Nicht immer sind Kopfschmerzen einfach nur Kopfschmerzen, die man mit Medikamenten relativ rasch wieder loswerden kann. Wenn es im Oberstübchen hämmert, sticht, pocht und zieht, kann das auch ein Notsignal des Körpers sein: dafür, dass eine Krankheit beachtet werden will, oder dass etwas nicht vertragen wird. MEDIZIN populär über die vielen möglichen Auslöser des Brummschädels.
Von Mag. Sabine Stehrer
Ein schmerzhaftes Ziehen, Stechen, Spannen, Pochen oder Brummen im Kopf: Das erlebt jeder irgendwann einmal im Lauf seines Daseins, unabhängig von Lebensumständen, Lebensstil und Lebensalter. Auch Region und klimatische Bedingungen spielen keine Rolle, wenn es um die Häufigkeit von Kopfschmerzen geht: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist das Leiden überall auf der Erde gleichermaßen stark verbreitet.
Dabei ist Kopfweh nicht gleich Kopfweh, betont der Präsident der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft Dr. Gernot Luthringshausen von der Universitätsklinik für Neurologie an den Salzburger Landeskliniken: „Wir kennen mittlerweile mehr als 220 verschiedene Kopfschmerzarten.“ Die unterschiedlichen Ausprägungen der Pein werden von Experten grob in zwei Gruppen eingeteilt: „Wir unterscheiden die primären von den sekundären Kopfschmerzen“, gibt Luthringshausen Einblick in sein Fachgebiet. In 90 Prozent der Fälle tritt das Kopfweh primär auf, als eigenständiges Leiden und nicht als Begleiterscheinung eines anderen Problems. Spannungskopfschmerzen und Migräne sind ebenso weit verbreitete wie quälende Vertreter dieser Art.
Was genau primäre Kopfschmerzen verursacht, lässt sich vielfach nicht feststellen: „Als Auslöser werden oft Flüssigkeitsmangel, Schlafmangel, lange Aufenthalte in schlechter Luft, Rauchen, Alkoholkonsum, Ernährungsfehler am Vortag oder auch Stress verdächtigt“, so Gernot Luthringshausen. Medikamente können in diesen Fällen rasch helfen, die Schmerzen wieder loszuwerden.
Nicht immer ganz so einfach gestaltet sich die Behandlung in den übrigen etwa zehn Prozent der Fälle, in denen die Kopfschmerzen nicht für sich genommen bestehen. „Diese sekundären Schmerzen sind symptomatisch“, drückt es der Experte aus: „Das heißt, sie treten als Begleiterscheinung einer neu aufgetretenen Krankheit auf, beziehungsweise deuten sie auf eine Krankheit hin.“ Fühlt man sich schlecht und funkt der Körper dann auch noch mit starken Kopfschmerzen SOS, sollte man das daher laut Luthringshausen durchaus als Notsignal werten, den eigenen Zustand ernst nehmen und zum Arzt gehen.
Schlaganfall, Hirnblutung
Den Notarzt rufen heißt es, „wenn Kopfschmerzen plötzlich und heftig auftreten und man gleichzeitig andere schwere Beschwerden hat wie Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühle, Seh-, Sprach- oder Bewusstseinsstörungen“, appelliert Luthringshausen. „Diese Symptome können auf einen bedrohlichen Schlaganfall hinweisen.“
Manchmal werden plötzliche heftige Kopfschmerzen aber auch durch den Bruch oder Riss von Gefäßen im Gehirn und nachfolgende Hirnblutungen verursacht, die ebenfalls sehr gefährlich sind „und einer raschen, spezifischen Therapie bedürfen“, so Luthringshausen.
Stirnhöhlen- oder Hirnentzündung
Schnell zum Arzt sollte man auch, wenn der Kopf auf einmal heftig weh tut und man gleichzeitig hohes Fieber bekommt. Luthringshausen: „Dann könnte eine Stirnhöhlenentzündung oder eine Meningitis, also eine Gehirnhautentzündung, die Beschwerden verursachen.“ Diese Erkrankungen gehen meist auf eine Infektion mit Viren oder Bakterien zurück und sollten, so der Mediziner, so bald wie möglich entsprechend behandelt werden.
Zahnwurzel- und Ohrenentzündung
Etwas weniger dramatisch sind jene sekundären Kopfschmerzen, die von Zahnweh begleitet werden. „Sind die Zahnschmerzen stark und tut gleichzeitig der gesamte Kopf höllisch weh, ist meist eine Zahnwurzel entzündet“, erklärt der Neurologe. Dann hilft eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt, um den Schmerz zu bekämpfen. „Bleiben Kopfschmerzen in Verbindung mit Ohren- Hals- oder Rachenschmerzen ungewöhnlich lange bestehen, sollte man ebenfalls einen Arzt aufsuchen und sich behandeln lassen“, so Luthringshausen. Denn dann stecken oft schwere Infektionen hinter den Schmerzen wie z. B. Mittelohrentzündungen. Werden diese gesundheitlichen Probleme nicht behandelt, können sie bleibende Hörschäden zur Folge haben.
