– Von Mag. Helga Schimmer
Wenn es um gesunde Ernährung geht, denken wir mitunter immer noch an Verzicht. So ist es aber nicht. Es geht darum, aus der Vielfalt der Lebensmittel, die uns zur Verfügung stehen, die für den Körper bekömmlichen auszuwählen.
Um Herz und Blutgefäße gesund zu erhalten, ist unter anderem die Auswahl der Speisefette wichtig. Ungesättigte Fettsäuren in Pflanzenölen beeinflussen das Herz-Kreislaufsystem positiv, wobei in Raps-, Lein- und Olivenöl der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren besonders hoch und das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren besonders günstig ist.
Omega-3 fürs Herz
„Omega-3-Fettsäuren wirken auf mehreren Ebenen vorteilhaft für das Herz“, sagt Univ. Prof. Dr. Günter Steurer, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologe in Wien. „Sie stabilisieren die Zellmembranen und können dadurch Herzrhythmusstörungen entgegenwirken. Weiters verbessern sie die Funktion jener Zellen, die Blutgefäße auskleiden und arbeiten so gegen Entzündungen und Atherosklerose. Diese sogenannte ‚Gefäßverkalkung‘ liegt Herz-Kreislauferkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt oder auch Schlaganfall zugrunde“, erklärt Steurer. Auch die Blutgerinnungsneigung und der Blutdruck werden von Omega-3-Fettsäuren positiv beeinflusst. Die größten Mengen davon finden sich in Kaltwasserfischen.
Bei den für das Herz wichtigen Vitaminen stehen neben jenen der B-Gruppe vor allem die Vitamine E, A und C im Blickpunkt. Ihr vorteilhafter Effekt beruht unter anderem auf ihrem antioxidativen Potenzial. Prof. Steurer: „In erster Linie sollte versucht werden, den Vitaminbedarf durch gesunde Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Getreideprodukten zu decken.“
Häufig unterschätzt in Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit werde der Mineralstoff Kalium, so Steurer weiter. „Zum Beispiel führt ein überhöhter Konsum von Kochsalz (Natriumchlorid) zu einem Kalium-Mangel in den Körperzellen.“ Die Einschränkung des Kochsalzkonsums und die ausreichende Versorgung mit Kalium tragen dazu bei, einen überhöhten Blutdruck zu normalisieren. Zu besonders kaliumreichen Lebensmitteln zählen Linsen, Feldsalat, Avocado, Banane, getrocknete Marillen und Weizenkleie.
Auch unter den sekundären Pflanzenstoffen gibt es etliche „Herzbeschützer“: die in zahlreichen pflanzlichen Lebensmitteln enthaltenen Phytosterine und Isoflavone etwa, die zu einer Verringerung des Cholesterinspiegels beitragen können. Prof. Steurer: „Man kann davon ausgehen, dass die positiven Wirkungen sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe häufig auf einem Zusammenspiel zahlreicher Inhaltsstoffe beruht.“
Dass ballaststoffreiche Ernährung dem Darmkrebs vorbeugen und das Diabetesrisiko verringern kann, hat sich vielerorts herumgesprochen. Weniger bekannt ist der blutdrucksenkende Effekt eines hohen Getreideballaststoffanteils, der auch die Gefahr eines Herzinfarkts verringern kann. „Lösliche Ballaststoffe wie Pektine und Beta-Glukane wirken sich günstig auf die Blutfettwerte aus, wobei mehrere Mechanismen beteiligt sind, wie zum Beispiel die Bindung von Cholesterin und anderer Fettstoffe aus der Nahrung oder die Bindung von Gallensäure, für die ja Cholesterin gebraucht wird“, erläutert Prof. Steurer. Grund genug, so oft wie möglich Weißmehl durch Vollkornmehl zu ersetzen und Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte in den täglichen Speiseplan einzubauen.
Knorpelschutz für die Gelenke
Lädierte Hüfte, kaputtes Knie, schmerzende Schulter – Arthrose ist eine weit verbreitete Alterserscheinung. Ursache der Gelenksabnützung ist der Verlust von Knorpelgewebe, wodurch die Knochen direkt aneinander reiben. Die Folgen sind Entzündungen, Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit. „Um die Gelenke gesund und Patienten schmerzfrei zu erhalten, kommt es in erster Linie darauf an, diese entzündliche Prozesse zu unterdrücken“, sagt Dr. Christian Matthai, Ernährungs- und Sportmediziner in Wien. „Mit den richtigen Vitalstoffen lässt sich dazu einiges beitragen, und das – im Gegensatz zu entzündungshemmenden Medikamenten – nebenwirkungsfrei.“ Was den Knorpelschutz betrifft, werden in den letzten Jahren zwei Substanzen als Nahrungsergänzungsmittel hoch gehandelt: das aus Tierknorpeln gewonnene Chondroitin und das aus Grünlippmuscheln extrahierte Glucosamin.
Elastisches Gewebe
Chondroitin trägt als wesentlicher Bestandteil des Knorpelgewebes zu dessen Widerstandsfähigkeit gegen Druckbelastung bei, während Glucosamin nicht nur im Knorpel selbst enthalten ist, sondern auch in der Gelenksschmiere, einer Flüssigkeit, die die reibungsfreie Beweglichkeit der Gelenke garantiert. Beide Substanzen sind in der Lage, Wasser zu binden, und halten somit das Knorpelgewebe elastisch. Zwar kann sie der Körper selbst herstellen, doch lässt die Fähigkeit dazu mit fortschreitendem Alter nach.
