7 Fakten und Mythen rund ums Immunsystem
– Von Mag. Helga Schimmer
Jetzt sind sie wieder verstärkt unterwegs: Erkältungsviren sind mit Vorliebe dort anzutreffen, wo auch ihre „Wirte“ unterwegs sind: In öffentlichen Verkehrsmitteln, im Supermarkt oder in der Bürobesprechung. Viren sind sehr erfinderisch, wenn es darum geht, neue „Gebiete“ zu erobern: Sie heften sich an Türschnallen, Haltegriffe, an Plastik jeglicher Art – und mit Passion auf die Handoberfläche. Eine unachtsame Berührung der Nasenschleimhaut oder der Verzehr von Nahrung mit ungewaschenen Händen genügt, und schon gelangen sie über Mund und Nase in den Körper.
Erwachsene haben im Schnitt dreimal im Jahr mit einer Verkühlung zu kämpfen, Kinder sind im Mittel fünf- bis achtmal betroffen. Wie man die lästigen Viren wirkungsvoll in den Griff bekommt…
Die gängigsten 7 Erkältungsmythen
1. „Das kalte Wetter ist schuld.“
Nein, Viren sind die Erreger von Erkältungen. Bei Kälte verringert sich die Durchblutung der Schleimhäute, wodurch weniger Abwehrzellen in die Atemwege gelangen und die Viren nicht effektiv genug bekämpft werden.
2. „Antibiotika helfen immer.“
Falsch. Antibiotika hemmen lediglich das Bakterienwachstum, den Erkältungsviren können sie nichts anhaben. Nur bei wenigen grippalen Verkühlungen kommt es zusätzlich zu einer bakteriellen Infektion, bei der eine Antibiotika-Einnahme Sinn machen würde.
3. „Die Grippeimpfung schützt auch vor Erkältungen.“
Bedauerlicherweise nicht, sie hilft nur gegen die Influenza, die „echte“, aber oft schwere Grippe. Dass die Influenza-Viren zugeschlagen haben, merkt man an hohem Fieber und deutlich ausgeprägten Gliederschmerzen.
Gegen die über 200 verschiedenen viralen Erreger, die Erkältungen – einen viralen Infekt – hervorrufen, wurde noch kein Impfstoff entwickelt.
4. „Nach einer Erkältung ist man gegen alle weiteren immun.“
Schön wär’s. Es gibt einfach zu viele verschiedene Erkältungsviren. Sie verändern obendrein immer wieder ihre Oberflächenstrukturen, sodass die Gedächtniszellen des Immunsystems sie nicht mehr erkennen können.
5. „Viel Vitamin C verhindert Infekte.“
Auch diese Ansicht ist falsch, obwohl das Vitamin für unsere Abwehr sehr wichtig ist. 100 Milligramm täglich (z.B. 1 Glas Orangensaft oder 2 Kiwis) genügen, denn der Körper scheidet Vitamin-C-Überschüsse mit dem Harn wieder aus.
6. „Eine Erkältung schwitzt man in der Sauna aus.“
Lieber nicht, denn die Hitze überlastet den Kreislauf. Zur Vorbeugung eignet sich das Saunieren aber hervorragend: Das warm-kalte Wechselspiel verbessert die Durchblutung auch im Nasen-Rachen-Raum und sorgt damit für ein Plus an Abwehrzellen vor Ort.
7. „Hühnersuppe macht schneller gesund.“
Ja – wenn sie frisch gekocht wurde. In hausgemachter Hühnersuppe steckt entzündungshemmendes Cystein, das auch die Schleimhäute abschwellen lässt. Außerdem kann das reichlich enthaltene Zink die Dauer einer Erkältung verkürzen.
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Wehrhaftes Immunsystem
Unser Immunsystem agiert als äußerst effektive „Körperpolizei“. In einem komplexen Zusammenspiel von bestimmten Blutzellen und Proteinen schützt es uns vor Fremdstoffen, Entartungen der Zellen und Krankheitserregern.
