Lieber mit Linsen?

Juli 2020 | Medizin & Trends

Viele wollen nicht, dass Brillen ihren Augen die Show stehlen und bevorzugen daher Kontaktlinsen. Welcher Typ Linse für welches Auge passt.
 
– Von Mag. Andrea Krieger

Beinahe 50 Jahre sind Kontaktlinsen bereits am Markt. Nicht zuletzt dank Neuerungen wie färbigen Haftschalen und Einmallinsen erfreut sich der diskrete Kunststoff-Sehbehelf über der Hornhaut größerer Beliebtheit denn je, vor allem beim Sport, in der Sauna oder am Strand brillieren Linsen.
Weitere Vorteile: Das Sichtfeld wird nicht durch eine Brillenfassung eingeschränkt. Außerdem verkleinern Linsen das Bild weit weniger als Augengläser. Das ist vor allem bei starker Fehlsichtigkeit von Vorteil.
Allerdings kann man mit Haftschalen auch leichter etwas falsch machen und das kann dann im sprichwörtlichen Sinn ins Auge gehen. Welcher Typ Linse eignet sich für wen? Wann sollte man besser die Finger davon lassen?

Kontaktlinsen von früh bis spät

Formstabile, im Volksmund auch „harte“ Kontaktlinsen genannt, sind die unangefochtenen Stars. „Formstabile Kontaktlinsen haben wie eh und je ihre Existenzberechtigung“, sagt die Wiener Augenärztin Dr. Gabriela Seher. „Viele tragen sie seit ihrer Jugend von früh bis spät. Und es sind in der Regel die zufriedensten Linsenträger.“ Seher, auch Vorsitzende der Vereinigung Kontaktlinsen anpassender Augenärzte der Österreichischen Ophtalmologischen Gesellschaft, begründet das so: „Formstabile Kontaktlinsen garantieren stabil gutes Sehen, da sie neben Kurz- und Weitsichtigkeit auch Unschärfen durch Hornhautverkrümmungen gut ausgleichen. Außerdem sind sie gesund, weil sie für einen beständigen Austausch des Tränenfilms sorgen. Man kann sie 16 Stunden am Tag tragen. Und dass sie immerhin zwei Jahre halten, macht sie obendrein zu einer kostengünstigen Variante.“

Der Haken: Nicht jeder verträgt sie und man muss sich daran gewöhnen. Zu Beginn tritt ein irritierendes Fremdkörpergefühl auf. Ist es erträglich, nicht mit Schmerzen verbunden und lediglich auf die ersten Wochen beschränkt, passen harte Linsen perfekt zu all jenen, die nur ausnahmsweise zur Brille greifen wollen.

Bequemlichkeit für Kombinierer

Weiche Linsen wiederum sind im Trend. „Aus gutem Grund“, sagt Seher. Die starke Nachfrage hat etwa damit zu tun, dass sie als Tageslinsen, 14-Tage-Linsen oder Monatslinsen fixfertig im Handel erhältlich sind. Obendrein vermitteln sie sofort ein angenehmes Tragegefühl und sind daher ideal für jene, die nur ab und zu, zum Sporteln oder abends zum Ausgehen, Linsen nehmen wollen.

Allen anderen sagen Kontaktlinsen-Ärzte wie Seher mit Nachdruck: „Bitte allerhöchstens zwölf Stunden am Tag tragen und ein- bis zweimal pro Woche pausieren!“ Viele halten sich jedoch nicht daran und riskieren gerötete Augen. Das liegt an der mangelnden Sauerstoffdurchlässigkeit. Durch moderne Materialien wie Silikonhydrogel hat sich diese zwar erhöht, dennoch kann es bei zu langer Tragedauer und fehlerhafter Anpassung zu Sauerstoffmangelerscheinungen wie Hornhautschäden kommen. Speziell bei farbigen Haftschalen zur Änderung der Augenfarbe war es um die Sauerstoffdurchlässigkeit bisher oft schlecht bestellt. „Mittlerweile gelten glücklicherweise strengere EU-Richt­linien für Herstellung und Verkauf“, sagt Seher.

