Streiten, aber richtig!

September 2009 | Partnerschaft & Sexualität

Sieben goldene Regeln bei Konflikten in der Partner­schaft
 
Manche ziehen sich in beleidigtes Schweigen zurück, andere zerschmeißen Geschirr, wieder andere ergehen sich in Vorwürfen der Kategorie: „Und immer, und überhaupt…“ Doch es geht auch anders. Lesen Sie, wie man in Beziehungen Kränkungen beim Streiten vermeidet und sich stattdessen konstruktiv mit dem Partner auseinandersetzt.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Warum musst du immer so viel Geld für Schuhe ausgeben?“; „Nie hast du Zeit, dass wir meine Mutter besuchen!“; „Dein Gewand liegt schon wieder auf dem Boden herum!“ So könnte eine Rangliste der drei häufigsten Sätze aussehen, die in Partnerschaften einen Streit einleiten. Denn Umfragen zufolge wird in Beziehungen am weitaus häufigsten über Geld gestritten: 80 Prozent aller Konflikte drehen sich darum. Platz zwei belegen mit einem Anteil von 35 Prozent Fragen, die den Umgang mit der Verwandtschaft betreffen, Platz drei nehmen Auffassungsunterschiede in Bezug auf die Ordnung und Sauberkeit in der Wohnung ein. Der Wiener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. Ekkart Schwaiger, der auch Psycho- und Paartherapeut sowie Mediator ist, weiß, weshalb Partner sonst noch oft aneinandergeraten: „Häufig wird auch über die Kindererziehung gestritten, über unterschiedliche Belastungen durch die Hausarbeit, über Sex, Eifersucht oder die Frage, wie die Freizeit und der Urlaub verbracht werden.“ 

Streit als Vater aller Dinge

Schon der griechische Philosoph Heraklit betrachtete den Streit als „Vater aller Dinge“, das heißt, Auseinandersetzungen sah er als notwendig an, um Harmonie herzustellen, auch zwischen Frau und Mann. Derselben Meinung ist Experte Schwaiger. „Wenn man dauernd für sich behält, was einen ärgert, besteht die Gefahr, dass sich die vielen kleinen ungesagten Neins in der Beziehung stapeln und irgendwann zum großen Nein zur Beziehung werden.“ Wer hingegen sagt, was ihn bewegt und sich auch mit dem Partner auseinandersetzt, könne, so Schwaiger weiter, dadurch nicht nur auf einen gemeinsamen Nenner kommen, sondern sogar die emotionale Verbindung zum Partner vertiefen und die Beziehung stärken. „Nur muss dafür richtig, also konstruktiv gestritten werden“, sagt Schwaiger. Wie das geht, wenn der eine bisher immer das Geschirr zerschmiss und die andere einen Vorwurf nach dem anderen los ließ, sobald gestritten wurde, wird Schwaiger als Paartherapeut häufig gefragt. „Wer in der Beziehung eine gute Streitkultur haben möchte, stellt am besten Regeln auf, an die man sich im Streitfall hält“, sagt er und zählt die sieben wichtigsten auf:

1. Zunächst einmal sehen beide Partner ein, dass es keine objektive Wahrheit gibt, sondern nur subjektive Wahrheiten, und sie sehen weiters ein, dass diese zwar unterschiedlich sind, aber dass weder die eine noch die andere besser bzw. schlechter ist.

2. Beide Partner bleiben neugierig auf die Sichtweise des anderen.

3. Beide Partner verzichten darauf, sich z. B. im Freundeskreis Unterstützung für ihre Sichtweise zu holen und im Streitfall mit Sätzen wie: „Die Ursula hat auch gesagt, dass ich mir ohne weiteres immer wieder mal neue Schuhe gönnen kann!“ aufzutrumpfen.

4. Ist dann der Moment gekommen, in dem sich ein Partner über etwas ärgert, rät Experte Schwaiger zunächst zur Entschleunigung. Der, der sich ärgert, sollte sich überlegen, ob der aktuelle Zeitpunkt der richtige ist, um seinen Ärger dem Partner mitzuteilen, oder ob er nicht lieber damit wartet, bis mehr Zeit für die Auseinandersetzung ist.

