Bis vor acht Jahren war sie das Gesicht der Nachrichtensendung ZIB des ORF. Seither leitet die promovierte Kommunikationswissenschafterin und Journalistin das „Jüdische Museum Wien“. Im Gespräch mit MEDIZIN populär erzählt die 60-Jährige, woraus sie Kraft schöpft, wie sie sich entspannt, was sie als ihren bisher größten Erfolg als Museumsdirektorin betrachtet und wie das Jüdische Museum in Wien das Gedenkjahr 2018 würdigt.
– Von Mag. Sabine Stehrer
MEDIZIN populär
Frau Direktor Spera, das heurige Jahr 2018 ist ein mehrfaches Gedenkjahr. Unter anderem wird des ‚Anschlusses‘ Österreichs an das Deutsche Reich und des Novemberpogroms 1938 gedacht. Wie wird das Jahr vom Jüdischen Museum gewürdigt?
Danielle Spera
Wir planen ein permanentes einheitliches Lichtzeichen an den Standorten der 1938 zerstörten Wiener Synagogen, das im November anlässlich des Gedenkens an das Novemberpogrom der Öffentlichkeit übergeben werden soll. Schon ab Mitte Mai und bis Oktober werden wir außerdem die Ausstellung ‚Verfolgt.Verlobt.Verheiratet.‘ über Scheinehen zeigen, ein Porträt von Wiener Jüdinnen, für die es 1938 die letzte Rettung bedeutete, eine Scheinehe mit einem Mann einzugehen, der ausländischer Staatsbürger war. Diese Ehen wurden auf dem Papier gegen Bezahlung oder aus Solidarität geschlossen, sie brachten im Leben der meisten Frauen eine entscheidende Wende. Dennoch haben später nur wenige Frauen über ihre Scheinehe gesprochen, deshalb ist dieses Thema auch lang unerforscht und unbekannt geblieben.
Warum sollte man das Jüdische Museum sonst noch unbedingt besuchen?
Noch bis Anfang Mai zum Beispiel wegen unserer Ausstellungen über Helena Rubinstein, einer Pionierin des weiblichen Unternehmertums, sowie ‚Genosse.Jude.‘ zum Thema Juden und Kommunismus. Aber auch wegen unserer Dauerausstellungen, die auf spannende Art und Weise jüdisches Leben in Wien in der Vergangenheit und Gegenwart porträtieren. Sie informieren auch über die Wiener Ringstraße, die jüdischen Wiener Kaufhäuser und über jüdische Traditionen.
Sie haben ja neben dem Museum noch weitere Funktionen,
unter anderem als Präsidentin des „International Council of Museums“ (ICOM) Österreich, der größten heimischen Organisation der Museen und Museumsfachleute – und haben bestimmt oft lange Arbeitstage.
Wie entspannen Sie sich danach?
Durch Gespräche mit meinem Mann und unserer Tochter Deborah, wobei wir den Tag reflektieren.
Viele entspannen sich auch durch Sport …
Auch Sport ist ein gutes Mittel zur Entspannung. Ich laufe gern, bisher bin ich heuer nur leider nicht viel dazu gekommen, aber im Prinzip habe ich mir wieder vorgenommen, wie jedes Jahr am ‚Österreichischen Frauenlauf‘ teilzunehmen. Da laufe ich mit meinen Freundinnen und wir motivieren einander. Es ist wunderbar, wenn man das gemeinsam erleben kann. Wir genießen es und schöpfen viel Kraft daraus.
Haben Sie sich für den Lauf ein Ziel gesetzt, etwa die zehn Kilometer unter einer Stunde zu laufen?
(lacht) Nein, mir ist es nicht wichtig, wie schnell ich laufe, beim Laufen strebe ich nicht nach Herausforderungen, weil ich Sport ja eben eher als Ausgleich zum fordernden Berufsleben sehe.
Wie wichtig ist Ihnen gesunde Ernährung?
Sehr wichtig, das habe ich auch meinen Kindern mitgegeben. Ich selbst esse kein Fleisch.
In Ihrer Zeit beim ORF wurden Sie gleich zweimal mit der ‚Romy‘ als beliebteste Moderatorin ausgezeichnet. Wohl viele finden es schade, dass Sie nicht mehr im Fernsehen zu sehen sind: Warum haben Sie eigentlich den Posten als Museumsdirektorin übernommen?
Weil mich dieses Museum schon seit seiner Wiedergründung 1988 interessiert hat und ich es als eine große Aufgabe sah und sehe, dem Museum den Stellenwert zu geben, den es verdient.
Was waren die bisher größten Erfolge, die Sie als Museumsdirektorin erzielt haben?
Es ist gelungen, das Museum in das 21. Jahrhundert zu führen, es in jeder Beziehung zu öffnen. Ein weiterer großer Erfolg war der Besuch von Prinz Charles und Herzogin Camilla, die 2017 zu uns kamen, weil sie an einem unserer Programme für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten interessiert waren. Und ganz besonders freuen wir uns auch über eine wunderbare Schenkung, die wir im Jänner erhalten haben: das Archiv der Familie des außergewöhnlichen britischen Keramikkünstlers Edmund de Waal. Dieses besteht aus Dingen, die die Ephrussis, eine jüdische Bankiersfamilie, die unglaublich viel zur Wiener Gründerzeit beigetragen hat, noch nach ihrer Enteignung durch die Nazis aus Wien retten konnten.
Welches Objekt im Museum ist Ihnen persönlich wichtig?
Ein wunderbares Objekt unter den Tausenden interessanten, die wir im Museum zeigen, ist zum Beispiel das Fahrrad des bekannten jüdischen Journalisten Theodor Herzl. An sich ist mir aber das ganze Museum am Judenplatz in Wien als wichtigster jüdischer Ort der Stadt sehr wichtig, da es die Fundamente der 1421 nach der damaligen Vertreibung und Ermordung der Wiener Juden zerstörten Synagoge beinhaltet und damit an die ganz besondere Geschichte der Juden im Mittelalter erinnert.
Welche Pläne haben Sie mit dem Jüdischen Museum für die nächste Zeit?
Wir möchten und werden die erwähnte großartige Schenkung mit Dingen der Familie Ephrussi präsentieren. Außerdem planen wir eine Ausstellung über die Geschichte der Wiener Juden im Mittelalter, die auf den neuesten Forschungsergebnissen basiert.
Kurz & Persönlich
- Familienstand: verheiratet mit dem Psychoanalytiker und Politiker Dr. Martin Engelberg; zwei Töchter, Rachel und Deborah; ein Sohn, Sammy
- Lieblingsort: Mir gefällt – auch im Urlaub – jeder Ort, an dem ich mit meiner Familie zusammen sein kann
- Hobbys: Kunst, Musik, Laufen
- Lieblingsessen: Pasta
- Lieblingsgetränk: Sodawasser
- Lieblingsmusik: hängt von der Stimmung ab
- Lieblingsautor: Joseph Roth, Stefan Zweig und viele andere
Webtipps:
Informationen über das Jüdische Museum Wien:
www.jmw.at
Informationen über das Gedenkjahr 2018:
www.oesterreich100.at
Stand 04/2018