Wenn sich Männer dazu entschließen, Verantwortung für die Empfängnisverhütung zu übernehmen, so haben sie nur zwei Möglichkeiten: Sie können Kondome verwenden oder eine Vasektomie vornehmen lassen. Die eine Methode halten viele für unsicher und unbequem, die andere funktioniert dauerhaft und ist nach wie vor mit großen Ängsten verbunden. Urologe Dr. Norbert Häusler erklärt, wie die neuartige messerlose Samenleiterunterbindung vor sich geht.
Von Mag. Karin Kirschbichler
In nicht einmal 20 Minuten ist der Eingriff vorbei. Er kommt ohne Skalpell und ohne Vollnarkose aus. Die Stiche in den Hodensack zur örtlichen Betäubung beschreibt Stefan Z. unmittelbar nach der Operation als „halb so schlimm. Eine Spritze beim Zahnarzt tut viel mehr weh“, sagt er. Der 33-Jährige hat sich für eine Vasektomie entschieden, weil weder er noch seine Lebensgefährtin Kinder wollen. Den Schritt hat das Paar, wie Stefan sagt, gemeinsam und gründlich überlegt – auch im Wissen darum, dass eine Sterilisation bei der Frau einen wesentlich schwereren Eingriff erfordert.
Aus ähnlichen Motiven hat Robert L. eine Durchtrennung seiner Samenleiter vornehmen lassen. Weil „fünf Kinder genug“ sind, haben er und seine Frau entschieden, die Verhütungsfrage dauerhaft lösen zu wollen. „Was sind die paar kleinen Stiche beim Mann im Vergleich zu einer Riesenoperation bei der Frau?“, fasst Robert die Ergebnisse der Überlegungen zusammen, die ihn vor rund einem Monat zum Urologen geführt haben. Und er fügt hinzu, was vielen Männern nach wie vor schwer fällt zu glauben: „An meinem Sexualleben hat sich seither überhaupt nichts verändert!“
Mythen & Märchen
Immer mehr Männer sind der Ansicht, dass Empfängnisverhütung nicht allein Frauensache ist. Diesen Trend bestätigt eine aktuelle Umfrage von pro:woman, dem Ambulatorium für Sexualmedizin und Schwangerenhilfe in Wien. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass immer mehr Männer eine Vasektomie für sich in Betracht ziehen. Allerdings kursieren zu diesem Thema bis heute viele Gerüchte und falsche Ängste.
Freilich: Weil die Vasektomie eine dauerhafte und möglicherweise endgültige Verhütungsmethode ist, sollte der Schritt gut überlegt sein. „Eine Rückoperation ist zwar grundsätzlich möglich“, sagt Urologe Dr. Norbert Häusler, Oberarzt am Thermenklinikum Baden. „Sie ist meistens, aber nicht in allen Fällen erfolgreich. Für den Fall, dass der Mann zu einem späteren Zeitpunkt doch eine Vaterschaft wünscht, gibt es in den Samenbänken verschiedener Krankenhäuser die Möglichkeit, vor der Operation Sperma einfrieren zu lassen. Oder man kann bei gegebenem Kinderwunsch Spermien aus den Nebenhoden des Mannes für eine künstliche Befruchtung der Frau entnehmen.“
Die Angst vor der Endgültigkeit dieses Schrittes ist die einzige, die laut Dr. Häusler eine gewisse Berechtigung hat. Alle anderen Befürchtungen gehören in das Reich der Mythen und Märchen. Was viele nicht wissen: Bei der Vasektomie werden die Samenleiter durchtrennt, so dass der Weg der Samenzellen blockiert ist. Sie können nun nicht mehr zur Samenflüssigkeit in der Samenblase gelangen, was bedeutet, dass der Mann unfruchtbar ist. Dennoch werden in den Hoden auch weiterhin Samenzellen gebildet. Da sie von körpereigenen Zellen laufend abgebaut werden, kommt es nicht, wie vielfach befürchtet, zu einem „Sperma-Stau“ im Körper. Es kommt auch nicht zu einer in Menge und Beschaffenheit merkbaren Veränderung des Samenergusses. „Die Unterbrechung der Samenleiter hat auch keinerlei Einfluss auf die Hormonproduktion, die Erektionsfähigkeit, das Lustgefühl und die Liebesfähigkeit! Im Gegenteil: Da die Angst vor einer Schwangerschaft entfällt, kann der Mann seine Sexualität spontaner und befreiter genießen als zuvor. Und mit ihm auch seine Partnerin“, erklärt Dr. Häusler. „In groß angelegten Studien konnte außerdem nachgewiesen werden, dass eine Vasektomie das Risiko, an Hoden- oder Prostatakrebs zu erkranken, nicht erhöht.“
Die messerlose Methode
Die derzeit modernste Methode ist die sogenannte No-Scalpel-Vasectomy, also die messerlose Samenleiterunterbindung. Dabei ist nur eine kleine Hautöffnung notwendig, so dass die Operation nahezu ohne Blutung und ohne Naht durchgeführt werden kann.
Zuerst wird entlang des Samenstranges ein lokales Betäubungsmittel in den Hodensack gespritzt, um die Haut und das Operationsgebiet schmerzunempfindlich zu machen. Ohne Schnitt, sondern lediglich durch eine kleine Hautöffnung, die mit einer speziellen Klemme gemacht wird, legt man den Samenleiter mit einem Spezialinstrument frei. Nun wird ein Stück des Samenleiters herausgeschnitten und mit einem unauflöslichen Faden eine Unterbindung durchgeführt.
Die Samenleiterenden werden dann so in den Hodensack zurückverlagert, dass noch eine Bindegewebsschicht zwischen ihnen liegt. Damit kann mit fast 100-prozentiger Sicherheit verhindert werden, dass sie wieder zusammenwachsen. Dieselbe Prozedur wird nun am zweiten Hoden mit dem zweiten Samenleiter durchgeführt.
16 Wochen danach auf Nummer sicher gehen
Beim Eingriff fließt fast kein Blut, die beiden kleine Wunden am Hodensack müssen nicht genäht werden. Nach zirka 20 Minuten ist die Operation vorbei. Der Patient kann anschließend sofort nach Hause gehen, sollte sich aber zirka eine Woche lang schonen und ebenso lange auf sexuelle Aktivitäten verzichten, um Entzündungen zu verhindern.
Zwölf Wochen nach dem Eingriff wird eine Samenprobe entnommen, um festzustellen, ob noch Spermien in der Samenflüssigkeit vorhanden sind. Nach weiteren vier Wochen wird erneut untersucht. Sind beide Proben negativ, besteht also etwa 16 Wochen nach der Operation nahezu 100-prozentige Zeugungsunfähigkeit, erst jetzt kann auf zusätzliche Verhütungsmaßnahmen verzichtet werden.
Information
- Nach Vollendung des 25. Lebensjahres kann sich in Österreich grundsätzlich jeder Mann einer Vasektomie unterziehen. Das Einverständnis anderer Personen ist dazu nicht erforderlich. Männern unter 25 ist dieser Eingriff gesetzlich untersagt (analog zur Sterilisation für die Frau).
- Die Kosten für eine Vasektomie sind selbst zu tragen.