Rund 800.000 Österreicher leiden an COPD, im Volksmund Raucherlunge genannt. Heilbar ist die chronische Krankheit zwar nicht, doch kann man viel dazu tun, um ihr Fortschreiten aufzuhalten bzw. zu verlangsamen. Neben regelmäßiger Bewegung wird dabei auch die richtige Ernährung immer wichtiger.
Von Mag. Sabine Stehrer
Husten, Auswurf und Atemnot bei körperlichen Anstrengungen wie Treppensteigen: Das sind die Frühsymptome von COPD. Der Volksmund nennt die chronisch fortschreitende Lungenerkrankung Raucherlunge, da fast alle der 800.000 Erkrankten in Österreich Raucher sind oder waren. „Leider“, so Dr. Sylvia Hartl von der Lungenabteilung des Otto-WagnerSpitals in Wien, „nehmen die Betroffenen die ersten Hinweise auf die Erkrankung meist nicht ernst.“ Wird die Diagnose gestellt, hat die COPD aufgrund der dann schon länger bestehenden Entzündung der Lunge und der Bronchien meist nicht nur das Immunsystem geschwächt, was anfälliger für Infektionskrankheiten macht, sondern auch noch andere schädigende Spuren hinterlassen. Hartl: „Wie wir heute wissen, wandern bei COPD aus den entzündeten Atemwegsorganen Entzündungsbotenstoffe in das übrige Körpergewebe.“ So z. B. in die Knochen, was die Erkrankten zu Risikopatienten für Osteoporose macht, dem frühzeitigen Knochenschwund. Die Entzündungszellen wandern aber auch ins Muskelgewebe, wodurch nach und nach die Muskelmasse abnimmt. Parallel nimmt der Fettanteil zu. Und Bauchfett im Übermaß heizt seinerseits Entzündungsherde im Körper an, so auch jene in Lunge und Bronchien.
Fatalen Kreislauf durchbrechen
Ein fataler Kreislauf, der bereits bei der Diagnose mindestens jeden zweiten COPD-Kranken betrifft. „Die Hälfte aller Patienten mit leichter und mittelschwerer COPD ist übergewichtig und hat eine Körperzusammensetzung, die den Krankheitsverlauf beschleunigt“, weiß Hartl, die auch Past-Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie ist. Schwindende Knochen, wenig Muskelmasse und einen zu hohen Fettanteil haben aber auch sehr viele normalgewichtige Erkrankte. „Das wissen wir aufgrund von Messungen, die wir heute bei der Diagnose durchführen“, erklärt Hartl.
Was bedeutet das für die Betroffenen? Hartl: „Aufgrund der noch neuen Erkenntnisse über die negativen Auswirkungen einer ungünstigen Körperzusammensetzung haben wir unser Behandlungskonzept geändert.“ So bekommen Patienten heute nicht mehr nur die Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören, sich wegen der erhöhten Infektanfälligkeit zum Schutz vor einer Lungenentzündung gegen Grippe und Pneumokokken impfen zu lassen und sich regelmäßig zu bewegen. Ihnen wird heute zu einer weiteren Maßnahme geraten: zu einer Umstellung der Ernährung. Hartl: „Vor allem in Kombination mit Ausdauer- und Krafttraining kann die richtige Ernährung bei COPD-Patienten die Körperzusammensetzung entscheidend verbessern.“ Und dann stehen die Chancen gut, die Krankheit in ihrem Fortschritt aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen, was mit einer Verbesserung der Lebensqualität einhergeht und auch die Lebenserwartung erhöht – heilbar ist COPD nach wie vor nicht.
Nur kleine Veränderungen nötig
„Generell gehen die Empfehlungen in die Richtung, eine fett- und kohlenhydratreduzierte Kost zu wählen und viele eiweißreiche Lebensmittel zu essen, die dem Muskelaufbau dienen“, sagt Hartl über die richtige Ernährung zur Verbesserung der Körperzusammensetzung bei COPD. Besonders gesunde Proteinquellen sind etwa Hülsenfrüchte oder fettarme Milchprodukte. Obst und Gemüse sind außerdem besonders wichtig, da sie wertvolle Antioxidantien liefern, die gegen Entzündungen helfen. Wie die Speisepläne im Detail aussehen, so die Medizinerin weiter, sollte mit Hilfe eines Diaetologen, einer Diaetologin auf die individuellen Vorlieben abgestimmt werden. „Sehr oft sind nur kleine Veränderungen nötig, wie eine Vergrößerung der gewohnten Obst- und Gemüseportionen, der Tausch der Semmel gegen eine Scheibe Vollkornbrot oder der Umstieg auf fettarme Joghurt- und Käsesorten oder Sojaprodukte, die viel Eiweiß enthalten“, so Hartl.
