Fruktose-Intoleranz

Juni 2008 | Ernährung & Genuss

Sündenbock Fruchtzucker
 
In Mitteleuropa bekommen 30 bis 40 Prozent der Menschen Beschwerden unterschiedlichster Art, nachdem sie Fruchtzucker zu sich genommen haben. Was steckt dahinter?
 
Von Mag. Karin Kirschbichler und Dr. Thomas Schwingenschlögl*)

Wo tut’s weh?

Blähungen mit oft übelriechenden Winden, Bauchschmerzen bis hin zu Bauchkrämpfen, Übelkeit, breiige, übelriechende Stühle, oft auch massive Durchfälle – und schuld daran ist ein Apfel, ein Fruchtjoghurt, ein Marmeladebrot. Wie schwer diese Beschwerden ausfallen, ist höchst individuell, da der Grad der Fruktose-Unverträglichkeit von Person zu Person verschieden ist. Manche Menschen vertragen mehr Fruchtzucker, andere fühlen sich schon nach kleinen und kleinsten Mengen schlecht.

Wird auf die Symptome nicht reagiert und Fruktose munter weiter verspeist, dann leidet mit der Zeit die Darmflora, und es können sich chronische Krankheiten wie das Reizdarm-Syndrom oder ein Reizmagen entwickeln. Da im Zuge der Aufnahmestörung von Fruchtzucker vom Darm ins Blut oft auch andere Transportsysteme mitbetroffen sind und daher gewisse Mangelzustände eintreten, kommt es häufig zum Auftreten von Depressionen, einer chronischen Müdigkeit, Schwindel sowie einer Denk- und Sehschwäche. Andere Beschwerden wie Muskel- und Gelenksschmerzen sind ebenfalls anzutreffen und auf die Gärungsprozesse im Dickdarm zurückzuführen.

Was fehlt mir?

Die Fruchtzucker-Unverträglichkeit muss man streng von der erblichen Fruktose-Intoleranz abgrenzen. Erstere ist – so unangenehm die Beschwerden auch sein können – vergleichsweise harmlos. Hier wird der Fruchtzucker, der mit der Nahrung in den Darm gelangt, nicht ausreichend über die Darmwand ins Blut aufgenommen, weil die Transportsysteme defekt sind. In der Fachsprache wird für ­dieses Beschwerdebild deshalb auch der Begriff Fruktose-Malabsorption benützt. Dadurch bleibt die Fruktose in hoher Konzentration im Darm und wird von den Bakterien des Dickdarms als Nahrung benützt und vergoren. Die dadurch entstehenden Stoffwechselprodukte wie z. B. Kohlendioxid verursachen dann die typischen Beschwerden.

Im Gegensatz dazu ist die erbliche Fruktose-Intoleranz ein eher seltenes, aber umso gefährlicheres Krankheitsbild. Durch das Fehlen von einem Enzym in diversen Organen wie Leber, Niere und Darm kann Fruktose nicht abgebaut werden. Es kommt zur Anhäufung von schädlichen Stoffwechselprodukten im Körper, die zu schweren Symptomen wie Unterzuckerung, Blutgerinnungsstörungen und Schock führen können.

Wie komme ich dahinter?

Leidet man nach dem Konsum von Fruchtzucker an den genannten Beschwerden, so sollte man zur Absicherung des Verdachts ärztliche Hilfe suchen. Ein H2-Atemtest führt zur zuverlässigen Diagnose: die Konzentration von Wasserstoff (H2) in der Ausatemluft wird nüchtern und nach dem Trinken einer standardisierten Fruktoselösung gemessen. Steigen die Werte über einen gewissen Wert an, dann ist das Vorliegen einer Fruchtzucker-Unverträglichkeit gesichert. Allerdings ist das Testergebnis von der Zusammensetzung der Dickdarmflora abhängig. So kann es vorkommen, dass trotz einer bestehenden Unverträglichkeit der Wasserstoffgehalt in der Atemluft nur gering ansteigt. Dann sind weitergehende Untersuchungen nötig.
Vor dem Durchführen eines Fruktosebelastungstests muss eine genetisch bedingte Fruktose-Intoleranz ausgeschlossen werden, da sonst lebensbedrohliche Situationen eintreten können. Diese erbliche Variante wird mittels eines Gentests mit einer Blutprobe nachgewiesen.

Was kann helfen?

Die Ursache der Fruchtzucker-Unverträglichkeit kann bis heute leider nicht behandelt werden. Dafür kann man die Symptome mit einer fruktosearmen Diät beseitigen. Allerdings sollte man sich vom Namen der Verdauungsstörung nicht in die Irre führen lassen, denn Fruchtzucker kommt bei weitem nicht nur in Früchten vor, sondern findet sich in vielen anderen Lebensmitteln wie auch im normalen Haushaltszucker, der ein Gemisch aus Traubenzucker und Fruktose ist.

