Training gegen Rückenschmerzen

April 2008 | Fitness & Entspannung

Die richtige Bewegung bei Rückenbeschwerden
 
Immer wieder heißt es, dass Krafttraining der beste Weg sei, um Rückenbeschwerden vorzubeugen oder zu lindern. Denn, so die weit verbreitete Meinung, gezielt gekräftigte Muskeln halten die Belastungen des Alltags am ehesten aus. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, sagt Univ. Prof. Dr. Hans Tilscher in MEDIZIN populär. Lesen Sie, was Ihren Rücken wirklich stark macht.
 
Von Mag. Wolfgang Bauer

Der Rücken hat seine Tücken! 40 Prozent der über 30-Jährigen haben Kreuzweh, leiden also an Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. 30 Prozent dieser Altersgruppe haben Beschwerden im Bereich Nacken – Schultern – Arme, vor allem Frauen sind von diesem Leiden betroffen. Mit mehr als sieben Millionen jährlichen Krankenstandstagen führen Beschwerden des Skeletts und der Muskeln die Reihung der Krankheitsgruppen nach Krankenstandstagen gerechnet deutlich an.

„Als Ursachen für die zahlreichen Rückenbeschwerden kommen vor allem die so genannten Errungenschaften der modernen Zivilisation in Frage – das sind Störfaktoren aus dem Berufsleben und dem Freizeitverhalten“, sagt Univ. Prof. Dr. Hans Tilscher, Präsident von SOS-Körper sowie Vorstand des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Konservative Orthopädie in Wien.

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Die größten Feinde der Wirbelsäule
nach Univ. Prof. Dr. Hans Tilscher:

Zu viel Sitzen
Es beginnt bereits beim Frühstück, setzt sich auf dem Weg zur Arbeit und schließlich am Arbeitsplatz selbst fort, dann wieder auf dem Weg nach Hause und zuletzt noch vor dem Fernseher: Wir sitzen die meiste Zeit des Tages. Auch die wenigen Schritte, die wir machen, dienen hauptsächlich zum Wechseln der Sitzgelegenheiten. Sitzen – vor allem am Schreibtisch oder bei langen Autofahrten – stellt jedoch eine enorme einseitige Belastung für die Wirbelsäule dar, genauer gesagt: für die Bandscheiben.

Zu wenig Bewegung
Das größte System des menschlichen Körpers ist der Bewegungsapparat. Die vielen Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder und vor allem das Zentrum des Bewegungsapparates, die Wirbelsäule, dienen – wie der Name schon sagt – zur Bewegung, sie werden jedoch durch die moderne Lebensweise zu wenig bzw. nur für einseitige monotone Haltungen eingesetzt. Im Grunde bräuchte man bei sitzender Tätigkeit einen täglichen Bewegungsausgleich von mindestens einer Stunde.

Zu viel seelische Belastung
Reizüberflutung, Stress, Druck am Arbeitsplatz – all das kann nicht nur „auf die Nerven gehen“ oder den Blutdruck in die Höhe treiben, sondern auch die Muskulatur verspannen, was in vielen Fällen weh tut. Zum Beispiel schmerzt häufig die Nacken- und Schultermuskulatur, weil sie unter Anspannung und Druck hinaufgezogen wird.

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Kraft und Dehnung
Zur Vermeidung bzw. Linderung der Rückenbeschwerden wird immer wieder Krafttraining, also die gezielte Stärkung der Muskulatur, als Königsweg propagiert. Denn – so die weit verbreitete Meinung – ein starker Rücken halte die Belastungen des modernen Lebensstils am besten aus. So heißt es zum Beispiel immer wieder, dass kräftige Schultern und eine gut trainierte Nackenmuskulatur so mancher Fehlhaltung am Schreibtisch oder im Auto vorbeugen würden. Das aber ist nur bedingt richtig, sagt Prof. Tilscher. Sein Behandlungskonzept ist viel weitreichender, geht also über das Konzept der Stärkung hinaus: „Muskeln, die geschwächt sind oder zur Abschwächung neigen, müssen gekräftigt werden – keine Frage. Doch ebenso wichtig ist das Dehnen all jener Muskeln, die zur Verkürzung neigen. Denn auch verkürzte Muskeln können Kreuzschmerzen hervorrufen. Und nicht zuletzt muss auch auf das Zusammenspiel der verschiedenen Muskeln und Muskelgruppen geachtet werden, damit ein richtiger und schmerzfreier Bewegungsablauf möglich ist.“
Krafttraining allein ist also wenig zielführend, um Rückenprobleme zu beseitigen. Beim herkömmlichen Krafttraining werden nämlich vor allem die großen oberflächlichen Muskeln gestärkt, so Prof. Tilscher. Die kleinen Muskeln in der Nähe der Wirbelsäule bleiben dabei jedoch häufig auf der Strecke. „Auch Patienten mit Schulter- und Nackenschmerzen ist oft mehr geholfen, wenn sie durch bestimmte Übungen Fehlhaltungen korrigieren und sich auch um ihre seelischen Haltungen kümmern, die zur Verspannung führen“, rät Tilscher.

