Die Auswahl an Lebensmitteln ist in unseren Breiten so groß wie nie. Entsprechend groß ist die Zahl jener Menschen, die den Verlockungen des Überangebots allzu oft nachgeben – und gesundheitliche Probleme bekommen. Groß ist aber auch die Verunsicherung darüber, welche Nahrung wirklich gesund ist und gesund hält. MEDIZIN populär über die aktuellen Empfehlungen.
Von Dr. Karin Gruber
In den Ländern der westlichen Wohlstandsgesellschaft geht es heute kaum je darum, wie der Bedarf an Nahrung gedeckt werden könnte. Vielmehr stellt sich die Frage nach der richtigen Wahl, die angesichts des überbordenden Angebots nicht selten zur sprichwörtlichen Qual wird. Dass dabei recht häufig die falsche Wahl getroffen wird, lässt sich an der rasanten Verbreitung von Übergewicht und Adipositas mit allen gravierenden negativen Folgen für die Gesundheit nur allzu deutlich erkennen.
Was die heutigen Ernährungsgewohnheiten prägt? Eine ganze Reihe von Faktoren natürlich. Wenn es um die Gesundheit geht, so stechen vor allem zwei Aspekte hervor: „Zum einen ist das der Umstand, dass Nahrung praktisch überall und jederzeit erhältlich ist, zum anderen hat sich die Zusammensetzung in den vergangenen 150 Jahren drastisch verändert“, resümiert Univ. Prof. Dr. Kurt Widhalm von der Abteilung für Ernährungsmedizin an der Universitätskinderklinik in Wien. Die Veränderungen der vergangenen 150 Jahre betreffen vor allem die stetige Zunahme des Konsums von Fett vorwiegend aus tierischen Produkten und die gleichzeitige Abnahme des Verzehrs von wertvollen Kohlenhydraten aus Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Gemüse – bei deutlich abnehmender körperlicher Aktivität.
Tierisch oder pflanzlich: Die Fettfrage
Weniger Fett und vor allem weniger tierisches Fett soll es also sein – welches Fett ist denn nun gesund? Pflanzliches, gesättigtes, einfach, mehrfach ungesättigtes? „Die Qualität eines Fettes im Hinblick auf die Gesundheit hängt von seiner Zusammensetzung ab und das heißt: von der Art der enthaltenen Fettsäuren“, erklärt die Ernährungswissenschafterin Mag. Marika Miklautsch. Darauf zu achten ist ebenso wichtig wie darauf, dass man sich nicht allzu fettreich ernährt.
Pflanzliche Fette (Öle) enthalten vorwiegend einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren sowie Antioxidantien wie Vitamin E. Diese Fettsäuren wirken sich positiv auf den Cholesterinspiegel und damit auf das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen aus. So eine günstige Fettsäure-Zusammensetzung findet sich z. B. in Rapsöl, Olivenöl und Nüssen, vor allem in Wal- und Pekannüssen.
Tierisches Fett (vor allem aus Butter, fettreicher Wurst, Käse, Fertig- und Fast-Food-Produkten) hingegen besteht zu einem hohen Anteil aus gesättigten Fettsäuren. Diese können sich negativ auf den Cholesterinspiegel auswirken und sind somit ein potenzieller Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen. Die Ausnahme: Fisch mit einem hohem Gehalt an Omega-3-Fettsäuren wie Lachs, Makrele oder Hering.
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FETT
• Was sind gesättigte Fettsäuren?
Fett setzt sich aus dem Alkohol Glycerin und verschiedenen Fettsäuren zusammen, die sich in ihrer Länge und der Anzahl an Doppelbindungen unterscheiden. Enthält eine Fettsäure eine oder mehrere Doppelbindungen, wird sie als einfach oder mehrfach ungesättigt bezeichnet.
• Was sind essenzielle Fettsäuren?
Essenziell sind jene Fettsäuren, die der Organismus selbst nicht herstellen kann und die daher über die Nahrung aufgenommen werden müssen. Dazu zählen die Omega-6-Fettsäure Linolsäure (vor allem in Maiskeimöl, Sonnenblumenöl, Distelöl) sowie die Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (vor allem in fetten Fischen, Leinöl, Rapsöl, Walnussöl).
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Einfach oder komplex: Die Sache mit den Kohlenhydraten
Nicht nur beim Fett, auch bei den Kohlenhydraten schlagen die modernen Ernährungsgewohnheiten eine ungesunde Richtung ein. Mehr wertvolle, so genannte komplexe Kohlenhydrate sollten wieder auf den Tisch. Das sind Kohlenhydrate, die aus Zuckermolekülen aufgebaut sind, die lange Ketten bilden. Sie sind in Getreide und Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, aber auch in Obst und Gemüse zu finden. Warum sie wertvoller sind als Zucker? „Sie werden im Gegensatz zu einfachen Zuckern wie Haushaltszucker – also Saccharose – langsamer bzw. unvollständig verdaut. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel weniger rasch und weniger hoch an, was für den Körper an sich schon günstig ist. Außerdem hält der Sättigungseffekt länger an, was beim Abnehmen hilft“, erklärt Miklautsch. Jedoch: Zucker ist per se nicht schlecht, sollte jedoch mit Maß und Ziel konsumiert werden. Vorsicht geboten ist bei süßen Snacks und Softdrinks, die „versteckt“ sehr hohe Zuckermengen enthalten können.
