An die Ruder, fertig, los!

Juni 2012 | Fitness & Entspannung

Schlag um Schlag die Gesundheit verbessern
 
Startschuss zur ganz persönlichen Regatta im Kampf gegen Bluthochdruck, Kreislaufschwäche und Trübsinn: Rudern rückt diesen und vielen anderen Problemen Schlag um Schlag zu Leibe. Für MEDIZIN populär listet ein Arzt und ehemaliger Profi-Ruderer die vielen gesundheitlichen Vorteile dieser Disziplin auf.
 
Von Wolfgang Kreuziger

Ein Boot, zwei Ruder, Hunderte trainierte Muskeln! Mit dieser simplen Erfolgsformel schaffte es Rudern in einer Studie des deutschen Magazins „Focus“ über die gesündesten Sportarten der Welt schon vor einigen Jahren auf den ersten Platz. „Zu Recht, denn keine andere Sportart trainiert so viele Muskeln und gleichzeitig auch Kreislauf und Koordination. Aus dieser Sicht ist es als Freizeitsport die ideale Disziplin für Jedermann“, schwärmt DDr. Christoph Schmölzer, Sportmediziner und Zahnarzt in Wien. Der 49-Jährige ist allerdings nicht unbefangen: Viermal krönte sich der Wiener in seiner aktiven Sportlerzeit zum Ruder-Weltmeister, öfter schaffte das in Österreich niemand. „Ich selbst kann mir ein Leben ohne Rudern nicht vorstellen“, verrät er. „Für mich hat es meditativen Charakter, beim Training auf der alten Donau die wechselnden  Farben der Bäume im Gleichklang mit den Jahreszeiten vorbeiziehen zu sehen.“ Doch auch abseits aller persönlichen Schwärmereien kennt die Medizin heute die vielen Trümpfe, die Rudern als „Universalgenie“ unter den Freizeitsportarten ausspielen kann:

650 auf einen Streich

Der menschliche Körper wird von rund 650 Muskeln bewegt, nahezu alle davon werden beim Rudern beansprucht. „Das ist einzigartig und kann von kaum einer anderen Sportart geleistet werden“, erklärt der Arzt und Vierfach-Weltmeister.
Die meiste Arbeit beim Rudern fällt den Beinen zu, auch Arme, Hüfte, Rücken und Oberkörper werden, wie man danach deutlich spürt, stark beansprucht. „Insbesondere die Region Bauch, Beine und Po wird extrem gefordert. Dadurch stellt Rudern eine ausgezeichnete Alternative etwa zu Aerobic dar und tut der Figur gut.“

Muskel-Manager in Aktion

Laufen erst einmal so viele Motoren gleichzeitig im Körper heiß, ist Koordination gefragt – also quasi ein „Muskel-Management“. „Steigt ein Sportler zum ersten Mal ins Boot, ist es für ihn fast unmöglich, die Technik sauber ausführen“, weiß Schmölzer. „Um die parallel arbeitenden Muskelschleifen etwa vom Arm über Oberkörper, Hüfte bis hin zu den Beinen in den Griff zu bekommen, braucht es Übung. Die Aneinanderkettung dieser Muskelbewegungen macht Rudern zu einer der koordinativ anspruchsvollsten Sportarten überhaupt.“ Die meistbegangene Anfängersünde: Es wird zu sehr aus den Armen gerudert statt aus den Beinen, die mit 70 Prozent den Löwenanteil der Arbeit übernehmen sollten. „Wird auf dem Wasser gesportelt und nicht auf einem Ruder-Ergometer, kommt als Herausforderung hinzu, die Balance zu halten.“   

Schwerarbeit für die Pumpe

Wenn das Ruderblatt dann kräftig durch das Wasser stößt, werden vom Akteur rasch 60 Prozent seines maximalen Pulswertes überschritten. Seine Ausdauer wird ab diesem Zeitpunkt ebenso effektiv trainiert wie bei den für diesen Zweck häufig gewählten Sportarten Laufen oder Schwimmen. „Gerade diese Kombination von Muskel- und Ausdauertraining macht Rudern so einzigartig“, sagt der Sportarzt. Das elegante Dahingleiten auf dem Wasser wird dadurch zum besonders effektiven Training für Herz und Kreislauf, während gleichzeitig Problemen wie Bluthochdruck oder Kurzatmigkeit entgegengearbeitet wird.

Hirnzellen auf Hochtouren

So unglaublich es klingt – Rudern setzt nachweislich den Prozess der „Hippokampalen Neurogenese“ in Gang. Das bedeutet, dass dabei neue Nervenzellen entstehen, die das Gehirn aufnahmefähiger machen. Schmölzer: „Das liegt an der Vielseitigkeit der Bewegung, die die kleinen grauen Zellen eben mehr auf Touren halten als zum Beispiel das Joggen.“ Nachwuchsruderer eines deutschen Vereins brüsten sich sogar damit, messbar bessere Noten zu haben, als Alterskollegen, die andere Sportarten ausüben. Weiterer mentaler Zusatznutzen: Rudern in freier Natur kann auch als Stimmungsaufheller bei Depression und Trübsinn sehr hilfreich sein.

