Und wieder nicht schwanger

Februar 2011 | Medizin & Trends

Wie die Medizin heute helfen kann – und darf
 
Vor 30 Jahren wurde in Österreich erstmals ein Baby im Reagenzglas gezeugt. Damit schlug auch hierzulande die Geburtsstunde der Fortpflanzungsmedizin. Heute steht Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, um sich den Wunsch doch noch zu erfüllen. Aber nicht alles, was die Medizin inzwischen kann, ist bei uns erlaubt.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Mama, Papa und zwei Kinder: So eine Familie wünschen sich fast alle Österreicherinnen und Österreicher. Das geht aus einer Statistik der Akademie der Wissenschaften und des Österreichischen Instituts für Familienforschung hervor, die 2009 auf der Basis einer Befragung von 5000 Frauen und Männern im Alter von 18 bis 45 Jahren erstellt worden ist. Wie man aus anderen Statistiken weiß, geht der Wunsch für viele nicht in Erfüllung: In Österreich bleibt jedes fünfte Paar ungewollt kinderlos. Mit den Möglichkeiten der modernen Medizin könnte heute fast der Hälfte der Paare geholfen werden – vorausgesetzt die Ursachen für die Kinderlosigkeit werden erkannt.
Und diese Ursachen liegen bei weitem nicht überwiegend bei der Frau, wie oftmals vermutet wird, im Gegenteil: „Schon in 60 Prozent der Fälle liegt das Problem beim Mann oder zumindest auch beim Mann“, weiß Prim. Univ. Doz. Dr. Martin Imhof, Leiter der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Landesklinikums Weinviertel in Korneuburg sowie Mitbegründer des Zentrums für Kinderwunsch IM1 in Wien. Die betroffenen Männer sind zeugungsunfähig, weil ihre Hoden entweder nicht genug Spermien produzieren, um eine Befruchtung zu ermöglichen; oder weil die Spermien zu schlecht geformt und zu unbeweglich sind, um zur weiblichen Eizelle zu gelangen bzw. in sie einzudringen und sie zu befruchten.

Untersuchung der Spermien als erster Schritt

Diese Probleme treten einzeln oder im Bündel auf und sind durch eine Untersuchung der Spermien unter dem Mikroskop, das sogenannte Spermiogramm, und weitere spezielle Tests einfach zu erkennen. „Deswegen rate ich jedem betroffenen Paar, zunächst einmal die Spermien anschauen zu lassen“, sagt Imhof. Zeigen die Untersuchungen, dass die Quantität oder die Qualität der Spermien unzureichend ist, ist dies kein Grund zu verzweifeln. Imhof: „Meiner Erfahrung nach werden die Defizite bei einer Vielzahl der Männer durch ungünstige Lebensumstände wie unregelmäßige Arbeitszeiten und durch eine Ernährung, der es an Mikronährstoffen wie Vitaminen mangelt, ausgelöst. „Eine Umstellung der Ernährung und des Lebensstils wirken sich häufig schon sehr günstig auf die Spermien aus“, sagt Imhof, der empfiehlt, zusätzlich und nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ein Mittel einzunehmen, das den Mangel an Mikronährstoffen ausgleicht. Durch diese Maßnahmen werden laut Imhof meistens bereits nach drei Monaten die Spermien der betroffenen Männer fit – und ihre Partnerinnen schwanger.
Andere Maßnahmen sind nötig, wenn hinter der unzulänglichen Produktion von Spermien Hormonstörungen, ein Hodenhochstand, Hodenkrampfadern, Diabetes, Stress oder auch unbewusste Ängste vor dem Vater-Werden stecken. Imhof: „Dann kann man mit einer Behandlung des zugrundeliegenden Problems helfen wie mit einer Psychotherapie, einer medikamentösen Therapie, einer Operation oder einer Hormonbehandlung.“ Ist das Spermiendefizit vererbt, was extrem selten der Fall ist, kann eine Samenspende eines anderen Mannes die Lösung des Problems sein.

Bei den Frauen liegt es meist am Alter

So wie bei 60 Prozent der Paare mit unerfülltem Kinderwunsch das Problem beim Mann oder auch beim Mann zu finden ist, liegt es beim Rest der Betroffenen nur an der Frau, dass sie nicht schwanger wird. Dann ist es meistens das Alter der Frau mit seinen naturgegebenen Folgen, das einen Strich durch den Kinderwunsch macht.
So nimmt etwa die Zahl der Eizellen, die in den Eierstöcken heranreifen, im Lauf des Frauenlebens kontinuierlich und immer rascher ab. Zu Beginn der Pubertät hat ein Mädchen etwa 40.000 Eizellen parat, im 37. Lebensjahr sind es nur mehr 25.000 und um das 51. Lebensjahr 1000. Mit fortschreitendem Alter verlieren die verbliebenen Eizellen ihre Funktionstüchtigkeit. Weil die Produktion von Östrogen und Gestagenen, der weiblichen Sexualhormone, langsam abnimmt, funktionieren auch der Eisprung und der Transport der Eizellen durch die Eierstöcke immer weniger gut. Mit der verringerten Ausschüttung von Progesteron, einem Hormon aus der Gestagen-Gruppe, baut sich zudem jeweils nach der Menstruation die Gebärmutterschleimhaut nicht mehr gut genug auf, um den Eizellen eine Einnistung zu ermöglichen. Auch wenn sie befruchtet werden, stößt sie der Körper ab.

