Sehr viele Menschen haben sie: Schilddrüsenknoten. Warum das so ist, wann sie entfernt werden müssen und was danach zu beachten ist.
Von Mag.a Sabine Stehrer
„Sie haben Schilddrüsenknoten“: Wer so eine Diagnose erhält, erhält sie meist durch Zufall. Etwa weil der Hals wegen einer Erkrankung vom Arzt untersucht wird. Oder weil bei einer Vorsorgeuntersuchung über Ultraschall ein Blick auf die Schilddrüse geworfen wird.
Eher selten werden Schilddrüsenknoten entdeckt, weil sie Beschwerden verursachen, weil Blutwerte auf ihre Existenz hindeuten, oder weil sie ertastet werden bzw. sichtbar geworden sind. Ob so oder so: Eine Schilddrüse mit Knoten, von Medizinern „Struma nodosa“ genannt, wird bei sehr vielen Menschen gefunden. Jeder Dritte hat Schilddrüsenknoten und in der Generation 60 plus sogar jeder Zweite.
Jodmangel spielt eine Rolle
Warum Schilddrüsenknoten derart verbreitet sind, weiß Univ.-Doz. Dr. Georg Zettinig, Nuklearmediziner und Betreiber der Schilddrüsenpraxis Josefstadt in Wien, der auch Prä-Präsident der Österreichischen Schilddrüsengesellschaft ist. „Bei der Entstehung von Schilddrüsenknoten spielt Jodmangel eine große Rolle“, sagt er. Und Jodmangel ist zuletzt wieder zum Problem geworden, weil der Trend dahin geht, für das Würzen von Speisen unjodiertes Salz zu verwenden. Wie etwa Gewürzsalz oder Meersalz statt des österreichischen Speisesalzes, das seit 1963 genau deswegen jodiert wird, um Jodmangelerscheinungen zu verringern, zu denen das Wachstum von Schilddrüsenknoten zählt.
Wenn auch der Erfolg des Jodierens des Speisesalzes teils wieder verloren ging, gebracht hat die Maßnahme doch einiges, so Zettinig: „Sehr große Knoten, die zu Kröpfen führen, gibt es heute kaum noch, und die Zahl der bösartigen Schilddrüsentumoren hat sich auch deutlich reduziert, sie finden sich nur noch vereinzelt.“
Ultraschall, Szintigrafie, Punktion
Nur wie geht es weiter, wenn einmal Schilddrüsenknoten entdeckt wurden? Um zu erkennen, ob sie die Gesundheit gefährden können, kann die Ultraschalluntersuchung ausreichen. Stellt sich heraus, dass keine Gefahr besteht, werden die Knoten in regelmäßigen Abständen mit dem bildgebenden Verfahren kontrolliert.
Ergibt es sich, dass eine weitere Abklärung nötig ist, besteht der nächste Schritt in einer sogenannten Szintigrafie, auch ein bildgebendes Verfahren. Dabei wird mithilfe eines leicht radioaktiven Mittels, das injiziert oder als Flüssigkeit eingenommen wird und sich in der Schilddrüse einlagert, der Stoffwechsel der Schilddrüse dargestellt. So wird sichtbar, ob es sich bei Schilddrüsenknoten um heiße oder um kalte Knoten handelt.
Heiße Knoten, die so genannt werden, weil sie in der Szintigrafie in den warmen Farben Rot und Gelb erscheinen, sind zwar so gut wie nie bösartig. Sie produzieren aber unabhängig von hormonellen Regelkreisen Schilddrüsenhormon, was oft eine Schilddrüsenüberfunktion verursacht. Und die kann zu einer ganzen Reihe an Beschwerden führen, weswegen sich eine Behandlung der heißen Knoten empfiehlt. Diese ist medikamentös möglich, erklärt Zettinig: „Konkret mit einer Radiojodtherapie, die in der Einnahme einer kleinen Kapsel mit radioaktivem Jod besteht, das sich in den heißen Knoten anreichert und die Knoten durch die so dort platzierte Beta-Strahlung zerstört.“ Ist diese Therapie nicht machbar, werden heiße Knoten durch eine Operation entfernt.