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Kreuzweh vom  „Lungenbraten“
Ein verkürzter Muskel, der Kreuzschmerzen verursachen kann, ist der so genannte Musculus psoas, auch Lumbenbraten (von Lumbus – die Lende) genannt. Der Volksmund machte übrigens aus diesem Muskel beim Rind den „Lungenbraten“. Der Lumbenbraten, der durch die Leiste verläuft, neigt durch die Hüftbeugestellung bei häufigem Sitzen zum Verkürzen. Dadurch wird beim Gehen der Gesäßmuskel, auch wenn er noch so gut und „knackig“ ausgebildet ist, nicht richtig aktiviert und eingesetzt – eine Aufgabe, die dann von der Lendenwirbelsäule übernommen wird. Das aber kann mit der Zeit Kreuzschmerzen hervorrufen. Daher gilt es in diesem Fall erst einmal den Lumbenbraten zu dehnen und weniger die Bauch- oder Rückenmuskeln zu stärken.

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Drei starke Übungen für Ihren Rücken:

Wer einem „sitzenden“ Beruf nachgeht, ist besonders gefährdet für Probleme mit der Wirbelsäule. „Daher ist es so wichtig, dass man regelmäßig Übungen macht, die dem Rücken gut tun. Wer dies am Schreibtisch alle zwei Stunden tut, kann Rückenproblemen vorbeugen“, ist Prof. Tilscher überzeugt. Diese drei Übungen führen Sie zehn oder 20 Mal, am besten aber Ihr ganzes Leben lang durch!

  1. Schulterkreisen ist eine der besten Übungen für zwischendurch. In aufrechter Sitzposition beginnt man langsam mit einer Schulter große Kreise rückwärts zu beschreiben. Dann mit der anderen Seite. Anschließend mit beiden Schultern rückwärts kreisen, aber nacheinander. Dabei soll sich die Brustwirbelsäule gut mitbewegen. Dauer: mindestens eine Minute lang. Zweck: die Durchblutung der Nackenmuskulatur wird verbessert, die Brustwirbelsäule beweglicher.
  2. Ausgleichsübungen aus der chinesischen Medizin: mit beiden Händen eine Faust machen und 50 Mal seitlich an die Mitte des Oberschenkels klopfen. Dann eine Handbreit unterhalb des Knies an die Außenseite des Unterschenkels klopfen, ebenfalls 50 Mal. Zweck: Die Durchblutung der Beine wird verbessert, die Übungen sind auch gut für die Muskulatur der Wirbelsäule.
  3. Mit dieser Übung können Sie das gesamte Muskelsystem aktivieren: Ausgangsposition ist lockeres Stehen, der Blick ist in die Ferne gerichtet. Dann beide Arme strecken und vom Körper abspreizen, dabei die Handflächen nach vorne drehen. Das Gesäß wird angespannt. Dann die kleinen Finger beider Hände maximal abspreizen, die Anspannung wird bis in den Schulter-Nackenbereich verspürt. Sechs Sekunden in dieser Position bleiben, normal weiteratmen. Rückkehr zur Ausgangsposition.

BUCHTIPP:
Tilscher, Eder, Die Wirbelsäulenschule aus ganzheitsmedizinischer Sicht,
188 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, ISBN 978-3-902552-06-8,  EUR 19,90, Verlagshaus der Ärzte

Informationen zu einem gesunden Bewegungsapparat unter:
www.fitundattraktiv.de

Stand 04/2008

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