische Situation spielt laut Prof. Stary eine Rolle: „Durch die Öffnung der Ostgrenze etwa kommen vermehrt illegale Prostituierte nach Österreich, die eine hohe Ansteckungsrate aufweisen.“

Folgen für Mann, Frau und Baby
Prof. Stary, die drei Pilzambulatorien in Wien leitet, schätzt, dass bis zu fünf Prozent der Bevölkerung in Österreich mit Chlamydien infiziert sind, bei Jugendlichen und Menschen mit häufig wechselnden Partnerschaften geht sie von bis zu acht Prozent aus. Die meisten Betroffenen wissen nichts von ihrer Erkrankung. Das ist in zweierlei Hinsicht gefährlich: Zum einen, weil sie das Bakterium an den bzw. die Liebespartner übertragen können, zum anderen, weil eine unbehandelte Chlamydien-Infektion schwere Folgen nach sich ziehen kann. Sie reichen bei der Frau von chronischen Schmerzen im Unterbauch, einer aufsteigenden Infektion in Gebärmutter und Eileiter bis hin zum Eileiterverschluss, was letztlich zu einer Eileiter- oder Bauchhöhlenschwangerschaft führen kann und sogar zur Unfruchtbarkeit. Beim Mann können Chlamydien eine Urethritis verursachen, also einen Harnröhreninfekt, der eine Hodenentzündung auslösen kann. Chlamydien können auch von der Mutter auf das Baby übertragen werden, das dann zunächst eine Augenentzündung und in weiterer Folge auch eine Lungenentzündung erleiden kann.   

Der beste Schutz: Kondome
Das Heimtückische an Chlamydien ist, dass sie über Monate, ja sogar Jahre im Körper „schlummern“ können, ohne irgend welche Beschwerden zu verursachen. Deswegen bleibt die Infektion auch oftmals viel zu lange unbemerkt, bei Männern genauso wie bei Frauen. „Wir haben eine Studie bei Bundesheersoldaten gemacht“, erzählt Prof. Stary, „und waren sehr erstaunt über das Ergebnis: Fünf Prozent der jungen Männer waren Träger von Chlamydien, wiesen aber keine Symptome auf.“
Treten Beschwerden auf, so vergeht vor allem bei Frauen oftmals viel Zeit bis zur eindeutigen Diagnose. Um Chlamydien festzustellen, reicht laut Prof. Stary kein einfacher Bluttest. „Die diagnostischen Möglichkeiten haben sich mit Hilfe von hochsensiblen gentechnischen Verfahren wesentlich verbessert. Sie sind zwar einfach durchzuführen, müssen aber in spezialisierten Labors gemacht werden, um eine möglichst hohe Trefferquote zu erzielen. Vom Patienten braucht man dazu etwas Sekret aus der Harnröhre, von der Patientin einen Abstrich aus der Scheide, die modernen Verfahren können aber auch schon in Harnproben Chlamydien ausmachen“, erklärt Prof. Stary. So schwierig sich der Weg bis zur Diagnose gestalten kann, so einfach ist die Therapie: „Mit den heute zur Verfügung stehenden Antibiotika, die selbstverständlich gezielt verabreicht werden müssen, ist die Infektion gut heilbar.“ Der beste Schutz für sexuell aktive Frauen und Männer, die in keiner festen Partnerschaft leben: Kondome.

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Bin ich gefährdet?

Vor allem bei der Frau bleibt eine Chlamydien-Infektion oft lange Zeit unentdeckt, weil sie nur geringe oder gar keine Beschwerden verursacht. Männer kommen der Krankheit eher auf die Schliche, weil sie bei ihnen starke Schmerzen auslöst, die sie zum Arzt führen. Alarmstufe rot ist angezeigt, wenn folgende Symptome auftreten:

Bei der Frau:

  • Diffuse Unterbauchbeschwerden
  • Brennen beim Wasserlassen
  • Vermehrter Ausfluss

Beim Mann:

  • Vermehrter Harndrang
  • Schmerzen beim Urinieren
  • Schleimig-eitriger Ausfluss

Achtung! Sowohl beim Mann als auch bei der Frau ähneln die Symptome denen eines Harnwegsinfekts. Wer häufig mit wechselnden Partnern ungeschützten Geschlechtsverkehr hat bzw. nach dem sexuellen Kontakt mit einem neuen Partner unter den genannten Beschwerden leidet, sollte den Arzt über diese Zusammenhänge informieren.
Wird eine Chlamydien-Infektion festgestellt, muss auch die Partnerin bzw. der Partner untersucht und gegebenenfalls behandelt werden, damit es nicht zu einem Ping-Pong-Effekt kommt. Eine Infektion durch Chlamydien hinterlässt im Körper keine Immunität, das heißt, dass eine Neuansteckung jederzeit möglich ist.

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AIDS
Die Angst sinkt – die Gefahr steigt

Laut aktuellem Bericht leben derzeit weltweit knapp 40 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion. Rund vier Millionen Menschen wurden im Jahr 2005 neu angesteckt, rund 2,8 Millionen starben im Vorjahr an der Erkrankung.

In Österreich waren laut Gesundheitsministerium Anfang Oktober des Vorjahres 2427 Personen am Vollbild der HIV-Infektion erkrankt, geschätzte 5000 bis 6000 Menschen leben mit dem Virus. Die Zahl der Neu-Infektionen ist hierzulande zwischen 1998 und 2005 von 313 Fällen pro Jahr auf 453 angestiegen. Somit haben sich im Jahr 2005 in Österreich ein bis zwei Menschen pro Tag mit dem HI-Virus angesteckt!

„Waren 1998 ,nur‘ 27 Prozent der Neuerkrankungen auf heterosexuelle Kontakte zurückzuführen, so lag diese Zahl im Jahr 2006 bei 42 Prozent und machte somit den deutlich größten Anteil der Neu-Infektionen aus“, sagt Dr. Brigitte Schmied, Lungenfachärztin am SMZ Baumgartner Höhe und Präsidentin der Österreichischen AIDS-Gesellschaft. „Sextourismus, Menschenhandel mit Prostituierten, häufige Partnerwechsel und das unzureichende Schutzverhalten beim Geschlechtsverkehr führen zu der starken Verbreitung von HIV-Infektionen auch in vor einigen Jahren noch weniger betroffenen Bevölkerungsgruppen“, so Dr. Schmied. In einer aktuellen Umfrage geben fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher an, bereits ungeschützten Sex mit einem neuen Partner, einer neuen Partnerin gehabt zu haben, ohne deren sexuelles „Vorleben“ zu kennen.

Hand in Hand mit dieser alarmierenden Entwicklung, die in Österreich ebenso wie in ganz Europa beobachtet wird, registriert man bereits seit einigen Jahren einen Anstieg bei sexuell übertragbaren Erkrankungen insgesamt. So sieht Ass. Prof. Dr. Armin Rieger von der Abteilung für Immundermatologie und infektiöse Hauterkrankungen am AKH Wien das steigende Auftreten von Syphilis als „Ausdruck von vermehrtem risikoreichen Sexualverhalten“.

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