Verbesserungen bereits nach drei Monaten
Nicht allen Patienten gelingt es, ihren Lebensstil dauerhaft zu verändern, „aber erstaunlich vielen“, weiß Hartl. Das liegt nach den Ergebnissen einer Studie mit 60 COPD-Patienten, die am Otto-Wagner-Spital in Wien durchgeführt wurde, daran, dass bei einer entsprechenden Therapietreue die Erfolge nicht lange auf sich warten lassen: Bereits nach drei Monaten sind Verbesserungen der Körperzusammensetzung messbar – das spornt die Betroffenen an, ihrer veränderten Lebensweise treu zu bleiben. Hartl: „Darüber hinaus motiviert Patienten, die ihr Bewegungs- und Ernährungsprogramm konsequent einhalten, dass es ihnen besser geht.“ Da sie Fett verloren und Muskeln aufgebaut haben, fühlen sie sich leistungsfähiger, unternehmen wieder mehr und sind zuversichtlicher, was ihr Leben mit der Krankheit angeht.
Neues Konzept auch bei schwerer COPD
In die Studie am Otto-Wagner-Spital waren auch Patienten mit schwerer COPD einbezogen, die permanent gegen ihre Atemnot ankämpfen müssen, indem sie entzündungshemmende und schleimlösende Medikamente nehmen und sich immer wieder künstlichen Sauerstoff zuführen. Ihnen fiel es naturgemäß schwerer, die neuen Maßnahmen umzusetzen. „Gelingt es, profitieren aber auch Patienten mit ausgeprägter COPD von der Kombination aus einem leichten Training, das zugleich die Ausdauer fördert und die Muskeln kräftigt, also etwa von Nordic Walking, und der richtigen Ernährung“, so Hartl.
Punkto Ernährung haben Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung ein anderes Problem als jene in früheren Stadien: Sie sind meist eher untergewichtig, ein Viertel von ihnen wiegt sogar viel zu wenig. „Durch die fortschreitende Atemnot auch im Ruhezustand haben die Patienten einerseits immer weniger Appetit und essen immer weniger. Andererseits verbraucht ihr Körper mehr Kalorien, weil ihre Atemmuskeln immer kräftiger arbeiten müssen, damit sie Luft bekommen“, nennt Hartl die Gründe. Als Folge schwindet – nach den Muskeln und Knochen – oft noch das Fett.
Früher wurde den untergewichtigen COPD-Patienten geraten, das Essen mit fett- und kalorienreichen Zusätzen wie Schlagobers, Ölen oder Butterschmalz anzureichern, um zuzunehmen. „Davon“, so Hartl, „sind wir aufgrund der Erkenntnis abgekommen, dass fettreiches Essen den Körperfettanteil erhöht und zu viel Körperfett die Entzündungsreaktionen anheizt.“ Heute wird Patienten mit schwerer COPD so wie auch jenen in früheren Krankheitsstadien dazu geraten, viele Vollkornprodukte und eiweißreiche Lebensmittel zu sich zu nehmen, was die Muskeln stärkt, sowie zwischendurch so oft wie möglich Hochkalorisches, aber Hochwertiges zu knabbern wie z. B. Nüsse oder Trockenobst. Hartl: „Eine Möglichkeit ist auch, den Kaffee und andere Getränke mit Milcheiweiß anzureichern.“ Vorausgesetzt, die Betroffenen mögen das, denn auch sie sollten sich einen Ernährungsplan erstellen lassen, der ihrem Geschmack entspricht.
Was das neue Behandlungskonzept bei schwerer COPD bewirken kann? „Wir haben gesehen, dass die Patienten durch die neuen Maßnahmen im Schnitt zwei bis drei Kilogramm an Muskelmasse im Jahr zunehmen, und das ist schon viel, das stärkt sie bereits sehr“, weiß Hartl. Eine weitere positive Auswirkung der neuen Pfeiler in der Behandlung dieser schwer kranken Patienten, die oft auch an Angststörungen und Depressionen leiden: Beides verbesserte sich deutlich.
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COPD-Diagnose neu
So wie das Behandlungskonzept ist auch die moderne Diagnose bei COPD um einen Schritt erweitert worden. Zusätzlich zur Spirometrie, dem Lungenfunktionstest, und dem ergänzenden Bronchospasmolyse-Test beinhaltet die neue Diagnose die Messung der Körperzusammensetzung, so die Wiener Lungenfachärztin Dr. Sylvia Hartl. „Die Messung dient dazu, abzuklären, ob die Patienten bereits an Osteoporose leiden, und um zu sehen, wie es um ihre Muskelmasse und den Fettanteil im Körper bestellt ist.“
Durchgeführt werden diese Messungen z. B. mit der Bioelektrischen Impedanzanalyse, die mit Wechselstrom funktioniert, sowie einer Knochendichtemessung, die mit einem speziellen Röntgen-Verfahren durchgeführt wird. Gleich alle Werte auf einmal liefert eine Messung mit dem sogenannten Dexascan, ein strahlenarmes Röntgengerät, das ähnlich wie die Nacktscanner auf Flughäfen funktioniert.
Stand 02/2014