Von Mag. Alexandra Wimmer
Selbstironie ist die Kunst, sich so durch den Kakao zu ziehen, dass er noch schmeckt“, besagt ein Sprichwort. Wie sich das konkret äußern könnte?
Egon soll bei einem wichtigen Meeting einen Vortrag halten, dabei geht alles schief: Nach dem Laptop lässt ihn seine Stimme im Stich, sodass er nur noch krächzend referieren kann, es fehlt eine wichtige Grafik und zu guter Letzt ergießt sich eine Wasserflasche über den Tisch. „Denken Sie jetzt bitte nicht, ich hätte das so detailliert geplant – das ist alles improvisiert“, meint er trocken – und hat die Lacher auf seiner Seite. Managerin Anna verschüttet beim Businesslunch Tomatensaft auf ihrer Kleidung. Nach einem Schreckmoment verkündet sie grinsend in die Runde: „Zum Glück beißt das Rot sich nicht dem Orange der Bluse.“
Anstatt schamrot im Boden versinken zu wollen, könnte man eine verzwickte oder peinliche Situation offensiv angehen: Warum das Ganze nicht (auch) von der witzigen Seite betrachten? Warum sich in einer rettungslos verfahrenen Situation nicht „retten“, indem man sich ein wenig auf den Arm nimmt?
Macht entspannt und gelassen
Es tut einfach gut, sich selbst hin und wieder auf die Schaufel zu nehmen. „Hinter Selbstironie steckt die Erkenntnis, dass man nicht der Mittelpunkt des Universums ist“, erklärt die Neurologin und Psychiaterin Prof. Dr. Barbara Wild von der Fliedner Klinik Stuttgart, die seit mehr als 15 Jahren den Humor erforscht. „Man weiß, dass die Erde sich weiter dreht, ob man eine Aufgabe nun löst oder nicht; dass man durchs Leben kommt, obwohl man kleiner als 1m 60 ist.“ Über alles Mögliche könnte man sich aufregen – oder einen Witz darüber machen. Wer über sich selbst lachen kann, muss den Spott anderer nicht fürchten. Sich nicht so wichtig zu nehmen, sich und anderen Fehler und Schwächen zuzugestehen, entspannt und macht gelassen.
Aussprüche wie „der hat mir gerade noch gefehlt“ oder „na, super!“ zeigen, dass die „Waffe“ Ironie im Alltag ohnehin weit verbreitet im Einsatz ist; Studien zufolge dürften Frauen punkto Selbstironie die Nase vorne haben. Basis dafür ist der Humor, der weitere positive Folgen nach sich zieht.
Fördert gelungene Beziehungen
Eine humorvolle Haltung verschafft Freiräume, betont Humorforscherin Wild. „Man hat die Möglichkeit, eine schwierige Situation ernsthaft zu betrachten oder die Blickrichtung zu wechseln und das Ganze mit Humor zu nehmen.“ Es hebt die Laune, über ein Problem zu lachen. Auch gewinnt man, indem man die heitere Seite einer Angelegenheit sieht, Distanz – zu sich selbst und zum Problem. „Eine humorvolle Haltung ist nicht nur wohltuend und heilsam, sie macht uns auch zu angenehmeren Zeitgenossen“, wirft Barbara Wild ein. „Man ist lieber mit Menschen zusammen, die Humor haben.“
Anscheinend sind jene, die sich selbst auf die Schaufel nehmen können, für andere besonders anziehend. Laut einer US-amerikanischen Studie etwa wirken selbstironische Männer besonders sexy auf das weibliche Geschlecht. „Nicht umsonst wird in Kontaktanzeigen immer angepriesen, dass man ‘Humor hat’ oder ‘ein humorvoller Mensch’ ist“, ergänzt Wild.
Das gilt allerdings weniger für Jobbewerbungen: Im Berufsleben gelten oft gerade ernsthafte, in die Arbeit verbissene Menschen als besonders leistungsstark. Nicht unbedingt zu Recht, wie die Humorforscherin meint. „Mit Druck kann man vielleicht kurzfristig eine Leistungssteigerung bewirken, längerfristig leistet aber mehr, wer sich in guter Stimmung befindet: Humor motiviert und erhöht damit das Leistungsvermögen.“
Beruflich wie privat fördert er außerdem das Miteinander. „Mit Humor kann es gelingen, Konflikte zu entschärfen“, weiß die Medizinerin. „Hat man erst einmal gemeinsam über ein Problem gelacht, wird es auch nicht mehr als so schlimm empfunden.“
Erhöhte Zufriedenheit
Ob Humor genetisch bedingt ist – uns sozusagen in die Wiege gelegt wird – ist wissenschaftlich (noch) nicht geklärt. Was man jedenfalls weiß: Jemand, der von klein auf das Leben von der heiteren Seite betrachtet, geht unbeschwerter durchs Leben. „Humor hilft uns, mit Problemen fertig zu werden“, betont Barbara Wild und verweist auf eine Untersuchung des Psychologen Willibald Ruch, der mithilfe von Onlinebefragungen den Zusammenhang zwischen Charakterstärken und Lebenszufriedenheit untersuchte. Das Ergebnis: Humor wirkt ähnlich positiv auf das psychische Wohlbefinden wie z. B. Glaube oder Optimismus. „Es hat sich gezeigt, dass Humor sehr deutlich mit Lebenszufriedenheit in Zusammenhang steht“, erläutert Wild die Ergebnisse. In Anbetracht von Krisen fällt es humorvollen Zeitgenossen leichter, das Leben zu bejahen. „Sie können etwa mit einer Krankheit besser umgehen und damit zurechtkommen, dass gerade sie und nicht jemand anderer betroffen ist.“
Eine Prise Aggression
Humor ist obendrein ein hilfreiches Ventil, um (negative) Gefühle oder Kritik, durch einen Schuss Ironie abgeschwächt, auszudrücken. „Mit Kollegen über den Chef zu lästern, nimmt Druck aus der Situation – das verbündet und tut gut. Ein Witz über den Partner kann wie ein Befreiungsschlag wirken“, gibt die Medizinerin Beispiele.
