Vor 30 Jahren infizierte sich der frühere ORF-Sportregisseur Peter Baumann mit Hepatitis C und lebte – unbehandelt – mit der Krankheit. Im Gespräch mit MEDIZIN populär erzählt der 64-Jährige aus Wien von seinem langen Leidensweg und wie es zu seiner Heilung kam, die bis vor kurzem noch unmöglich gewesen wäre.
Von Mag. Sabine Stehrer
MEDIZIN populär
Herr Baumann, nach 30 Jahren mit Hepatitis C sind Sie nun geheilt.
Wie ist es dazu gekommen?
Peter Baumann
Vor etwas mehr als einem Jahr hat sich herausgestellt, dass die Leberentzündung schon recht fortgeschritten war. Mir ist es auch ziemlich schlecht gegangen. Vor allem beim Sport, ich spiele sehr gern Tennis und betreibe Skirennlauf, habe ich mir immer schwerer getan, das hat mich sehr bedrückt. Als ich dann erfahren habe, dass es eine neue Therapie gibt, die kaum Nebenwirkungen verursacht, aber fast immer zur Heilung führt, habe ich mich zur Behandlung entschlossen.
Mussten Sie dafür ins Spital?
Nein, ich musste nur drei Monate lang täglich vier Tabletten schlucken und durfte zwar alles essen, sollte aber nur Wasser und viel Kaffee trinken, Kaffee, weil die Stoffe in den Röstbohnen entzündungshemmend wirken. Während der Therapie habe ich noch keine Besserung bemerkt, eigentlich war ich noch schlapper als sonst. Manchmal habe ich mich so gefühlt, als hätte man mir mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen, mir war auch oft übel. Unmittelbar nach der Therapie habe ich mich auch nicht besser gefühlt, aber so ungefähr drei Monate nach Therapieende hat es auf einmal ‘Schnapp’ gemacht. Die Müdigkeit war schlagartig weg, und es ist mir insgesamt viel besser gegangen! Untersuchungen haben dann ergeben, dass ich komplett virenfrei war, also geheilt. Das habe ich als größtes Glück empfunden, von dem ich nicht mehr gedacht habe, dass ich es erleben werde!
Wissen Sie, wie Sie sich mit Hepatitis C infiziert haben?
Damals, 1985, war ich für Dreharbeiten mit einem Hubschrauber unterwegs, und wir sind abgestürzt. Dabei habe ich ein Polytrauma erlitten, mir 27 Knochen gebrochen und eine Bluttransfusion erhalten. Irgendein Spenderblut hat Hepatitis C-Viren enthalten, so wurde ich angesteckt. Zu dieser Zeit ist das noch häufig vorgekommen, da man Hepatitis C-Viren gar nicht gekannt hat. Diese wurden erst einige Jahre nach meinem Unfall, 1989, nachgewiesen, und erst seit den 1990ern wird Spenderblut auf Hepatitis C-Viren untersucht.
Dann haben Sie ja auch länger nichts von Ihrer Krankheit gewusst?
Stimmt, die Diagnose habe ich erst einige Jahre nach der Ansteckung bei einer Blutkontrolle erhalten, die wegen meiner erhöhten Leberwerte gemacht worden ist.
Hepatitis-Viren verursachen eine Leberentzündung. Haben Sie davon nichts bemerkt?
Doch, ich habe ab der Infektion wie im Stand-by-Modus gelebt, ich war immer sehr müde, hatte grippeähnliche Symptome, war hin und wieder so abgeschlagen, dass ich mich nach dem Frühstück wieder ins Bett gelegt habe. Aber ich habe das zuerst auf meinen schweren Unfall zurückgeführt, nach dem ich auch länger im Koma gelegen bin. Erst nach der Diagnose Hepatitis C habe ich gewusst, woher die Beschwerden in Wahrheit kommen.
Wieso sind Sie in all den Jahren unbehandelt geblieben?
Weil ich die früher übliche Behandlung verweigert habe. Ich habe erfahren, wie sehr andere Betroffene an den Nebenwirkungen der Therapie gelitten haben, dennoch nicht gesund wurden und letztendlich eine Lebertransplantation brauchten oder an Leberzirrhose gestorben sind. Das wollte ich nicht. Ich habe stattdessen mit der Ernährung experimentiert und herausgefunden, dass es mir besser geht, wenn ich Fettreiches und Eiweißreiches esse, die Kohlenhydrate reduziere und hin und wieder ein Bier trinke. Das habe ich dann gemacht.
Haben Sie nie Angst gehabt, Ihrerseits wen anzustecken?
Über all die Jahre war mir klarerweise immer sehr wichtig, dass ich niemanden anstecke. Da habe ich sehr darauf aufgepasst und eben immer alle darüber informiert, dass ich Hepatitis C habe, meinen Zahnarzt, andere Ärzte, bei denen ich in Behandlung war, meine Arbeitskollegen, meine Freunde und Bekannten. Besonders aufgepasst habe ich natürlich in der Familie. Einmal bin ich zum Beispiel beim Bergwandern mit meinen Kindern gestürzt und habe mir Schürfwunden zugezogen. Sie wollten mir sofort unter die Arme greifen, aber ich habe sicherheitshalber gesagt ‘alle weg von mir’ und habe die Wunden selbst versorgt, das haben die Kinder glaub’ ich nicht so ganz verstanden.
So sind alle gesund geblieben?
Ja! Meine erste Frau, meine zweite Frau, und auch meine drei Kinder sind dank meiner Vorsicht kerngesund.
Waren Sie durch die Krankheit beruflich eingeschränkt?
Zeitweise hat mir die Abgeschlagenheit schon auch bei der Arbeit zu schaffen gemacht. Es haben aber alle Kollegen gewusst, was ich habe, und man hat darauf Rücksicht genommen, mir geholfen, wenn es nötig war.
Und wie war das im Privatleben?
Wir in Österreich leben in einer Gesellschaft, die von Alkohol geprägt ist. Wenn ich mit Freunden oder Bekannten unterwegs war, hat es in der Runde oft geheißen, ‘jetzt trink doch noch was, das kann doch nicht schaden’. Ich habe aber gewusst, dass es mir ab einer gewissen Menge Alkohol die nächsten Tage extrem schlecht gehen wird. Meistens bin ich dann früher gegangen oder gar nicht mehr mitgegangen, habe mich zurückgezogen. Jetzt führe ich wieder ein geselliges Leben wie früher und freue mich daran!
Würden Sie auch anderen Betroffenen dazu raten, die Therapie zu machen?
Obwohl ich ja doch an Nebenwirkungen gelitten habe: Auf jeden Fall, ja!
Stand 11/2016