Dr. Matthai: „Gängige Präparate kombinieren meist beide Stoffe. Damit Chondroitin und Glucosamin ihre antientzündliche Wirkung entfalten können, müssen sie mindestens drei Monate lang eingenommen werden. Sind die Gelenke bereits chronisch gereizt, ist eine langfristige bzw. ständige Einnahme notwendig.“ Auch die für die Herzgesundheit so wichtigen Omega-3-Fettsäuren können dank ihrer entzündungshemmenden Wirkung Gelenksschmerzen effektiv lindern. Leider werden sie hierzulande oft zu wenig in den Menüplan eingebunden. „Essen Sie deshalb häufiger fetten Fisch wie Lachs, Thunfisch oder auch Makrelen und steigen Sie beim Braten oder Anrichten von Salaten auf kaltgepresste Pflanzenöle um“, rät Dr. Matthai. Besonders reich an wertvollen Omega-3-Fettsäuren sind Raps-, Walnuss- und Leinöl. Letzteres ist mit über 50 Prozent Omega-3-Gehalt überhaupt pure Medizin – und schmeckt zugegebenermaßen auch so. „Dennoch: Ein Esslöffel kaltgepresstes, heimisches Leinöl täglich wirkt als wahrer Rundum-Schutz für Ihre Organe und hält die Gelenke geschmeidig“, so der Experte.
Das genaue Gegenteil erreicht man mit traditioneller Hausmannskost à la Schweinsbraten, Rindsgulasch und Schmalzbrot, denn vor allem in rotem Fleisch, aber auch in fettem Käse steckt viel Arachidonsäure, die als „Gelenkkiller“ schlechthin gilt, weil sie Ausgangssubstanz für die Bildung entzündungsfördernder Botenstoffe ist.
Vitamine für die grauen Zellen
Wer jedoch mehr zu Fisch, Nüssen und pflanzlichen Ölen tendiert, leistet auch dem Gehirn hervorragende Dienste. „Studien haben gezeigt, dass Omega-3-Fettsäuren essentieller Bestandteil für die kindliche Gehirnentwicklung und damit in der Schwangerschaft und Stillzeit von besonderer Bedeutung sind“, sagt Dr. Matthai. Doch die essenziellen Fettsäuren fördern nicht nur die Entwicklung von Gehirn und Augen bei Embryo und Säugling, sie beteiligen sich auch bei Erwachsenen an der Bildung von Verknüpfungen und Übertragungen von Signalen im Gehirn und machen so Denken, Erinnern und Lernen überhaupt erst möglich. Egal ob Jung oder Alt – jeder Mensch braucht Omega-3-Fettsäuren für tadellos funktionierende „graue Zellen“.
B-Vitamine für die Nerven
Weitere für den Hirn- und Nervenstoffwechsel bedeutsame Vitalstoffe finden sich in der Gruppe der B-Vitamine, die beispielsweise in Vollkorngetreide stecken. Beispielsweise sorgt Thiamin (Vitamin B1) für geistige Frische, während Niacin (Vitamin B3) die Stimmungslage und den Schlaf günstig beeinflusst und Panthothensäure (Vitamin B5) die Stressabwehr unterstützt. Andere B-Vitamine sind an der Produktion bedeutender Botenstoffe im Gehirn beteiligt, wie Dr. Matthai darlegt: „Serotonin ist als Glückshormon bekannt, es dämpft negative Gefühle wie Angst oder Aggressivität und schenkt uns Gelassenheit und innere Ruhe. Dopamin wiederum ist eine für die Aufmerksamkeit und das Lernen entscheidende Überträgersubstanz im Gehirn.“
Cholin für die Zellmembran
Ein Mangel an B-Vitaminen führt unter anderem zu Konzentrations- und Schlafstörungen, Nervenschwäche, psychischer Labilität und depressiven Verstimmungen. „Da ein Defizit an Folsäure, Vitamin B9, während der Embryonalentwicklung schwere Missbildungen am Zentralnervensystem verursachen kann, sollten Frauen mit Kinderwunsch in Absprache mit ihrem Arzt diesen Vitalstoff gezielt zuführen“, empfiehlt Dr. Matthai.
Die Nervenzellen müssen zudem ausreichend mit Cholin versorgt werden. Der Botenstoff ist an der Steuerung von Nervenprozessen, Gedächtnisvorgängen, Emotionen und Stimmungen beteiligt und wird auch für die Erregungsübertragung auf die Muskeln und für Funktionen wie Herzschlag oder Atmung benötigt. Speziell Eier und Weizenkeime sind reich an Cholin. Dr. Matthai: „Die gängige Ernährungsempfehlung, maximal drei Eier pro Woche zu essen, kann demnach zumindest in Bezug auf das Gehirn hinterfragt werden. Ich sehe es als unproblematisch, wenn meine Patienten täglich ein Ei essen.“
Ob nun wenige oder viele Eier, auf einen Gehirnzellenkiller sollten Sie generell verzichten: Alkohol. Denn regelmäßiger Alkoholmissbrauch führt langfristig zu erheblichen Hirnschäden bis hin zur Demenz.
Omega-3-Fettsäuregehalt einiger Speiseöle in Prozent
Leinöl 56-71 %
Chiaöl ca. 64 %
Perillaöl ca. 60 %
Hanföl ca. 17 %
Walnussöl ca. 13%
Rapsöl ca. 9 %
Sonnenblumenöl ca. 8 %
Buchtipp:
Steurer, Gruber
Herz intakt statt Infarkt
ISBN 978-3-99052-096-3
144 Seiten, € 14,90
Verlagshaus der Ärzte
Stand 06/2018