Nie wieder Zahnweh!

Juli 2022 | Medizin & Trends

Zahnschmerzen kennt jeder. Wodurch sie häufig verursacht werden und wie man sie rasch wieder loswird.
 
– Von Mag.a Sabine Stehrer

20 Milchzähne haben Kinder normalerweise, je zehn im Ober- und Unterkiefer. Meist 32, je 16 oben und unten, haben Erwachsene. Macht 52 Zähne, die uns zwar das Essen und Genießen fester Nahrung ermöglichen, aber auch mindestens einmal im Leben an Schmerzen leiden lassen. Nämlich dann, wenn sie durch das Zahnfleisch durchbrechen.

Zahnschmerzen kennt also jeder. Und die Wahrscheinlichkeit, in der einen oder anderen Ausprägung immer wieder einmal ihre unliebsame Bekanntschaft zu machen, ist hoch. Denn so wie das Zahnfleisch beim Zahndurchbruch können aus verschiedenen Gründen auch etliche andere Bestandteile des Gebisses schmerzen. Wie die Zahnwurzeln etwa, die die Zähne im Mund halten oder die Kiefer, in denen die Zähne verankert sind. Und neben den Teilen des Zahnhalteapparats sind da schließlich noch die Zähne an sich, die wehtun können.

Was, abgesehen vom Durchbruchsschmerz, der mit speziellen Gelen gut gelindert werden kann, die fünf häufigsten Ursachen für ein „Aua“ im Mundraum sind. Was hilft, wenn es schmerzhaft pocht, sticht, zieht oder blitzartig einfährt, erklärt im Folgenden die Welser Zahnärztin Dr.in Marlene Schmidinger-Mostegel MSc, MA.

„Aua“ wegen Zahnkaries

Darauf gehen die weitaus meisten Zahnschmerzen zurück: auf Zahnkaries. Karies entsteht, wenn Bakterien im Zahnbelag Zucker aus der Nahrung in Säure umwandeln.

Die Säure zerstört den Zahnschmelz, was sich zunächst in weißen bis braunen Flecken zeigt. Wird nichts gegen die Karies unternommen, durchdringt die Säure fru?her oder später den Zahnschmelz. Und mit dem Loch im Zahn fängt meist das Zahnweh an, zunächst leicht ziehend, sich allmählich verstärkend.

Das hilft: „Die Karies wird entfernt, und auf den Defekt am Zahn wird eine Füllung gesetzt“, sagt Schmidinger-Mostegel. Damit gehören die kariesbedingten Schmerzen der Vergangenheit an.

„Aua“ wegen Zahnnervenentzündungen

Sie sind eine weitere häufige Ursache für Zahnschmerzen: Zahnnervenentzündungen. Dazu kommt es, wenn Zahnkaries länger unbemerkt bleibt, tiefer in den Zahn bis zum Zahnnerv und zur Zahnwurzelspitze im Kieferknochen vordringt und diese entzündet. Das „Aua“ besteht dann in sehr starken, pochenden Schmerzen, die oft noch dazu in den gesamten Kiefer und Kopf ausstrahlen.

Das hilft: „Zahnwurzelentzündungen können mit einer Wurzelkanalbehandlung in den Griff bekommen werden“, erklärt Schmidinger-Mostegel. Nach der Behandlung lassen die Schmerzen zwar deutlich nach, der Zahn kann aber noch ein paar Tage lang wehtun.

„Aua“ wegen Zahnfleischentzündungen

Auch sie sind verbreitet und führen oft zu Schmerzen im Mundraum: Zahnfleischentzündungen, Gingivitis genannt, und Parodontitis, Entzündungen, die sich über das Zahnfleisch hinaus in anderes Gewebe verbreiten, den Zahnzement, das Zahnfach und die Wurzelhaut.

Gingivitis und Parodontitis werden durch Bakterien im Zahnbelag und Zahnstein verursacht, die das Zahnfleisch und Zahngewebe infizieren.