Empfindliche weiche Linsen

Der Knackpunkt bei weichen Linsen ist ihre große Empfindlichkeit. „Dem falschen Gebrauch sind so gut wie keine Grenzen gesetzt“, erzählt Seher aus ihrer Praxis. Prinzipiell gilt: Um die Form zu behalten, saugen sich weiche Kontaktlinsen voll wie ein Schwamm. Außerhalb des Auges passiert das im Linsenbehälter. „Die gängigen All-in-one-Lösungen enthalten allerdings Konservierungsstoffe, auf die so manches Auge empfindlich reagiert.“ Beim Tragen wiederum nehmen die Linsen Tränenflüssigkeit auf, was zu trockenen Augen führen kann. Zudem entstehen mit der Zeit Auf- und Einlagerungen, die je nach Tränenfilm und Umweltbelastung variieren, manchmal schwer zu entfernen sind und die Oberfläche der Linse beschädigen können.

Ein häufiger Anwendungsfehler: „Es kommen immer wieder Patienten, die sich mit ihren 14-Tage- oder Monatslinsen schlafen legen. Dadurch entsteht ein besonders sauerstoffarmes Milieu, Bakterien fühlen sich darin pudelwohl. Dringen die Krankheitserreger in die Hornhaut ein, drohen schwere Infektionen, die letztendlich bis zur Erblindung führen können.“ Für jährlich neun Erblindungen österreichweit sorgen schwere Hornhautinfektionen durch sogenannte Akantamoeben, „Einzeller, die im Wasser vorkommen können. Im Mund sind sie kein Problem, bei weichen Kontaktlinsen aber unter Umständen ein großes. Solch ein Risiko besteht etwa, wenn beim Schwimmen in Badeseen ein Tropfen ins Auge kommt“, erklärt Seher.
Am häufigsten tritt aber eine Bindehautentzündung des Typs Riesenpapillenkonjunktivitis auf. Dabei bilden sich unter dem Oberlid Schwellungen, die Reizungen auf der Hornhaut verursachen können. Augenärztin Seher: „Viele dieser Patienten kommen, weil sie die Linsen bereits längere Zeit nicht mehr vertragen. Dann ist oft schon eine lange Linsenpause nötig.“ Durch regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt ließe sich das verhindern. Denn diese Bindehautentzündung entwickelt sich schleichend.

Ab und zu Linsen tragen

Tageslinsen brauchen keine Pflege – ein Vorteil. Sie sind die erste Wahl, wenn man nur ab und zu Linsen tragen möchte, kommen aber für den täglichen Gebrauch recht teuer. Bei diesen Einmallinsen taucht zudem ein Problem auf, das für alle nicht individuell hergestellten Linsen zutrifft: Es fragt sich, ob die Linse wirklich zum Auge passt. Augenärztin Dr. Elisabeth Sochor-Micheler formuliert es so: „Man könnte es mit einem Einheitsgrößen-T-Shirt vergleichen: Das passt vielleicht 80 Prozent der Benützer gut, dem restlichen Fünftel aber gar nicht.“

Gabriela Seher bringt auch ein Beispiel: „Es ist nicht egal, wie fest die Kontaktlinse am Auge sitzt.“ Auf Kontaktlinsen spezialisierte Augen­ärzte bzw. Optiker vermessen das Auge, prüfen, welches Produkt individuell am besten passt oder lassen, wie bei harten Kontaktlinsen üblich, maßgeschneiderte Haftschalen anfertigen.“ Außerdem kann man bei ihnen das Einsetzen und Herausnehmen unter Anleitung üben.
Handhabungsprobleme sind laut einer deutschen Umfrage unter 940 Brillenträgern immerhin für 36 Prozent der Grund, bei der Brille zu bleiben. Allen voran müssen Augenärzte aber überprüfen: Ist das Auge gesund? Spricht etwas gegen Kontaktlinsen?

