Wir empfinden sie, wir erleben sie, wir messen sie. Trotzdem bleibt die Zeit ein faszinierendes Rätsel.
Von Mag.a Andrea Riedel
Warum empfinden reifere Semester ihre mit „ersten Malen“ gespickten Kinder- und Jugendjahre als relativ lang? Phänomene wie dieses werden als „Zeitparadoxon“ bezeichnet, für das es viele Erklärungsansätze gibt, z.B.dass intensivere Emotionen eher im Gedächtnis bleiben. „Das gilt besonders für Premieren wie die ersten Weihnachten, den ersten Kuss“, so Assoc.-Prof. Dr. Thomas Herdin, Leiter der Abteilung für Transkulturelle Kommunikation an der Universität Salzburg.
„Nachdem ich das Huhn gerupft habe“
Vor Erfindung der mechanischen Uhren basierte Zeiteinteilung u.a. auf Naturrhythmen wie Tag/Nacht oder Alltagstätigkeiten. Danach richteten sich Verabredungen, z.B. „nachdem ich das Huhn gerupft habe“. Mit Planbarkeit und Pünktlichkeit kamen auch enge Zeitkorsette. „Die Glücksforschung zeigt: Nicht zu viel Arbeit macht Leute unglücklich, sondern fehlende Möglichkeiten, (Arbeits-)Zeit selbst einzuteilen“, erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Michaela Pfadenhauer, Vizedekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften der Uni Wien.
Zeitinseln erobern
„Ein guter Trick wäre, sich kleine Inseln im Alltag zu schaffen, in denen man radikal sagt: So, in dieser Viertelstunde mache ich etwas, weil ich es machen will. Das können, müssen aber keine Anti-Stress-Übungen sein. Ich kann auch den roten Strohhut kaufen gehen, der mich seit Wochen anlacht“, so Pfadenhauer, „bloß keine Verzweckung!“ Wenn diese Form des Zeit-Insel-Hüpfens im Alltag klappt, dann müsse man auch nicht mehr alles auf eine Urlaubskarte setzen.
Mehr zum Zeitparadoxon und wie der Urlaub so wird, dass er Ihnen noch lange ein Lächeln auf die Lippen zaubert, verraten wir in MEDIZIN populär 07-08/2023.
Foto: (c) Javier-Zayas-Photography