Denn eigentlich haben Viren es schwer: Sie müssen gleich mehrere Verteidigungslinien des Körpers durchbrechen, um uns krank zu machen:
Barriere Nummer eins:
Sie besteht aus Haut und Schleimhäuten, viele potenzielle Eindringlinge scheitern bereits daran. Man denke etwa an den extremen pH-Wert der Magensäure, die Keime in der Nahrung zersetzt oder an die Flimmerhärchen der Nase, die fremde Substanzen postwendend nach außen befördern. „Zudem enthalten etliche abgesonderte Sekrete wie Schweiß oder Tränenflüssigkeit keimabtötende Enzyme“, sagt Univ. Prof. Dr. Martha Eibl, Fachärztin für Immunologie in Wien.
Gelingt es den Erregern dennoch, den ersten Schutzwall zu überwinden, so werden sie in den meisten Fällen innerhalb weniger Minuten bis Stunden von einer Reihe bestimmter Abwehrzellen vernichtet.
Barriere Nummer zwei:
Über die zweite immunologische Barriere sagt Martha Eibl: „Dazu zählen sogenannte Phagozyten sprich Monozyten bzw. Makrophagen und Granulozyten, die alles Körperfremde aufspüren und unschädlich machen können, indem sie es buchstäblich auffressen. Dabei entsteht mitunter eine Entzündung, die anzeigt, dass das Abwehrsystem aktiv ist.“
Da Granulozyten sämtliche Eindringlinge wahllos angreifen, spricht man von unspezifischer Abwehr. Sie agiert jedenfalls erstaunlich schnell: Nur zehn Prozent aller Krankheitserreger schaffen es, auch diese zweite Verteidigungslinie zu durchdringen.
Barriere Nummer drei:
Die dritte spezifische Abwehr funktioniert dann folgendermaßen: „Beispielsweise töten Killerzellen bereits infizierte Zellen, um die Vermehrung von Viren zu unterbinden. Eine andere Art Abwehrzellen, B-Zellen und Plasmazellen, produzieren Antikörper, die wie ein Schlüssel zum Schloss zu einem bestimmten Erregertyp passen, sich an ihn binden und ihn dadurch unschädlich machen. Gedächtniszellen wiederum bleiben für einen späteren Kontakt mit dem Erreger erhalten und können ihn dann schneller bekämpfen“, schildert Immunologin Martha Eibl das vielschichtige Geschehen in seinen Grundzügen.
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Was dem Immunsystem Energie raubt …
Neben Rauchen, Stress und ungenügendem Schlaf hat sich auch Zucker als ernstzunehmender Gegner einer intakten Immunabwehr erwiesen. Insbesondere der vielen Süßigkeiten, Limonaden und – selbst pikanten – Fertigprodukten zugesetzte Maissirup lässt im Körper schädliche Stoffwechselprodukte entstehen, die die Abwehr nachweislich schwächen. Dr. Sonja Schwinger, Ärztin für ganzheitliche Medizin in Wien: „Der Kontakt mit Keimen ist gerade in der Grippezeit kaum vermeidbar. Jedoch lösen häufig nicht die Keime, sondern das Milieu, auf das sie treffen und das ihnen die Ausbreitung ermöglicht, die Erkältung aus.“
Wie neuere Forschungen gezeigt haben, wird das Immunsystem großteils über den Darm gesteuert. Daher liegt es nahe, die Ursachen insbesondere von immer wiederkehrenden Infekten im Verdauungstrakt zu suchen. „Die Einnahme von Antibiotika beeinträchtigt das sensible Mikrobiom nachhaltig, was eine Negativspirale in Gang setzt: je mehr Infekte, desto mehr Antibiotika werden eingenommen und umso mehr Infekte entstehen wieder. Verschiedene Pilze, vor allem Candida-Arten, breiten sich aus, schützende Bakterienarten wie Laktobazillen oder Bifidusbakterien werden dagegen in ihrem Wachstum gehemmt“, führt Dr. Schwinger aus.