Von Adipositas bis Krebs: Gesundes Essen schützt
Zwar spielen beim Gesundbleiben laut Widhalm noch „weitere Faktoren wie Genetik, Bewegung oder psychische Gesundheit“ eine Rolle, doch ist das Essen maßgeblich daran beteiligt. Wer sich richtig ernährt, schützt sich in erster Linie vor Übergewicht und Adipositas sowie den damit verbundenen Folgekrankheiten. Aber auch Herz-Kreislauferkrankungen und in der Folge Atherosklerose haben einen starken ursächlichen Zusammenhang mit der Art der Ernährung – und eine enorme Bedeutung als Todesursache Nummer eins in den industrialisierten Ländern. Auch die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus steht eindeutig mit den Ernährungsgewohnheiten in Verbindung, ebenso Bluthochdruck (Hypertonie) und Fettstoffwechselstörungen (erhöhter Cholesterinspiegel). Die Entstehung einer Osteoporose wird stark von der Ernährung beeinflusst – und schließlich bis zu einem gewissen Grad auch die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken oder nicht. Die Beweislage ist je nach Krebsart unterschiedlich, am besten belegt ist ein Zusammenhang bei Dickdarm, Bauchspeicheldrüse, Mundhöhle und Rachen sowie Speiseröhre. „Ein grundsätzlicher Zusammenhang besteht auf jeden Fall auch mit Übergewicht“, betont Prof. Widhalm. Übergewicht erhöht ganz generell die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken.
Schlankwerden bzw. -bleiben ist aber bei weitem nicht der einzige Schutz vor Krebs. Ein vor zwei Jahren veröffentlichter Expertenbericht des World Cancer Research Fund nennt zwei weitere grundlegende Lebensstilmaßnahmen, die für die Vorbeugung gegen Krebs wesentlich sind: möglichst viele pflanzliche Lebensmittel, möglichst wenig rotes Fleisch und entsprechende Produkte sowie wenig Alkohol und: jeden Tag eine halbe Stunde Bewegung.
Darüber hinaus spielt es natürlich eine Rolle, was im Einzelfall gut vertragen wird, betont Mag. Miklautsch. Und bekömmliche Lebensmittel tun der Gesundheit sicher eher gut als Speisen, die schwer im Magen liegen. „Es hat auch einige Vorteile, Gemüse oder Obst roh zu genießen, was vielen nicht bewusst ist“, so die Ernährungswissenschafterin und nennt die Gründe: Erstens wird dann länger und intensiver gekaut, wodurch der Sättigungseffekt rascher eintritt. Zweitens tut man damit etwas für seine Zahngesundheit und drittens ist der Gehalt an wasserlöslichen Vitaminen (z. B. Vitamin C) und Mineralstoffen in ungekochtem Zustand höher.
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Richtig auswählen:
Die 10 Bausteine gesunder Ernährung
Bei einer gesunden Ernährung steht nicht der Verzicht im Vordergrund, sondern die Auswahl der Nahrungsmittel nach bestimmten Kriterien. „Eine der wichtigsten Botschaften lautet, dass es keine Verbote gibt“, erklärt die Ernährungswissenschafterin Mag. Marika Miklautsch aus dem Team von Univ. Prof. Dr. Kurt Widhalm und führt aus: „Verbote würden nur das Verlangen nach bestimmten Nahrungsmitteln so stark steigern, dass es unweigerlich zu unkontrolliertem Essverhalten kommt.“ Wer die folgenden zehn Tipps für einen gesunden Lebensstil beherzigt, ist auf dem richtigen Weg (siehe „Gesund Leben“-Pyramide auf der nächsten Seite):
- Täglich bewegen – gehen statt fahren, Treppe statt Lift
- Viel Flüssigkeit
- Getreideprodukte & Kartoffeln als Basis der Ernährung – am besten Vollkorn
- Reichlich Obst & Gemüse – je öfter und bunter, desto besser
- Tierische Lebensmittel in Maßen
- Pflanzliches dem tierischen Fett vorziehen
- Süßigkeiten sparsam verzehren – dafür aber mit Genuss
- Öfters kleinere statt große, üppige Mahlzeiten
- Bewusst Essen ohne Nebenbeschäftigung
- Es gibt keine Verbote – die „Menge macht das Gift“
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Dürfen Obst und Gemüse flüssig sein?
Auch Obst- oder Gemüsesäfte inklusive der so genannten Smoothies kann man zur Deckung des Bedarfs an Vitaminen und Co heranziehen. Allerdings wird empfohlen, nur jeweils eine der fünf Obst- bzw. Gemüseportionen am Tag in flüssiger Form zu sich zu nehmen. Als Richtwert können dabei 200 ml dienen. Außerdem sollte man „Saft statt Obst und Gemüse“ auf zwei- bis dreimal pro Woche beschränken.