5. Um schließlich konstruktiv zu streiten, empfiehlt Schwaiger die Einhaltung eines bestimmten Streitrituals. „So ein Ritual kann darin bestehen, dass man sich für den Streit immer auf einen bestimmten Teppich setzt und erst wieder aufsteht, wenn ein gemeinsamer Nenner gefunden wurde.“ Eine Möglichkeit, wenn die Situation zu eskalieren droht: „Die Partner begeben sich in verschiedene Zimmer und streiten nicht verbal weiter, sondern schriftlich, indem sie ihre Aussagen auf Zettel schreiben, die sie einander unter der Tür zuschieben.“ Die Alternative: „Man wickelt den Streit über E-Mails oder Briefe weiter ab.“ Die schriftliche Form des Streitens hat für Schwaiger den Pluspunkt, dass die Partner länger darüber nachdenken, was sie dem anderen mitteilen wollen, und es so zu bedachtsameren Äußerungen kommt. Zudem wird neugierig bis zum Ende gelesen und nicht schon beim ersten Reizwort unterbrochen.

6. Während gestritten wird, gilt es, bestimmte Kommunikationsregeln einzuhalten und zu versuchen, mit ruhiger Stimme zu sprechen sowie einen verächtlichen Tonfall, Vorwürfe oder Abwertungen zu vermeiden. Schwaiger: „Am besten ist es, das eigene Erleben in der Ich-Form auszudrücken.“ Statt: „Du kommst schon wieder so spät nachhause“, sagt man: „Mir fällt auf, dass du in letzter Zeit öfter später nachhause kommst als sonst.“ Und man erklärt, warum einen das stört, sagt etwa: „Da denke ich, dass du dich bei mir nicht mehr wohlfühlst, und das macht mir Angst.“ Eine weitere Regel: Das, was einen ärgert, nicht in Form von Verallgemeinerungen ausdrücken und statt: „Du lässt immer die Zahnpastatube offen“, sagen: „Heute hast du wieder die Zahnpastatube offen gelassen“. Ebenfalls gut: Nicht den Ärger formulieren, sondern positiv Wünsche äußern und statt: „Du gehst nie mit mir ins Kino“ sagen: „Ich möchte gern nächste Woche mit dir ins Kino gehen.“

7. Schwaiger über das gelungene Ende eines Streits: „Entweder derjenige, dem etwas vorgeworfen wurde, sagt, dass ihm das Problem bisher nicht bewusst war, und dass er sich künftig darum bemühen wird, sich immer wieder bewusst zu machen, was beim anderen den Ärger auslöst.“ Oder: „Derjenige, der den Vorwurf machte, erkennt, dass seine Sichtweise nicht die bessere ist, und entschuldigt sich.“

Hilfe bei wiederkehrenden Konflikten

Für den Fall, dass ein Streitthema in einer Beziehung immer wiederkehrt, und es trotz beiderseitigem Bemühen keine Lösung für den Konflikt gibt, rät Schwaiger: „Dann wäre es gut, sich professionell, z. B. von einem Paartherapeuten, helfen zu lassen.“ Oft stecke hinter solchen scheinbar unlösbaren Konflikten, dass ein Partner mit Worten oder Taten beim anderen Partner alte Wunden aus der Kindheit wieder aufreißt, was aber weder dem einen noch dem anderen bewusst ist. „Da hilft oft schon das Bewusstmachen allein“, weiß Schwaiger. Einem Paar, das zu seiner Klientel zählte, half hingegen eine Handlungsanleitung: „Die haben darüber gestritten, ob sie getrennte Schlafzimmer brauchen. Er wollte das nicht, sie schon, und es stellte sich schließlich heraus, dass sie eigentlich in getrennte Wohnungen ziehen wollten, das habe ich ihnen vorgeschlagen.“ Die beiden folgten dem Vorschlag – und sind nach wie vor glücklich verheiratet.

Streiten hält gesund

Nicht nur der Partnerschaft tut Streiten gut, sondern auch der Gesundheit. Das fanden Forscher der US-amerikanischen University of Michigan heraus. Sie beobachteten über einen Zeitraum von 17 Jahren bis 2008 das Streitverhalten von 192 Ehepaaren. Das Ergebnis: Partner, die sich im Konfliktfall miteinander auseinandersetzten, waren gesünder und lebten daher auch länger als jene, die den Ärger unterdrückten. Als Grund dafür vermuten die Forscher, dass unterdrückter Zorn den Blutdruck erhöht, was wiederum das Herz-Kreislaufsystem belastet.

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