Sie ist die Entgiftungszentrale unseres Körpers, erfüllt aber auch noch viele andere wichtige Funktionen – und ist immer öfter in Gefahr: Erkrankungen der Leber sind auf dem Vormarsch, warnen Experten. MEDIZIN populär über die wichtigsten Feinde der Lebergesundheit.
Von Mag. Sabine Stehrer
Weil der griechischen Sage nach Prometheus uns Menschen unerlaubt half, indem er uns das Feuer brachte, ließ ihn Göttervater Zeus zur Strafe an einen Felsen fesseln. Dort wurde der Gefangene von einem Adler attackiert, der Tag für Tag ein Stück von Prometheus’ Leber fraß. Doch die wuchs immer wieder nach – und das ist weder ein Märchen, noch ein Privileg der „sagenhaften“ Leber: Diese Fähigkeit zur Regeneration ist auch uns Normalsterblichen gegeben. „Auch wenn große Teile der Leber entfernt werden, kann sich der Rest wieder vergrößern und die nötigen Aufgaben meist vollständig erfüllen“, beschreibt Univ. Doz. Dr. Gerd Bodlaj, Experte für Lebererkrankungen im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien, die Besonderheit der Leber.
Aufgaben hat die größte und mit einem Gewicht von rund 1,5 Kilogramm auch schwerste Drüse unseres Körpers viele: „Sie ist an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt und spielt eine zentrale Rolle im Zucker-, Fett- und Eiweißstoffwechsel“, sagt Bodlaj. Diese Substanzen aus der Nahrung kann die Leber aber nicht nur verwerten, sondern auch selber produzieren. Zusätzlich sorgt das fleißige Organ für die Ausgewogenheit unseres Hormon-, Mineralstoff- und Vitaminhaushalts und produziert Gallensaft, der für die Fettverdauung wichtig ist. Zudem ist die Leber sozusagen die Entgiftungszentrale unseres Körpers, weil sie für den Abbau von Alkohol, Chemikalien und anderen Stoffen zuständig ist, die uns schaden können.
Bei dem enormen Einsatz wird klar: „Anders als auf manche andere Organe können wir auf die Leber nicht verzichten“, betont Bodlaj. „Und wir können ihre Funktionen auch nicht über längere Zeit künstlich ersetzen, wie das zum Beispiel im Fall der Niere durch die Dialyse möglich ist.“ Umso alarmierender, dass das lebenswichtige Organ heute immer öfter in Gefahr ist. Schon jetzt leiden hierzulande 800.000 Menschen an einer „beleidigten Leber“: Lebererkrankungen sind auf dem Vormarsch, denn die Feinde der Lebergesundheit sind es auch.
Feind Nr. 1: Alkohol
Nicht die ein, zwei Gläser Wein oder das Bier hin und wieder am Abend, sondern ein übermäßiger Alkoholkonsum über Jahre macht der Leber zu schaffen. Übermäßig Alkohol trinken, das praktiziert nach Schätzungen bereits jetzt jeder vierte Erwachsene in Österreich – Tendenz steigend. „Wenn man über Jahre zu viel trinkt, kann es dazu kommen, dass sich vermehrt Fett in der Leber ablagert und sich eine Fettleberentzündung bildet, die sich in weiterer Folge zu einer Leberzirrhose entwickeln kann“, warnt Bodlaj.
Feind Nr. 2: Fett
Was für den Alkohol gilt, trifft auch auf fettreiches Essen zu: Schlagen wir einmal beim Geburtstagsmenü mit Freunden über die Stränge und genießen nach Schweinsbraten & Co zum Kaffee noch Schokotorte mit Schlagobers, so kann das die Leber verkraften. Kommen aber täglich und über die Jahre Fettbomben wie diese auf den Teller, ist irgendwann das Maß voll. „Wenn jemand über die Nahrung immer zu viel Fett zu sich nimmt, schafft es die Leber ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr, das viele Fett abzubauen, und reagiert oft so wie auf Alkohol mit der Einlagerung von Fett, eventuell gefolgt von Fettleberhepatitis und Leberzirrhose“, schildert Bodlaj die Gefahr, die sich aus der heute weit verbreiteten Ernährungsweise ergibt.