Alle sitzen in einem Boot

Ob Frau, Mann, alt oder jung – beim Rudern können die unterschiedlichsten Athleten symbolisch und faktisch gemeinsam an einem Strang ziehen. Der erforderliche Teamgeist bringt eine besonders starke soziale und erzieherische Komponente zum Tragen. Auf den britischen Inseln etwa hat Rudern daher als Schulsport große Tradition. Schmölzer: „Auch die Integration Behinderter kann sehr effektiv über Rudern erfolgen. Die 2010 vom Österreichischen Ruderverband gestartete Initiative ,Rudern mit Handicaps‘ etwa hilft, beeinträchtigte Menschen ins Boot zu bringen.“

Stopp den Wehwehchen

Die vielen kleinen Blessuren, die für Läufer, Tennis- oder Fußballspieler zum ständigen unbliebsamen Begleiter geworden sind, treten beim Rudern nicht auf, weiß Sportarzt Schmölzer. Als Freizeitsport ausgeübt, ist es so verletzungsarm wie kaum eine andere Sportart, einzig kleine Druckstellen und Blasen an den Händen können einem den Spaß verderben. „Es wird ja nicht mit dem eigenen Körpergewicht gearbeitet wie etwa beim Laufen“, erklärt der Mediziner. „So werden Gelenke und Wirbelsäule geschont. Selbst im Leistungssport sind Verschleißerscheinungen selten, aber wie bei allen Extrembelastungen dennoch nicht ganz auszuschließen.“

Harmonie bis ins hohe Alter

Der flotte Wassersport ist für nahezu jeden geeignet. Nur Epileptiker und Menschen mit Wirbelsäulenproblemen oder anderen bereits bestehenden Verletzungen sollten Vorsicht walten lassen. „Und selbst da kann die Ausübung je nach Einschränkung manchmal therapeutische Wirkung haben. Dies muss aber im Vorfeld ärztlich abgeklärt werden“, rät der dreifache Familienvater. Kindern empfiehlt er nicht vor dem zwölften, 13. Lebensjahr mit dem Rudern zu beginnen. „Das größte Problem liegt in der Ergonomie, weil ihnen die Boote meistens deutlich zu groß sind.“
Nach oben hin gibt es altersmäßig kein Limit, selbst bis tief hinein in das siebte und achte Lebensjahrzehnt gebe es meist keinen Grund, das Ruder aus der Hand zu geben. Das gilt für Schmölzer umso mehr, als er Boot und Ruder nicht nur als reine Trainingsgeräte sieht, sondern zugleich als Lebensschule, bei der man nie ausgelernt hat. „Dieser Sport lehrt, im wahrsten Sinne des Wortes im Gleichschlag mit den Mitmenschen zu agieren. Bei meinem ersten Weltmeistertitel 1989 im Leichtgewichts-Doppelzweier gemeinsam mit Walter Rantasa, haben wir als körperlich unterlegenes Team 240 Schläge lang perfekte Harmonie erzeugt und nur dadurch Gold gewonnen. Es war wie im Traum!“

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Das ABC des Ruderns

  • Geschichte

    Rudern ist seit der Antike bekannt und gilt als eine der ältesten Sportarten überhaupt. Die Engländer riefen 1715 den ersten sportlichen Ruderwettbewerb der Neuzeit aus, die Disziplin ist seit 1900 auch olympisch.

  • Arten

    Im Rudersport unterscheidet man das „Skullen“ vom „Riemenrudern“. Bei Ersterem hält der Sportler mit jeder Hand ein Ruder, bei Zweiterem ein Ruder mit beiden Händen. Je nach Klasse können ein bis acht Athleten in einem Boot sitzen. 

  • Technik

    Beim in Österreich vorherrschenden und gesundheitlich empfehlenswerteren „Skullen“ oder Skullrudern sitzt der Sportler mit dem Rücken in Fahrtrichtung auf einem Rollsitz und zieht zwei Ruder zu sich. Dabei wird das Ruderblatt bei jedem Schlag um 90 Grad gedreht. Die Rudertechnik sollte unter Anleitung eines Trainers gelernt werden.

  • Organisation

    In Österreich gibt es derzeit rund 50 Rudervereine mit 5300 gemeldeten Mitgliedern. Eine Jahresmitgliedschaft, die die Benutzung der Boote inkludiert, gibt es oft schon ab 150 Euro. Der österreichische Ruderverband (www.rudern.at) koordiniert Leistungssport und Hobbysport.

  • Trockentraining

    Vor allem in Winter ist die Benutzung eines Ruderergometers beliebt, der diesen Sport auch im Trockenen ohne Boot ermöglicht. Im Gegensatz zum Rudern auf dem Wasser fällt dabei allerdings die zusätzliche Herausforderung des Balancehaltens weg.

    

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