Über die Rolle von Gemüse bei Fruktose­Unverträglichkeit sind sich die Ernährungsexperten uneinig. Die einen sagen, dass Gemüse gut vertragen wird und dass auf keinen Fall darauf verzichtet werden sollte. Laut den Erfahrungen von Dr. Schwingenschlögl kann der Genuss vieler Gemüsesorten, die Fruchtzucker enthalten, aber problematisch werden – je nachdem, wie schwer die Unverträglichkeit ausgeprägt ist. Hier sind Selbstbeobachtung und der Arzt die besten Ratgeber. Allerdings gebe es auch einige fruktosearme bis freie Sorten: reife Avocados, geschälte Gurken, Pilze, Radieschen, Rettich, Schwarzwurzeln, Sellerie, Spargel, Spinat, Zitronen und Zucchini. Auch diverse Salatsorten wie Chicoree, Feld- und Eisbergsalat sowie Ruccola seien fast frei von Fruchtzucker. Kartoffeln enthalten relativ wenig Fruktose und werden von vielen Betroffenen gut vertragen. Mit einem kleinen Trick kann man den Fruchtzuckergehalt noch etwas reduzieren: Man lege die geschälten Kartoffeln über Nacht in Wasser ein und ein Teil des Fruchtzuckers wird sich im Wasser lösen.

Ballaststoffreiche Lebensmittel, die beim Gesunden die Verdauung fördern, sind bei einer Fruchtzucker-Unverträglichkeit eher zu meiden. Sie reizen nämlich den Darm noch mehr und führen wieder zu Durchfällen und Blähungen. Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen, aber auch Kohl- und Lauchgewächse sind aus denselben Gründen problematisch.

Von manchen Ernährungsexperten wird empfohlen, den Gehalt von diversen Lebensmitteln an Glukose (Traubenzucker) zu erhöhen, da damit die Verträglichkeit von Fruchtzucker besser wird. Solche Empfehlungen sind tückisch, da ein ständiger Zusatz von Traubenzucker eine wahre Kalorienbombe ist. Frucht- und Traubenzucker müssten nämlich im Verhältnis 1 : 1 gemischt werden. Hin und wieder kann man aber so durchaus einmal in den Genuss etwa eines Apfels kommen: Mit einem davor eingenommenen halben Löffel Traubenzucker kann der Apfel gut vertragen werden.
Generell wird beobachtet, dass durch eine über einen längeren Zeitraum durchgeführte fruktosefreie Diät der Fruchtzucker wieder deutlich besser vertragen wird. Eine vollständige Heilung ist damit allerdings nicht zu erzielen.

Was ist noch zu beachten?

Vorsicht ist bei vielen Getränken geboten. Fruchtsäfte sind natürlich eher zu meiden. Neben Wasser sind nicht aromatisierte Teesorten erlaubt. Früchtetees und Wässer mit speziellen Geschmacksrichtungen und zugesetztem Fruchtzucker sind hingegen problematisch. Bier ohne Zusatz von Fruchtzucker ist – in Maßen freilich – erlaubt.
Vorsicht ist auch vor Diabetikerprodukten geboten, da sie oft mit Fruchtzucker gesüßt sind. Schauen Sie bei Fertigprodukten aus dem Supermarkt grundsätzlich auf die genaue Zusammensetzung. Vielen Gerichten ist Fruchtzucker zugesetzt. So zum Beispiel auch diversen Brotsorten und Wurstwaren.

Gleichzeitig sollte die Aufnahme von bestimmten Zuckeraustauschstoffen wie Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit und Xylit eingeschränkt werden, da diese die Aufnahme von Fruchtzucker aus dem Darm zusätzlich behindern. Sorbit ist beispielsweise in zuckerfreien Kaugummis und Bonbons enthalten, findet sich aber auch in Senf, Ketchup, Mayonnaisen, Saucen und Dressings und wird gerne Bier und Wein zugesetzt. In der Natur findet man Sorbit in Äpfeln, Birnen, Marillen, Zwetschken und Pfirsichen und jeder Sorte von Trockenobst. Die meisten Zahnpasten enthalten ebenfalls Sorbit. Außerdem finden sich solche so genannten Zuckeralkohole in vielen Lebensmitteln, die als „zuckerfrei“ geführt werden.

Stärke und Malzzucker sind dagegen fruktosefrei und werden generell gut vertragen. Auch diverse künstliche Süßungsmittel wie Aspartam, Saccharin, Cyclamat und Acesulfam sind in den üblichen Dosierungen unbedenklich.

Lebensmittel wie Obst und Gemüse werden zwar von allen Ernährungsgesellschaften empfohlen und sind auch für Menschen ohne Verdauungsstörungen mehr als gesund. Nur Menschen mit einer Fruktose-Unverträglichkeit müssen Obst und in extremen Fällen auch viele Gemüsesorten mehr oder weniger meiden. Der Vitaminbedarf kann mit geeigneten Alternativen gedeckt werden. Ihr Arzt wird Sie dabei gerne beraten.

*)Dr. Thomas Schwingenschlögl ist Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Ernährungsmediziner in Wiener Neudorf

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Was tut mir gut, was nicht?

Liste für Menschen mit Fruktose-Unverträglichkeit

 

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INFOTIPP:
Unter www.oeaie.org finden Sie eine Liste von Ernährungsmedizinern in Österreich.

BUCHTIPP:
Wolzt, Feffer: Gesund essen & trotzdem krank. Gluten-, Lactose-, Fructose-, Histamin-Intoleranz, ISBN 978-3-902552-01-3, 144 Seiten, EUR 14,90,
Verlagshaus der Ärzte

   

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