Erkältung und Grippe
Sekundäre Kopfschmerzen, die wohl jeder schon einmal erlebt hat, sind zudem jene, die bei einer Infektion mit Erkältungs- und Grippeviren auftreten. Der Brummschädel bleibt dann oft bestehen, solange zusätzlich der Hals brennt, die Nase rinnt, Husten, Fieber und bei Grippe auch noch Gliederschmerzen quälen. Warum das so ist? „Die Entzündung, die durch die Viren verursacht wird, belastet den gesamten Organismus und löst neben anderen Symptomen eben auch Kopfschmerzen aus“, erläutert Gernot Luthringshausen. Die Beschwerden können mit speziellen, ärztlich verordneten Medikamenten gelindert werden.
Magen-Darmerkrankungen und Bluthochdruck
Medikamente helfen auch bei den sekundären Kopfschmerzen, die im Zuge jener ebenfalls vergleichsweise häufigen Infektionen mit Viren auftreten, die Magen- und Darmerkrankungen auslösen: Dann gesellt sich der Brummschädel zu Übelkeit, Durchfall und Magenschmerzen dazu. Auch wenn es sich immer wieder einmal um einen dreht und sich zum Schwindel ein Pochen im Kopf gesellt, sollte man sich so bald wie möglich vom Arzt untersuchen lassen. Denn daran könnte ein hoher Blutdruck schuld sein, der mittel- und langfristig das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.
Medikamente und Nahrungsmittel
Manchmal lösen Reaktionen des Körpers auf Substanzen in Medikamenten oder Nahrungsmitteln verschiedene Beschwerden von Schwindel über Magenschmerzen bis hin zu Übelkeit aus, die von Kopfschmerzen begleitet werden. Eine einzige Essenszutat kann genügen, um einen Brummschädel auszulösen. Bekanntestes Beispiel dafür ist der Geschmacksverstärker Glutamat, der zu Kopfweh gepaart mit vielen verschiedenen mehr oder weniger stark ausgeprägten Beschwerden führt – dem sogenannten China-Restaurant-Syndrom.
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Kopfweh vom Kopfzerbrechen?
Kopfzerbrechen kann tatsächlich einen Brummschädel auslösen: „Das Kreisen der Gedanken um schwierige Probleme und belastende Situationen kann mit Kopfweh verbunden sein“, bestätigt der Kopfschmerz-Experte Dr. Gernot Luthringshausen. Aber nicht nur das: „Auch Stimmungsschwankungen und Depressionen gehen oft mit Kopfschmerzen einher.“ Die genauen Zusammenhänge sind allerdings noch Gegenstand der Forschung.
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Plötzlich, heftig, gleich vorbei?
Gefahr Minischlaganfall
Mit plötzlichen, heftigen Kopfschmerzen kann sich auch ankündigen, was in der Fachsprache „Minor Stroke“ bzw. „transitorische ischämische Attacke“ (TIA) genannt und im Volksmund als „Schlagerl“ verharmlost wird. Weil der Spuk meist innerhalb von wenigen Minuten vorbei ist, gehen viele nicht zum Arzt und riskieren damit schlimme Folgen: „In bis zu einem Drittel aller Fälle handelt es sich bei den vorübergehenden Erscheinungen um Vorboten für einen schwereren Schlaganfall“, warnt Univ. Doz. Dr. Hans-Peter Haring, Neurologe und Präsident der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft.
Neben starken Kopfschmerzen können bei einem sogenannten Mini-Schlaganfall zusätzlich folgende Beschwerden auftreten und mehrere Minuten anhalten:
- Halbseitige Lähmung oder Muskelschwäche
- Ein Arm kann nicht mehr gehoben, ein Bein nicht mehr bewegt werden, ein Mundwinkel hängt herunter, eine Gesichtshälfte fühlt sich pelzig an.
- Sprechschwierigkeiten
- Plötzlich werden Wörter oder Silben vertauscht, Worte kommen einem nicht mehr in den Sinn, Sätze können nicht mehr formuliert werden.
- Sehstörungen
- Auf einmal sieht man mit einem Auge doppelt, verschwommen oder überhaupt nicht mehr.
- Drehschwindel und Gleichgewichtsstörungen
Bei einem oder mehreren dieser typischen, meist binnen weniger Minuten vorübergehenden Symptome sollte man sofort die Rettung (144) rufen bzw. sich von Angehörigen in ein Spital mit einer neurologischen Abteilung zur Untersuchung und Behandlung bringen lassen.
Buchtipp:
Bartlick
Kopfschmerzen & Migräne.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
ISBN 978-3-99052-076-5
120 Seiten, € 12,80
Verlagshaus der Ärzte
Oktober 2013
Stand 02/2015