Kalte Knoten, die so heißen, weil sie in der Szintigrafie blau und lila sind, also kalte Farben haben, bestehen aus Schilddrüsengewebe, das nicht so funktioniert, wie es funktionieren sollte. Sie sind etwas häufiger bösartig. Sind im Ultraschall an kalten Knoten spezielle Veränderungen erkennbar, werden sie nicht mehr nur wiederholt begutachtet, sondern mit einer feinen Nadel punktiert, um so Zellen aus dem Gewebe zu entnehmen, die unter dem Mikroskop untersucht werden. „Bei vielen dieser Gewebeproben wird kein Hinweis auf Bösartigkeit gefunden“, weiß der Grazer Internist und Nuklearmediziner Dr. Wolfgang Buchinger, der aktuell Präsident der Österreichischen Schilddrüsengesellschaft ist. Bei manchen kann Krebs nicht sicher ausgeschlossen werden, nur wenige sind wahrscheinlich oder eindeutig bösartig.
Untersuchung während OP
Bei Bösartigkeit, und wenn Krebs nicht sicher ausgeschlossen werden kann, steht Buchinger zufolge eine OP an. Dabei wird entweder der Schilddrüsenlappen entfernt, in dem sich der Knoten befindet, oder die gesamte Schilddrüse.
Egal, ob nur ein Lappen entnommen wird oder das ganze schmetterlingsförmige Organ: Der Eingriff erfolgt immer unter Vollnarkose und fast immer über einen drei bis fünf Zentimeter großen Schnitt im Halsbereich. Wobei der Eingriff in seltenen Fällen auch minimalinvasiv möglich ist, das Gewebe also über kleine Schnitte entfernt werden kann. Dies neuerdings auch über einen Schnitt an der Unterlippeninnenseite, der ohne sichtbare Narbe verheilt (siehe dazu Interview). Ist das Gewebe herausgeholt, das entnommen werden sollte, wird es meistens während der OP per Schnellschnittdiagnostik untersucht. Je nach Ergebnis kann es erforderlich sein, gleich auch noch die Lymphknoten im Halsbereich zu entfernen, weil sich bereits Krebszellen dort angesiedelt haben könnten.
Mögliche Risiken
Abgesehen von den Risiken, die mit jeder Operation einhergehen, wie Wundinfektionen im Operationsbereich oder Wundheilungsstörungen, hat der Eingriff zur Entfernung von Schilddrüsengewebe laut Buchinger vor allem zwei Risiken: Das eine besteht darin, dass trotz Überwachung während der OP der Stimmbandnerv geschädigt oder verletzt wird. Kommt es dazu, was selten der Fall ist, bleibt eine Heiserkeit zurück, die aber früher oder später von selbst abklingt, wobei sich der Heilungsprozess wenn nötig mit einer entsprechenden Therapie beschleunigen lässt.
Die zweite mögliche, aber sehr seltene Komplikation ist die Verletzung oder irrtümliche Entfernung der Nebenschilddrüsen, was zu Problemen mit dem Kalziumstoffwechsel, auch zu Krämpfen in den Fingern und Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur führen kann. Ist es dazu gekommen, hilft die Einnahme von Kalzium und Vitamin D.
Nach der Operation
Was sonst noch nach dem Eingriff auf die Operierten zukommen kann, hängt davon ab, was die OP notwendig machte: Bestand Schilddrüsenkrebs, folgt auf die Entfernung des Tumors, der restlichen Schilddrüse und manchmal auch der Lymphknoten meistens eine Radiojodtherapie, was nahezu immer zur Heilung führt.
Wurde die Schilddrüse aufgrund eines Tumors oder aus anderen Gründen zur Gänze entfernt, ist täglich und lebenslang das künstliche Schilddrüsenhormon Levothyroxin in Form von Tabletten einzunehmen. Es ersetzt die Aufgaben der Schilddrüse bei richtiger Dosierung gänzlich und nebenwirkungsfrei.
Die Einnahme des Hormons kann aber auch nach einer teilweisen Entfernung nötig sein. So oder so muss dann regelmäßig, meist einmal jährlich, über einen Bluttest überprüft werden, ob die Menge an Hormon noch die passende ist. Zusätzlich wird das Areal, in dem sich die Schilddrüse befand, oder wo sich noch Reste des Organs befinden, mit Ultraschall kontrolliert, um festzustellen, ob sich eventuell neuerlich Knoten gebildet haben.