Die weiblichen Hormone ankurbeln

Die altersbedingt abnehmende Zahl von Eizellen können die Mediziner zwar noch nicht aufhalten, dafür können sie andere Faktoren beeinflussen. „Wenn wir feststellen, dass die Frau nicht schwanger wird, weil es altersbedingt zu Veränderungen im Hormonhaushalt gekommen ist, können wir helfen, indem wir diese Veränderungen teilweise kompensieren“, sagt Imhof. Der Experte und sein Team versuchen das zunächst mit pflanzlichen Mitteln, die die Produktion der fehlenden Hormone ankurbeln. Liegt das Ausbleiben der Schwangerschaft daran, dass sich der Embryo nicht in der Gebärmutter einnisten kann, gibt man z. B. geringe Dosen von Acetylsalicylsäure. Imhof: „Damit wird die Durchblutung des eingenisteten Embryos verbessert.“ Und das unterstützt seine Heranreifung.
Nützen diese sanften Methoden nichts, werden Hormone gegeben, die je nach individuellem Bedarf die Gebärmutterschleimhaut aufbauen, den Transport der Eizellen in die Gebärmutter unterstützen oder den Eisprung optimieren. „Die  Mehrheit der so behandelten Frauen ist bereits nach drei bis sechs Monaten Therapie schwanger“, sagt Imhof.

Zugrundeliegende Erkrankung behandeln

Abgesehen von den altersbedingten Veränderungen gibt es bei Frauen freilich noch andere Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit. Imhof: „Bei  jüngeren Frauen werden die genannten Veränderungen im Hormonhaushalt, die eine Schwangerschaft verhindern, oft durch eine Schilddrüsenfunktionsstörung oder auch durch Stress hervorgerufen.“ Ein Defizit, das durch das Einnehmen von hormonstimulierenden Mitteln oder Hormonen behoben werden kann.
Genauso oft wie Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Stress stecken unerkannte und daher unbehandelte Unterleibsentzündungen hinter der Kinderlosigkeit. So kann etwa eine Infektion mit Chlamydien (das sind Bakterien, die beim Geschlechtsverkehr übertragen werden) dazu führen, dass die Eileiter verkleben.
Oft sind die Eileiter auch deswegen verklebt, weil Frauen an der sogenannten Endometriose leiden, bei der sich Gebärmutterschleimhaut an den Eileitern festsetzt. Oder es haben sich in den Eierstöcken Zysten gebildet, die die Heranreifung der Eizellen verhindern.
Ein weiterer häufiger Grund für ungewollte Kinderlosigkeit: Myome, gutartige Geschwüre, die sich in der Gebärmutter bilden und das Einnisten von Eizellen, des Embryos und damit eine Schwangerschaft verhindern.
„Bei Myomen, Zysten, Endometriose oder verklebten Eileitern kann den Betroffenen meistens durch das Entfernen des überschüssigen Gewebes per Operation der Weg zur Schwangerschaft geebnet werden“, sagt Imhof.

Künstliche Befruchtung als letzter Ausweg

Gelingt dies nicht, rät Imhof dazu, keine weitere Zeit zu verlieren und es mit künstlicher Befruchtung zu versuchen, der sogenannten In-Vitro-Fertilisation, kurz IVF, oder „Befruchtung im Glas“, eine Methode, die in Österreich erstmals 1981, also vor 30 Jahren, angewandt wurde. Die Erfolgsquote liegt immerhin bei 40 Prozent. Das heißt, fast die Hälfte der Frauen wird nach der IVF schwanger und bekommt ein Kind.
Bis es so weit kommt, muss sich die Frau allerdings einer relativ aufwändigen Prozedur unterziehen. Imhof: „Am Anfang steht eine Hormonbehandlung, die dazu dient, die Heranreifung von Eizellen in den Eierstöcken und den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut zu optimieren.“ Danach werden der Frau durch die Vagina reife Eizellen aus dem Eierstock entnommen – ein Eingriff, der ambulant, aber unter Narkose erfolgt. Die entnommenen Eizellen werden zusammen mit der Samenflüssigkeit des Mannes in ein Reagenzglas gegeben, wo die Spermien die Eizellen befruchten. Anschließend werden einige befruchtete Eizellen in die Gebärmutter eingepflanzt.

Variante der Befruchtung im Reagenzglas

Nähert sich die Frau bereits dem 40. Lebensjahr, haben die Eizellen oft bereits so harte Hüllen, dass die Spermien nur schwer in sie eindringen können. Dann oder wenn die Spermien das nicht können, weil sie z. B. verformt sind, bietet sich eine besondere Variante der IVF an. Imhof: „Bei dieser Variante wird ein einzelnes Spermium in die Eizelle injiziert.“ Dies nennt man Intracyto­plasmatische Spermieninjektion, kurz ICSI. Die Vorteile dieser Methode: Dafür wird nur ein hochwertiges Spermium ausgewählt. Zusätzlich injiziert der Mediziner das Spermium in die Mitte der Eizelle. Alles zusammengenommen macht das Heranreifen des Embryos, die Schwangerschaft und letztendlich die Geburt des ersehnten Kinds noch ein wenig wahrscheinlicher als die herkömmliche IVF.

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30 Jahre Fortpflanzungsmedizin in Österreich

Nach jahrzehntelangen Forschungen war es 1978 so weit: Mit Louise Joy Brown kam in Großbritannien das erste Baby, das außerhalb des Mutterleibs in der Retorte gezeugt worden war, auf die Welt. 1982 folgte Österreich: Im August gebar Jovanka Jovanovics ihren 1981, also vor 30 Jahren im Reagenzglas gezeugten Sohn Zlatan. Damit schlug auch in Österreich die Geburtsstunde der Fortpflanzungsmedizin. Heute dürfen hierzulande aus ethischen Gründen nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die in ­diesem Bereich inzwischen entwickelt wurden.

Stand 02/2011

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