Impfungen

September 2009 | Medizin & Trends

Die stichhaltigste Vorsorgemaßnahme im Visier
 
Ob gegen Tetanus, Kinderlähmung, FSME, Grippe oder Gebärmutterhalskrebs: Impfungen zählen zu den wichtigsten Vorsorgemaßnahmen. Lesen Sie in MEDIZIN populär über Vergangenheit und Zukunft der Impfung, über Erfolge, aber auch Komplikationen.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Man entnehme infektiöse Flüssigkeiten aus der Hand eines Infizierten und injiziere das Ganze durch Kratzen oder Spritzen in den Arm eines Gesunden, damit dieser Antikörper entwickelt und gegen exakt jene Infektionskrankheit geschützt ist. Nach diesem Rezept ging der englische Landarzt Edward Jenner vor 200 Jahren vor, als er während der Blüte der europäischen Pockenepidemie erstmals gegen den gefährlichen Pockenerreger impfte. Das war der Anfang der Impfung, der Vakzination (vom lateinischen „vaccinus“, „von Kühen“, da Jenner anfangs die harmloseren Erreger der Kuhpocken injizierte).

Lebend- oder Totimpfstoffe

Je nach Erreger oder Krankheit sind für die Immunisierung unterschiedliche Impfstoffe im Einsatz, die im Körper Abwehrstoffe gegen die entsprechenden „Wilderkrankungen“ bilden: Lebendimpfstoffe (u. a. gegen Mumps, Masern, Röteln, Windpocken, Rotaviren) enthalten vermehrungsfähige Viren, Totimpfstoffe (u. a. gegen Grippe, FSME, Tetanus, Hepatitis A und B, Keuchhusten) enthalten abgetötete Erreger oder Teile davon. Bei einem Lebendimpfstoff wird das Serum unter die Haut (subkutan) gespritzt. „Dadurch finden die Viren einen besseren Anschluss an den Körper“, berichtet Univ. Prof. Dr. Ingomar Mutz, Vorsitzender des Impfausschusses im Obersten Sanitätsrat und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde. Totimpfstoffe werden in die Muskeln (intramuskulär) gespritzt. In der Praxis impft man in beiden Fällen meist in den Oberarm. „Bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren wird jedoch empfohlen, seitlich in den Oberschenkel zu impfen“, berichtet der Facharzt. Bei manchen Impfungen – etwa jener gegen Brechdurchfall (Rotavirus) – wird ein Schluckimpfstoff verabreicht. „Diese Krankheit spielt sich vorwiegend im Darm ab, deshalb will man auch die Immunität vorwiegend im Darm erzeugen“, erklärt Mutz.

Komplikationen & Überwachung

Bei der Entwicklung der verschiedenen Impfstoffe kam es immer wieder auch zu Schwierigkeiten und Komplikationen. So hat man 1990 die allgemeine Impfung gegen Tuberkulose (BcG) an Neugeborenen eingestellt, nachdem einige Kinder, die wahrscheinlich angeborene Immundefekte hatten, an den Folgen der Impfung gestorben sind. Ein anderer Fall: Nachdem man im Jahr 2000 den FSME-Impfstoff veränderte, kam es in 60 Fällen zum Auftreten von Fieberkrämpfen – auch dieser Impfstoff wurde vom Markt genommen. Die Überwachung möglicher Impfreaktionen funktioniere sehr gut, betont Ingomar Mutz. „Alle Ärzte sind verpflichtet, unerwartete Ereignisse nach einer Impfung zu melden.“ 

Auffrischung & Durchimpfung

Je nach Erreger und Erkrankung muss unterschiedlich oft geimpft werden. „Die Impfungen gegen Tetanus oder FSME zum Beispiel müssen regelmäßig aufgefrischt werden, quasi um den Körper an seine Immunität gegen den Erreger zu erinnern“, berichtet Mutz. Gegen die Grippe muss jährlich geimpft werden, weil weltweit jedes Jahr ein neues Grippevirus zirkuliert. Gegen andere Erkrankungen erwirbt man mit der Impfung lebenslange Immunität, z. B. gegen die Masern.
In Sachen Durchimpfung ortet der Experte noch Verbesserungspotenzial – speziell bei den hochansteckenden Kinderkrankheiten gebe es „gefährliche Impflücken“. „Die Impfung gegen Zecken oder Tetanus hat nur für den einzelnen, aber nicht für die Allgemeinheit Bedeutung, weil sie keine Herdenimmunität bewirkt“, so Mutz. Anders im Fall von Masern, Mumps, Röteln oder der Grippe. Um eine Epidemie sicher ausschließen zu können, müsse die Durchimpfungsrate beispielsweise bei Masern etwa bei 97 Prozent liegen, derzeit beträgt sie in Österreich rund 90 Prozent.

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Vom Säugling bis zum Senior: Was der Österreichische Impfplan empfiehlt

Die empfohlenen Impfungen sind im jährlich aktualisierten Impfplan, der auf den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrats beruht, nachzulesen. Dazu zählen u. a. die Sechsfachimpfung für Säuglinge (Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung, Hämophilus influenza b, Hepatitis B) ab dem 3. Lebensmonat, die Impfung gegen Rotaviren, ab dem 14. Monat die Impfung gegen Mumps, Masern, Röteln (MMR). Die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs (HPV) wird besonders Mädchen und jungen Frauen empfohlen. Die jährliche Grippeimpfung wird Kleinkindern und älteren Erwachsenen besonders nahe gelegt. Männer und Frauen ab dem 50. Lebensjahr sollten sich gegen Gürtelrose (= Herpes zoster) impfen lassen. Auch auf die verschiedenen Auffrischungsimpfungen (z. B. FSME) sollte man nicht vergessen.
Um den Überblick zu bewahren, kann man seinen persönlichen Impfstatus unter https://www.impfcheck.at/ überprüfen.
Der detaillierte Impfplan 2009 kann beim Bundesministerium für Gesundheit unter https://www.bmgfj.gv.at/ heruntergeladen werden.