Anfangs bereitet die Infektion kaum Schmerzen und führt höchstens zu etwas Zahnfleischbluten. Bleibt sie daher unbemerkt und länger unbehandelt, kann die Entzündung auf den gesamten Zahnhalteapparat übergreifen, auch stechende oder ziehende Schmerzen auslösen und letztlich Zahnverlust zur Folge haben.

Das hilft: „Bei Gingivitis helfen eine professionelle Mundhygiene und die Entfernung von Zahnstein, bei einer Parodontitis wird zusätzlich eine Reinigung der Zahntaschen durchgeführt“, so Schmidinger-Mostegel.
Meist außerdem nötig: eine Anleitung zur täglichen Reinigung der Zähne und des Mundraums, angepasst an die individuellen Gegebenheiten.

„Aua“ wegen Zahnempfindlichkeit

Sie führen häufig zu Schmerzen, die blitzartig in den Zahn einfahren: Hypersensibilitäten, also besondere Empfindlichkeiten beim Essen oder Trinken kalter, heißer, auch süßer Speisen und Getränke, bedingt durch freiliegende Zahnhälse.

Dass die Zahnhälse freiliegen, kann verschiedene Ursachen haben. Oft steckt eine falsche Putztechnik dahinter, bei der der Zahnschmelz am Zahnfleischrand über die Jahre sozusagen weggeputzt wurde. Auch Zahnfleischentzündungen, nächtliches Zähneknirschen oder das Altern lassen das Zahnfleisch schwinden und führen zu den schmerzhaften Empfindlichkeiten.

Das hilft: Schmidinger-Mostegel: „Freiliegende Zahnhälse können durch Füllungen abgedeckt werden, dadurch sind die Zähne nicht mehr empfindlich, und die Schmerzen bleiben aus.“ Je nach Ursache kann eine weitere Therapie nötig sein, um das „Aua“ bedingt durch Zahnempfindlichkeit zu bekämpfen.

„Aua“ wegen Zahnbruchs

Auch dazu kommt es des Öfteren, meist bei Unfällen: zu einer Zahnfraktur, also dazu, dass ein Zahn zu einem Teil oder zur Gänze abbricht. Und da bei einem Zahnbruch fast immer der Zahnnerv in Mitleidenschaft gezogen wird, führt der Bruch sehr oft zu sehr starken, ziehenden Schmerzen, es kann auch zu einer Blutung kommen.

Das hilft: „Eine Zahnfraktur wird entweder mit großen Füllungen oder mit Zahnkronen versorgt, und geht der Bruch mit einer Schädigung am Zahnnerv einher, ist auch eine Wurzelkanalbehandlung nötig“, sagt Schmidinger-Mostegel.

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Aua! – Wie Zahnschmerzen vorgebeugt werden kann

Der Vorbeugung von Zahnschmerzen dienen die folgenden fünf Maßnahmen:

  1. Sich ausgewogen und gesund ernähren, zu viel Zucker meiden, den Zähnen zwischen den Mahlzeiten Erholung geben und am besten jeweils vier Stunden zwischen Mahlzeiten pausieren.
  2. Täglich zweimal mit mindestens 15 Minuten Abstand zum Essen und Trinken drei Minuten lang die Zähne putzen, dabei die Vorderfront und die Hinterseite immer nur vom Zahnfleisch ausgehend zur Zahnspitze bürsten. Außerdem die Zunge putzen und einmal täglich mit Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürsten die Zahnzwischenräume säubern. Auch gut: Mundspülungen mit antibakterieller Wirkung.
  3. Wenn Zahnschmerzen oder andere Beschwerden wie Kiefergelenksschmerzen auftreten, den Zahnarzt aufsuchen.
  4. Auch bei Beschwerdefreiheit zweimal jährlich zur Kontrolle zum Zahnarzt gehen.
  5. Den jeweiligen Empfehlungen des Zahnarztes folgend ein- bis dreimal jährlich eine professionelle Mundhygiene durchführen lassen.

