Stolpern, Rasen, Flimmern – wenn das Herz aus dem Takt gerät, wird das als sehr bedrohlich empfunden. Ob das Phänomen gut- oder bösartig ist, kann aber nur der Arzt feststellen. Eines allerdings ist gewiss: Jede „Taktlosigkeit“ des Herzens ist eine Mahnung. Lesen Sie in MEDIZIN populär, was man gegen Herzrhythmusstörungen tun kann und soll.
Von Mag. Alexandra Wimmer
Unser Herz macht 100.000 Schläge pro Tag – da kann es auch beim gesunden Herzen schon einmal vorkommen, dass die „Pumpe“ ein wenig aus dem Takt gerät. Doch was, wenn die Herzrhythmusstörung (HRS) gesundheitsgefährdend oder sogar lebensbedrohlich ist?
Bei einem gesunden Herz folgen alle Herzzellen ausschließlich einem Dirigenten: dem so genannten Sinusknoten im rechten Vorhof. „Er gibt ähnlich einem Metronom den Takt vor – allerdings dynamisch, entsprechend den Erfordernissen des Alltags und des autonomen Nervensystems“, erklärt der Kardiologe und Internist Privatdozent Dr. Bernhard Strohmer, Oberarzt der Universitätsklinik Innere Medizin II, Kardiologie und Internistische Intensivmedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg. Warum nun gerät das Herz aus dem Rhythmus? „Wenn im Herzen plötzlich einige Herzmuskelzellen nicht mehr dem normalen Taktgeber folgen, sondern selbstständig zu rasche Impulse abgeben, dann kommt es zu einem abnormen Erregungsablauf des Herzens im Sinne einer Herzrhythmusstörung.“
Vorhof oder Kammer
Der Ursprungsort der Störung, ob er nun in einem der Vorhöfe des Herzens oder einer Herzkammer liegt, spielt für die Behandlung eine entscheidende Rolle. „Die häufigste Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern, das von den Vorhöfen des Herzens, insbesondere vom linken Vorhof, ausgeht und zu einer unregelmäßigen Pulsschlagabfolge führt“, erklärt Strohmer. Herzstolpern, Brustenge, Angstgefühl, Kopfleere und möglicherweise Blutdruckschwankungen sind die Folgen. „Darüber hinaus kann sich eine erhöhte Gerinnselbildung in den Vorhöfen einstellen, was das Risiko für einen Schlaganfall deutlich erhöht.“
Am gefährlichsten, weil unmittelbar bedrohlich, sind aber jene HRS, die von den Herzkammern ausgehen. „Kammerarrhythmien – auch Kammertachykardien oder Kammerflimmern genannt –, wie sie im Rahmen eines akuten Herzinfarktes oder nach einem länger zurückliegenden Herzinfarkt auftreten können, sind akut lebensbedrohlich“, betont der Facharzt. So kann es sein, dass sich längere Zeit nach einem Infarkt aus dem Narbenrandgewebe eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung entwickelt. „Sie wird als Stolpern bis hin zu Herzrasen wahrgenommen und von Schwindel und eventuell kurzen Blackouts begleitet“, ergänzt der Rhythmologe.
Harmlos oder gefährlich?
Mit Hilfe verschiedener Methoden – allen voran die eingehende Patientenbefragung und das Elektrokardiogramm (EKG) – lässt sich der Ursprung einer Störung gut feststellen. Weiters wird beim Langzeit-EKG über 24 oder 48 Stunden der Herzrhythmus durch ein aufgeklebtes Elektrodensystem überwacht. „Für den Fall, dass die Anfälle nur alle paar Wochen oder Monate auftreten, haben wir so genannte Event- oder Anfallsrekorder, bei denen der Patient sich das Gerät selbst anlegen und durch Drücken eines Knopfes die verspürte Episode elektrokardiografisch aufzeichnen kann“, erklärt der Kardiologe. Wie häufig eine Störung auftritt, sagt allerdings nichts über ihre Gefährlichkeit aus.
Auch die Art der „Taktlosigkeit“ – ob das Herz rast, stolpert oder sehr langsam schlägt – sagt nur bedingt etwas darüber aus, ob die Störung gut- oder bösartig ist (siehe Kasten). Weil HRS sich derart unterschiedlich präsentieren, ist eine umfassende kardiologische Untersuchung wichtig. „Mit dem Herzultraschall kann die Pumpleistung, also die Herz- und Klappenfunktion, sehr gut bestimmt werden“, so Strohmer. Ergänzend dazu geben Laborwerte Aufschluss darüber, ob etwa eine gestörte Schilddrüsenfunktion oder ein Mineralstoffmangel die HRS verursacht.
Ablation oder Medikamente?