Feind Nr. 3: Reisen und Sex
Unter der zunehmenden Mobilität der modernen Gesellschaft leidet nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Leber: Bei Reisen in Länder mit niedrigen Hygienestandards kann es über den Kontakt mit Schmutz bzw. durch das Essen verunreinigter Lebensmittel zu einer Übertragung von Hepatitis-A-Viren kommen. Der Austausch von Körperflüssigkeiten beim (ungeschützten) Sex wiederum kann zu einer Infektion mit Hepatitis-B-Viren führen. Die Zahl der Hepatitis-B-Infektionen nimmt in unseren Statistiken aber vor allem aus einem anderen Grund zu: „Die Krankheiten werden oft von Einwanderern aus Ländern mitgebracht, in denen die hoch ansteckende Infektion weit verbreitet ist“, so Bodlaj. Noch häufiger kommt Hepatitis C in Österreich vor – eine Erkrankung mit der man sich bei Blutübertragungen anstecken kann bzw. beim Drogenkonsum, wenn zwei Süchtige dieselbe Spritze verwenden. Bodlaj: „Hepatitis-Viren rufen eine Leberentzündung hervor, die so rasch wie möglich behandelt werden sollte.“
Feind Nr. 4: Schmerzmittel
Eine Tablette gegen Kopfweh, ein Pulverl gegen die Rückenschmerzen und eines gegen Zahnweh: Schmerzmittel, die ohne Rezept zu bekommen sind, zählen zu den am meisten gekauften und werden von vielen oft sogar über längere Zeit in Eigenregie eingenommen. Doch bestimmte Mittel schmecken der Leber gar nicht: „Die häufige Einnahme von einigen Schmerzmitteln kann zu einer Leberschädigung führen“, weiß Bodlaj. Ein Grund mehr, bei länger andauernden Beschwerden einen Arzt aufzusuchen und die Auswahl der Medikamente in seine Hände zu legen. Besonders gefährlich wird es nämlich, wenn das Organ gleichzeitig durch weitere Arzneimittel, aber auch durch schädigende Substanzen wie Alkohol belastet ist.
Feind Nr. 5: Bakterien und Pilze
Krankheitserregende Pilze, Parasiten und Bakterien wie EHEC und Listerien, die wir über verunreinigte Nahrung aufnehmen, setzen dem Menschen im Allgemeinen und der Leber im Besonderen zu. „Da ist vor allem dann gefährlich, wenn die Leber bereits geschädigt ist“, so Bodlaj. Unter den Pilzen ist die größte Gefahr übrigens der Knollenblätterpilz. Bodlaj: „Wenn jemand versehentlich einen Knollenblätterpilz isst, kann das zum akuten Leberversagen und zum Tod führen. Eine Lebertransplantation kann hier lebensrettend sein.“
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Leberwerte schaffen Klarheit
Ob die eigene Leber in Gefahr ist, lässt sich oft allein durch eine Blutuntersuchung feststellen, bei der die Leberwerte gemessen werden, so Bodlaj. Sind diese Werte erhöht, sollte auf jeden Fall eine weitere Abklärung erfolgen, u. a. durch ein bildgebendes Verfahren wie eine Ultraschalluntersuchung. Bodlaj: „Wird so eine Erkrankung der Leber festgestellt, muss je nach Ursache die entsprechende Therapie erfolgen.“
Manchmal reichen dafür schon Änderungen im Lebensstil: weniger Alkohol und Fett zuführen, ein Medikament weglassen oder austauschen. Manchmal, wie etwa im Fall von chronischer Hepatitis B, braucht es eine medikamentöse Therapie. „Bei Tumoren der Leber allerdings kann eine Operation erforderlich sein, bei sehr weit fortgeschrittenen Lebererkrankungen sogar eine Organtransplantation“, so Bodlaj. Transplantationen von Spenderlebern werden hierzulande zwar nur rund 100 Mal im Jahr durchgeführt. Doch: „Hier steht einer großen Zahl an Patienten auf der Warteliste eine deutlich kleinere Zahl an Spenderorganen gegenüber“, weiß der Experte.
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Die kranke Leber
Hepatitis A, B, C
Hepatitis A ist eine Leberentzündung, die über Viren in verschmutztem Trinkwasser und Lebensmitteln übertragen wird. Hepatitis A ist heilbar, und man kann sich vorsorglich dagegen impfen lassen. Bei Hepatitis B gelangt das Virus über Blut oder Körperflüssigkeiten in den Körper. Bei jedem zehnten Infizierten entwickelt sich aus Hepatitis B eine chronische Lebererkrankung, die zu einer Leberzirrhose, einem Absterben von Leberzellen, zu Leberkrebs und zum Tod führen kann. Mit Hepatitis C, gegen die es keine Impfung gibt, steckt man sich ausschließlich über das Blut an, sie ist derzeit die häufigste chronische Hepatitis in Österreich. Bemerkbar macht sich Hepatitis durch Müdigkeit und teils auch durch Hautveränderungen wie die Gelbsucht.
Eine Fettleber kann viele Ursachen haben wie Alkohol, eine ungesunde, zu fettreiche Ernährung oder auch Medikamente und Diabetes. Das Tückische daran: Die Erkrankung macht sich nicht durch Beschwerden bemerkbar. Oft wird die Fettleber zufällig bei einer Ultraschalluntersuchung festgestellt. Manchmal entwickelt sich daraus eine Fettleberhepatitis, also eine Leberentzündung, und in weiterer Folge eine Leberzirrhose.
Tumoren
Gutartige Tumoren der Leber sind häufig, werden oft zufällig bei einer Ultraschalluntersuchung entdeckt und müssen nur selten entfernt werden. Oft in Folge von Leberzirrhosen entstehen bösartige Tumoren der Leber, die Zahl der Betroffenen ist zuletzt gestiegen: Erkrankten1983 rund 500 Österreicher daran, waren es laut jüngsten Daten von 2010 bereits rund 860. Im Frühstadium ist Leberkrebs durch die Entfernung des Tumors gut heilbar, dennoch starben 2010 fast 840 Menschen daran.