Schonkost für den Darm
Leider ist der Körper nicht in der Lage, das veränderte Milieu von alleine wieder auszugleichen. In diesem Fall kann eine Unterstützung der Darmflora samt begleitender individueller Schonkost die natürliche Balance wiederherstellen. „Dabei werden die Pilze eliminiert, fehlende Darmbakterien durch sogenannte Probiotika zugeführt und mangelnde Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente sowie essenzielle Fettsäuren ergänzt“, sagt die Ganzheitsmedizinerin.
… und was ihm Kraft spendet
Wie kommt man nun gut gerüstet durch die Grippezeit? Erwartungsgemäß liegt das Geheimnis auch in der Vorsorge. „Sanftes Ausdauertraining wirkt sich positiv auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber Erkältungskrankheiten aus, weil mehr Killerzellen gebildet werden“, sagt Immunologin Martha Eibl. Walken, Laufen, Radfahren und Schwimmen sind besonders geeignete Sportarten.
Wenn das Training im Freien stattfindet, umso besser, denn das natürliche in Maßen genossene Sonnenlicht steigert Vitalität und Wohlbefinden, es kurbelt außerdem die Produktion von Vitamin D und antibakteriell wirkenden Botenstoffen an.
Grünes fürs Immunsystem
Vitamine und Mineralstoffe wirken am besten, wenn sie leicht gegart werden. Außerdem kann der Körper ohne Eiweiß weniger Immunzellen bilden, weshalb einfache Gerichte mit günstiger Proteinzusammensetzung öfter auf den Tisch kommen sollten.
„Bringen Sie mit einer ausgewogenen gesunden Mischkost aus grünem Blattgemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide, Nüssen, Milchprodukten und Geflügel Abwechslung auf den Teller“, rät die Expertin.
Trinken für die Schleimhäute
Beispiele für die richtige Getränkeauswahl zur Schleimhautbefeuchtung sind etwa mit heißem Wasser verdünnter Birnensaft oder warmer ungesüßter Tee.
Auf Sprudelndes bei feucht-kalter Witterung dagegen verzichten, weil Kohlensäure die Schleimhäute zusätzlich reizt.
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Wenn Husten und Schnupfen nicht besser werden
Ständig verschnupft? Der Husten dauert schon wochenlang an? Es könnte auch eine Allergie dahinter stecken. Denn eine sogenannte allergische Rhinitis und ein grippaler Infekt äußern sich in sehr ähnlicher Form. Mögliche Beschwerden sind z.B. Fließschnupfen, Kratzen im Hals, Niesreiz, rote Augen, Beschwerden beim Atmen, Husten und Müdigkeit:
- Anzeichen für eine Erkältung sind häufig Kopfschmerzen, kratzender Hals, geschwollene Lymphknoten oder auch erhöhte Temperatur. Der Erkältungsschnupfen ist oft dickflüssig und gelblich.
- Eine Allergie mit Beteiligung der Atemwege hingegen tritt saisonal bedingt zu bestimmten Zeiten oder sehr oft auch nach dem Kontakt mit Tieren bzw. gewissen Lebensmitteln auf. Typisch dafür ist auch ausgeprägter Juckreiz an Nase und Auge. Niesattacken setzen ein, sobald man mit dem Allergen in Kontakt kommt. Der Ausfluss ist dabei wässrig und klar.
Nach sechs bis spätestens acht Wochen sollte ein akuter Virusinfekt abgeklungen sein. Wenn nicht, könnten eine Allergie bzw. eine andere Erkrankung das Immunsystem schwächen.
Buchtipp:
Döll,
Lebenselixier Vitalstoffe
Vitamine, Spurenelemente & Co.
ISBN 978-3-99052-102-1
128 Seiten, € 14,90
Verlagshaus der Ärzte
Stand 12/2018