Vorbeugen mit Jod
Dem neuerlichen oder erstmaligen Wachstum von Schilddrüsenknoten lässt sich aber auch vorbeugen, sagt Georg Zettinig und empfiehlt, dafür darauf zu achten, „über die Nahrung ausreichend Jod zu sich zu nehmen“. Das funktioniert schon über das Würzen des Essens mit jodiertem Speisesalz oder das Speisen von Jodreichem wie Meeresfisch.
Knoten durch Autoimmunreaktion
Auch das trägt dazu bei, dass Schilddrüsenknoten verbreitet sind: Die Schilddrüsenkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis trat zuletzt häufiger auf. Sie geht auf eine Autoimmunreaktion zurück, also eine Fehlsteuerung des Immunsystems, und führt zu einer Schilddrüsenfehlfunktion, die mit der Bildung von Knoten einhergehen kann.
Wann jodarm essen?
Wurden heiße Schilddrüsenknoten entdeckt, die zu einer Schilddrüsenüberfunktion führen können, und geht es darum, deren weiterem Wachstum vorzubeugen, sollte übermäßige Jodaufnahme über Nahrungsmittel vermieden werden. Außerdem heißt es, Nahrungsergänzungsmittel zu meiden, die Jod enthalten, und auf Desinfektionsmittel zu verzichten, die jodhaltig, also braun sind. Vor einer Computertomografie muss die Schilddrüse außerdem durch die Einnahme bestimmter Tropfen blockiert werden.
Schilddrüsen-OP ohne Narbe
Noch neu ist eine Schilddrüsen-OP ohne Narbe. Prim. Prof. h.c. Univ.-Doz. Dr. Helmut Weiss, MSc, F.E.B.S vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg-Stadt erklärt, wann sie in Frage kommt und wie sie abläuft.
MEDIZIN populär: Herr Primar Weiss, bei welchen Schilddrüsenerkrankungen ist die noch neue OP-Methode ohne Narbe möglich?
Die OP, die bei uns am Krankenhaus im Jahr 2021 weltweit erstmals durchgeführt und inzwischen weiterentwickelt wurde, ist bei Vergrößerungen der Schilddrüse oder der Nebenschilddrüsen mit oder ohne Knotenbildung möglich. Der Querdurchmesser der Knoten sollte allerdings nicht größer als drei, vier Zentimeter sein. Was unsere Patienten anbelangt, trifft das bei etwa einem Viertel bis zu einem Drittel zu.
Ist die OP auch möglich, wenn festgestellt wurde, dass es sich bei einem Knoten um einen bösartigen Tumor handelt?
In diesem Fall wird herkömmlich, also mit einem Schnitt am Hals operiert, da dann auch eine Entnahme der Lymphknoten im Halsbereich nötig ist.
Wie läuft die Operation ab?
Es wird ein kleiner Schnitt von etwa zwei Zentimetern Länge an der Unterlippeninnenseite gesetzt. Mit der Hilfe eines Kamerasystems, das alle wichtigen umgebenden Strukturen wie Muskeln, Nerven, Gefäße und Lymphknoten stark vergrößert darstellt, und mit Spezialfärbungen, die noch zusätzliche Sicherheit geben, wird das Gewebe entfernt.
Wie verheilt der Schnitt an der Unterlippe?
Die Schleimhautöffnung an der Innenseite der Unterlippe verheilt optisch narbenfrei innerhalb von drei bis vier Tagen. Da auf zusätzliche Schnitte verzichtet werden kann, gibt es an der Haut keine sichtbare Narbe.
Welche Vorteile hat die Operation noch?
Eine Narbe ist nicht nur ästhetisch relevant, sondern kann auch zu Beschwerden führen, etwa wenn die Heilung gestört ist oder eine Bewegungsstörung vorliegt. Bei der narbenfreien OP hingegen wird durch das Kamerasystem das OP-Gebiet 20-fach vergrößert. Dadurch lassen sich kritische Strukturen besser erkennen. Und der geänderte OP-Winkel schafft eine günstigere Darstellung der Stimmbandnerven. Hinsichtlich der Kontrolle der Funktion des Stimmbandnervs ergeben sich aber keine Vorteile gegenüber der herkömmlichen OP-Methode.
Was ist, wenn das zu entfernende Gewebe größer ist als gedacht?
Gegebenenfalls kann man dann die schonende OP über die Unterlippe trotzdem durchführen und das Präparat an der Haargrenze hinter dem Ohr bergen.