Problem trockenes Auge

Jeder zweite bis dritte Augenarztpatient leidet unter trockenen Augen (Sicca-Syndrom). „Beim schweren Sicca-Syndrom sind Kontaktlinsen tabu, sonst kommt es auf die Ursache an“, sagt Seher. Steckt eine Entzündung dahinter, muss diese zuerst behandelt werden. Während einer Allergie werden Linsen temporär schlecht vertragen. Hormonbedingt kann das Auge etwa im Zuge des Wechsels trockener werden. „Lässt sich das Problem mit einem Materialwechsel, einer Neuanpassung, dem idealen Pflegemittel und fallweise Augentropfen nicht in den Griff bekommen, bleibt nur die Brille“, sagt Gabriela Seher. Was sie generell bedauert: „In vielen Fällen würden schon Pausen bei der Bildschirmarbeit helfen. Leider wird dieser ärztliche Ratschlag so wenig befolgt.“
Da viele Linsen einen leichten UV-Schutz enthalten, stellt sich die Frage: Machen Haftschalen lichtempfindlicher? Nein, versichern Seher und ihre Kollegin Sochor-Micheler. Der UV-Schutz ersetze auch keine Sonnenbrille.

Linsen und Alterssichtigkeit

Wenn es um das Thema Alterssichtigkeit geht, wird das Linsentragen schwieriger. Gleitsichtlinsen gibt es wohl. „Aber nicht jeder kommt gut damit zurecht“, erzählt die burgenländische Augenärztin Elisabeth Sochor-Micheler. „Ich kenne Kellnerinnen und Raumpflegerinnen, die hoch zufrieden damit sind. Sitzt man viel vor dem PC, wird es aber schwierig“, so die Burgenländerin, die selbst aus diesem Grund zur Gleitsichtbrille greift. Generell seien insbesondere kurzsichtige Menschen „daran gewohnt, mittels Korrektur sehr scharf zu sehen. Gleitsichtlinsen enttäuschen dann oft“, erzählt die Ärztin aus ihrer Praxis.

Eine mögliche Alternative bietet das Prinzip Monovision oder Ein-Auge-Sehen. Dabei wird die Linse eines Auges für die Nähe und die des anderen für die Ferne eingestellt. „Das klappt oft eine Weile, kann aber am PC zu Problemen führen. Dann ist es Zeit für eine Gleitsichtbrille bei der Arbeit.“

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Kurzsichtigkeit frühzeitig bremsen

Früher hieß es: Herkömmliche harte Kontaktlinsen können das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit eindämmen. „Das hat sich als wissenschaftlich nicht haltbar herausgestellt“, sagt die Wiener Augenärztin Dr. Gabriela Seher. Es gibt allerdings spezielle Linsen, die zur Therapie der Kurzsichtigkeit im Kindes- und Jugendalter zum Einsatz kommen. Allen voran sind das weiche und formstabile Kontaktlinsen mit einem sogenannten „peripheren Defocus“, die am ehesten mit Gleitsichtkontaktlinsen vergleichbar sind. „Sie unterstützen das Sehen in der Nähe, damit man sich nicht so anstrengen muss“, erklärt Augenärztin Elisabeth Sochor-Micheler.

Auch sogenannte Ortho-K-Kontaktlinsen werden erfolgreich eingesetzt. „Es geht dabei um
eine gezielte Veränderung der Hornhautform“, erklärt Augenärztin Seher. Ortho-K-Linsen werden zum Schlafen getragen. Durch die Abflachung der Hornhaut über Nacht sehen die Kinder untertags scharf, auch wird die Kurzsichtigkeit gebremst.

 

Stand 7-8/2020

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