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14 Jahre, 400 Millionen Euro: Ein Impfstoff entsteht

Seit mehr als 200 Jahren – seit dem Start der Pockenimpfung 1796 – wird versucht, Krankheiten systematisch durch Immunisierung zu bekämpfen, indem man entsprechende Impfstoffe entwickelt. Hohe Durchimpfungsraten können – neben der Immunität des Einzelnen – auch zu einer kollektiven Immunität (Herdenimmunität) der Gesamtbevölkerung beitragen. So konnte die WHO im Jahr 1977 die Pocken für ausgerottet erklären.
Die verschiedenen Impfstoffe sind gegen unterschiedliche Erreger wirksam: Es gibt Impfstoffe gegen Bakterien (z. B. Thyphus), gegen Viren   (z. B. Kinderlähmung, Grippe), Toxine (z. B. Tetanus, Diphterie) und Parasiten (z. B.  Malaria). „Von der Idee zum fertigen Impfstoff dauert es im Schnitt 14 Jahre, die Entwicklung kostet zwischen 400 und 800 Millionen Euro“, berichtet Univ. Prof. Dr. Ingomar Mutz. Im Gegensatz zu früher, bedarf es heute groß angelegter Studien, bis ein Impfstoff auf den Markt kommt.

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Interview
In Planung: Neue Vierfachimpfung und Impf-E-Card

In MEDIZIN populär spricht Dr. Wilhelm Sedlak, Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Linz, über neue Pläne, alte Kritikpunkte und „unverantwortliche“ Haltungen seitens der Politik.

MEDIZIN populär:
Österreich und Finnland sind die einzigen westeuropäischen Länder, die die HPV-Impfung nicht staatlich finanzieren. Was halten Sie davon?

Dr. Wilhelm Sedlak:
Ich halte es für unverantwortlich, die HPV-Impfung nicht anzubieten. In Österreich erkranken jährlich rund 550 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Das und verdächtige Krebsabstriche könnten durch eine allgemeine Impfung für Jugendliche und junge Frauen vermieden werden. Sollte der Staat in naher Zukunft die Impfung nicht übernehmen, wollen die Ärzte gemeinsam mit der Apothekerkammer und den beiden produzierenden Firmen eine Aktion starten, bei der der Impfstoff deutlich verbilligt erhältlich ist.

Kommt in nächster Zeit eine neue Impfung auf den Markt?

Ja, der MMR-Impfstoff, der Impfstoff gegen Mumps, Masern und Röteln, soll um den Impfstoff gegen Windpocken erweitert werden – diese Vierfachimpfung  kommt wahrscheinlich in einem Jahr heraus. Derzeit haben wir die MMR-Dreifachimpfung und können mit der Varizellenimpfung gesondert gegen Windpocken impfen.

Warum wird die Impfung gegen diese Kinderkrankheiten so forciert?

Weil etwa bei der Masernkrankheit auch schwere neurologische Komplikationen und Todesfälle auftreten können. Auch bei den Windpocken sind neurologische Komplikationen möglich, ältere Erwachsene können im Zuge der Krankheit eine Gürtelrose bekommen.

Gibt es weitere gesundheitspolitische Pläne?

Es wird angedacht, mit dem Hauptverband eine Impf-E-Card zu entwickeln. Das bedeutet, dass alle Impfungen auf der E-Card gespeichert sind, auch ein Erinnerungssystem soll inkludiert sein. So sieht der Arzt gleich beim Stecken der E-Card, dass zum Beispiel die Tetanusauffrischung fällig ist. Im Ausland wird man allerdings weiterhin einen Impfpass benötigen.

Worauf muss beim Impfen generell geachtet werden?

Dafür gibt es genaue Richtlinien und Empfehlungen. Vor einer Impfung muss der Arzt schauen, ob das Kind, der Erwachsene gesund ist und keine schwerere, fieberhafte Infektion vorliegt.

Was sollte man tun, wenn Nebenwirkungen auftreten?

Lokale Reaktionen wie etwa Schwellungen, Schmerzen, Rötungen kann man lokal behandeln, indem man Umschläge macht oder ein abschwellendes Medikament gibt. Wenn man nach einer Impfung hohes Fieber bekommt, sollte man einen Arzt aufsuchen.

Was sind weitere mögliche Reaktionen?

Möglich sind Symptome ähnlich der „Wildkrankheit“, gegen die man geimpft wurde. Nach einer Masernimpfung kann es sein, dass man ein paar Tage später ein paar Pünktchen bekommt, also Impfmasern, die aber keine wesentlichen Probleme machen. Diese Reaktionen sollte man beobachten und den Arzt darüber informieren.

Wie begegnen Sie Kritikern, die Impfen für schädlich halten?

Ich sage Impfgegnern immer: Für den Körper ist es ganz egal, ob er die „Wildkrankheit“, zum Beispiel Masern, bekommt oder eine abgeschwächte Dosis in Form des Impfstoffs – er bildet sowieso Abwehrstoffe dagegen. Allerdings werden durch die Impfung Komplikationen, die bei Wildkrankheiten auftreten können, ausgeschlossen. Heutzutage sind die Impfstoffe zudem höchst gereinigt und nahezu frei von Schadstoffen, sodass Allergien praktisch nicht mehr vorkommen.

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