Dabei sollte man nicht vergessen, dass „im Witzigen immer auch eine Prise Aggression steckt“, so Barbara Wild. „Und nicht jeder Witz ist gut und adäquat.“ Nicht mehr lustig ist, wenn man die Lästerei dem anderen schonungslos an den Kopf wirft oder wenn Witze sehr abfällig bzw. selbstabwertend sind. „Das trifft besonders unsichere, ängstliche Menschen, die nicht selten solche selbstentwertenden Witze über sich machen“, beobachtet die Expertin.
Dem Leben einen Witz erzählen
Andererseits kann Humor es im Extremfall ermöglichen, selbst einer aussichtslosen oder schrecklichen Lage etwas Positives abzugewinnen. Der Psychiater und Begründer der Logotherapie, Viktor E. Frankl, war beispielgebend für die Kraft einer humorvollen Lebenssicht: Die Jahre, die Frankl als Jude im KZ verbrachte, überlebte er auch dank Humor. „Er schilderte später, wie er mit einem Freund vereinbarte, dass sie einander jeden Tag einen Witz erzählen“, weiß Wild. Mit dem anderen zu lachen, war etwas derart Wärmendes, Menschliches – das konnte kein Schrecken ihm nehmen. Auch in Roberto Benignis Film „Das Leben ist schön“ wird Humor zur entscheidenden Überlebensstrategie.
Von Mensch zu Mensch verschieden
Und wie steht es um die Gesundheit jener, die scheinbar gar nichts zu lachen haben? Selbst um den „ewigen Griesgram“ muss man sich keine Sorgen machen, beruhigt Barbara Wild. „Dieser hat vielleicht einen Freund aus Jugendtagen, mit dem er lachen kann“, ist die Expertin überzeugt. „Ich glaube, es gibt niemanden, der überhaupt keinen Humor hat. Viel eher ist es so, dass dieser manchmal weniger gezeigt wird oder von Sorgen oder einer Depression verschüttet ist.“
Wer will, kann Humor im Rahmen von Humortrainings, wie sie auch Barbara Wild anbietet, (wieder) erlernen. Dabei geht es um viel mehr als die Aktivierung der Lachmuskeln bzw. sich regelmäßig der Phrase „Kennst du den?“ zu bedienen. Man verschafft sich quasi die Zutaten einer heiteren Lebenssicht: Man lernt, sich auf Spielerisches einzulassen, übt Wortspiele und Übertreibungen, man trainiert Schlagfertigkeit und Spontaneität. Damit sieht die Welt gleich etwas freundlicher aus. Humor ist schließlich ein enger Verwandter des Optimismus, erklärt Humorforscherin Barbara Wild. „Und mit Humor fällt es leichter, optimistisch zu sein.“
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Was wirkt wie?
Lachen und Humor
Beim Lachen handelt es sich um einen Vorgang, der viele positive Auswirkungen auf Körper und Psyche hat: Stressreduktion, bessere Regeneration des Körpers, Entspannung der Muskulatur, Aktivierung von Abwehrzellen, Senkung des Blutdrucks etc. Einer US-amerikanischen Studie zufolge werden durch Lachen auch die Cholesterinwerte von Diabetikern signifikant verbessert.
Humor hingegen ist eine Charaktereigenschaft bzw. Lebenseinstellung, die ganz besonders günstig auf die Psyche wirkt. Problemen und Unzulänglichkeiten mit heiterer Gelassenheit zu begegnen, führt u.a. dazu, dass emotionale Spannungen schneller abgebaut werden, soziale Beziehungen besser und befriedigender verlaufen, die Lebensfreude und der Spaß am Miteinander wachsen.
Buchtipp:
Falkenberg, McGhee, Wild,
Humorfähigkeiten trainieren
ISBN 978-3-7945-2820-2
140 Seiten, 30,90 €
Schattauer, 2013
Stand 05/2015