Für die Behandlung stehen verschiedene Therapieansätze zur Auswahl – z. B. die so genannte Ablationstherapie. „Sie ist heute die Standardtherapie für anfallsartige Rhythmusstörungen aus den Vorhöfen, wie die Kreisbahntachykardie“, erklärt Strohmer. Und wie genau funktioniert die Ablation? „Zuerst werden in örtlicher Betäubung über die Leistenvenen kleine Zugangsschleusen gelegt. Über sie bringt man steuerbare Elektrodenkatheter in die jeweilige Herzkammer ein – so kann die Rhythmusstörung lokalisiert werden“, berichtet der Rhythmusexperte. „Mittels punktförmiger Wärmeentwicklung an der Elektrodenspitze wird dann der Ursprungsort der Fehlimpulse, ein Bereich von rund vier Millimetern Durchmesser, verödet bzw. die abnorme Leitungsbahn ausgeschaltet – alle Herzzellen gehorchen wieder dem Sinusknoten, das Herz schlägt wieder normal.“ Die Feinstarbeit am schlagenden Herzen dauert zwischen zwei und vier Stunden.
Bei anderen Störungen wie etwa dem Vorhofflimmern liegt die Erfolgsrate der Ablation nur bei 60 bis 70 Prozent. Warum? „Vorhofflimmern ist eine sehr komplizierte Rhythmusstörung“, erklärt der Mediziner. „Hier müssen viele abnorme Ursprungsorte verödet werden – die Chance, alle gut zu treffen, ist geringer.“ Deshalb wird die Störung vor allem medikamentös behandelt. „Nur, wenn die Medikamente – von Betablockern bis hin zu Antiarrhythmika – nicht den gewünschten Erfolg bringen oder aufgrund der Nebenwirkungen nicht vertragen werden, ist eine Ablationstherapie angezeigt.“
Defi oder Schrittmacher?
Bei komplexen Rhythmusstörungen aus den Herzkammern hat sich Ende der 1990er Jahre die Therapie mit dem Implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) als bahnbrechend erwiesen. Strohmer: „Die Rhythmusstörung wird durch das Einpflanzen dieses speziellen Systems überwacht. Kommt es zu raschen Pulsschlagfolgen aus der Herzkammer, so können die Rhythmusstörungen schmerzlos gebremst werden.“ Tritt eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung wie das Kammerflimmern auf, so gibt das Gerät einen elektrischen Stromschlag von hoher Energie ab – der Herzrhythmus wird dadurch umgepolt, das Herz schlägt wieder normal. „Die Therapie ist so effektiv, dass man das Gerät seit einigen Jahren prophylaktisch implantiert, etwa wenn die Pumpleistung des Herzens nach einem Herzinfarkt dramatisch eingeschränkt ist“, so der Arzt.
Auch der klassische Herzschrittmacher kommt häufig zum Einsatz. „Er wird vor allem bei älteren Patienten eingesetzt, wenn das Herz ermüdet und zu langsam wird und entsprechende Symptome wie Schwindel oder Leistungsschwäche verursacht“, erklärt Strohmer. „Dann wird ein Einkammer- oder Zweikammerschrittmacher eingebaut, damit die Herzfrequenz nicht unter 60 Schläge pro Minute abfällt und die Patienten wieder an Lebensqualität und Sicherheit gewinnen.“
Doch längst nicht immer hat das Stolpern oder Rasen Krankheitswert – bei jedem Menschen ist der Herzrhythmus im Lauf des Lebens manchmal gestört. „Jede Herzmuskelzelle hat prinzipiell das Potenzial, selbst abnorme Impulse abzugeben“, weiß der Kardiologe. „Wenn es etwa zu einer Überaktivierung mit Stresshormonen kommt, kann eine Herzzelle – auch beim gesunden Herzen – außer Takt geraten.“ Ob man nun zu viel Kaffee getrunken oder zu wenig geschlafen hat – eine Rhythmusstörung versteht sich als Rückmeldung des Herzens: „So kann es nicht weitergehen!“
Rasen, stolpern, pausieren
Die verschiedenen Herzrhythmusstörungen
- Stolpern
Wenn das Herz stolpert, spricht man von Extrasystolen, also Extraschlägen. Sie werden manchmal als sehr bedrohlich, mitunter auch überhaupt nicht wahrgenommen. Die Extrasystolen können vom Vorhof als auch von der Herzkammer ausgehen, sie können gutartig, aber auch bösartig sein.
- Rasen
Wenn das Herz rast und der Ruhepuls auf über 100 Schläge pro Minute steigt, spricht man von einer Tachykardie. Gibt es für das Herzrasen keinen wirklichen Grund – wie zu viel Kaffee, Stress oder zu wenig Schlaf – so wird eine Krankheit wie Vorhofflimmern oder eine so genannte Kreisbahntachykardie dahinter vermutet.
- Pausieren
Wenn der Herzschlag pausiert oder langsamer wird und der Puls unter 50 bis 40 Herzschläge pro Minute fällt, spricht man von einer Bradykardie. Sie tritt häufig als Ermüdungserscheinung des Herzens im Alter auf.