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Wenn der Kiefer schuld ist

Was dann hilft, wenn der Kiefer schuld an Zahnschmerzen ist, weiß der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kieferorthopädie und Direktor der Universitätsklinik für Kieferorthopädie an der Zahnklinik Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Adriano Crismani.

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Herr Prof. Crismani, kann der Kiefer Zahnschmerzen verursachen?

Univ.-Prof. Dr. Adriano Crismani

Genauso wie Schmerzen, die vom Zahn ausgehen, in den Kiefer ausstrahlen können, geht es umgekehrt. Das heißt, Schmerzen, die ihren Ursprung in der Kiefermuskulatur oder in den Kiefergelenken haben, können als Zahnschmerzen empfunden werden. Oft ist es aber auch so, dass Schmerzen im Mundraum nicht genau lokalisiert werden können, vor allem dann, wenn sie stark sind.

Warum können die Kiefermuskulatur oder die Kiefergelenke und gefühlt dann auch die Zähne wehtun?

Häufig kommt es aufgrund von Verspannungen der Muskulatur oder Abnützungserscheinungen der Gelenke zu den Schmerzen. Beides entsteht meistens durch unbewusste nächtliche Aktivitäten der Kaumuskulatur, die zu einem Aufeinanderpressen der Zähne und zum Zähneknirschen führen. Da können dann in der Früh beim Beißen auch tatsächlich die Zähne wehtun.

Wird nichts gegen das Problem, Bruxismus genannt, unternommen, geht durch die Aktivitäten das Zahnfleisch langsam zurück, und die Zähne Kriegen lange, schmerzempfindliche Hälse. Außerdem kann es zu Verletzungen des Zahnschmelzes, zu Mikrobrüchen, bis hin zum Zahnbruch kommen, der höllisch wehtut.

Was hilft da?

Gegen das Problem hilft das Tragen einer angepassten Kunststoffschiene entweder auf der oberen oder der unteren Zahnreihe. Die Schiene balanciert Störungen bei der Okklusion, also dem Zusammentreffen der beiden Zahnreihen, aus und sie schaltet das Knirschen aus.

Begleitend sollten Betroffene eine Physiotherapie in Anspruch nehmen und einmal auf Youtube schauen, welche Übungen dort vorgezeigt werden, die dem Kieferapparat guttun. Wer diese täglich macht, kann
damit viel erreichen.

Bei Bruxismus spielt aber auch der Faktor Stress eine große Rolle. Daher ist oft die Anwendung von Entspannungstechniken hilfreich.

Schließlich könnten noch osteopathische Griffe oder die Akupunktur einen positiven Einfluss haben. Wenn Zahnfehlstellungen die Ursache für Bruxismus sind, hilft es, diese zu korrigieren.

Können auch Kieferfehlstellungen Zahnschmerzen auslösen?

Das sind seltene Spezialfälle, und auch da verhält es sich meist so, dass sich die Schmerzen, die als Zahnschmerzen empfunden werden oder wirklich zu Zahnschmerzen führen, aus Problemen mit der Kiefermuskulatur und den Kiefergelenken ergeben.

Sind dann Operationen nötig?

Manchmal, ja. Aber bevor operiert wird, sollte immer versucht werden, die Sache anders in den Griff zu bekommen. Da bieten sich die erwähnten Mittel an, und bei Kiefergelenksproblemen zusätzlich noch eine Lavage, eine Kiefergelenksspülung. Dabei wird das Innere der Gelenkskapsel über Nadeln, die in das Gelenk gestochen werden, mit einer physikalischen Lösung gewaschen, was die Entzündung und damit die Schmerzen bekämpft.

Können Schmerzen von anderen Organen in den Kieferapparat und die Zähne ausstrahlen und umgekehrt?

Unsere Muskeln sind alle miteinander verbunden, und wenn jemand acht Stunden am Tag vor dem Computer sitzt und die Rücken- und Nackenmuskulatur dadurch verspannt ist und schmerzt, können die Schmerzen in den Kopfbereich ausstrahlen. Dass auch das umgekehrt möglich ist, schließe ich nicht aus.

Stand 7/2022

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