Das merk ich mir!

September 2023 | Medizin & Trends

Besser als gedacht, ist unser Gehirn – es kann schon ein richtiger Schlaumeier sein. Immer vorausgesetzt, wir bieten ihm ordentlich Paroli …

Von Mag.a Sylvia Neubauer

Das menschliche Gehirn ist ein kleines Wunderwerk der Natur. Aber – man muss es sagen, wie es ist – es kann auch ganz schön faul sein. Wird es nicht aktiviert, schlummert es gemütlich vor sich hin.

Fakt ist: Von sich aus legt sich unser Oberstübchen ganz bestimmt nicht ins Zeug. „Das Gehirn braucht Probleme“, trifft Andrea Chromecek, zertifizierte Konzentrations- und Gedächtnistrainerin den Nagel auf den Kopf. Und nein, keine Sorge, damit sind keine schicksalhaften Apokalypsen gemeint. Vielmehr möchten unsere grauen Zellen spielerisch bei Laune gehalten werden – ähnlich wie ein Muskel, der durch Hanteltraining an Kraft gewinnt. Na dann: Auf los geht‘s los!

Was geht denn da ab im Gehirn?

Ohne sie geht rein gar nichts im Gehirn. Die Rede ist von Synapsen. Durch sie formieren sich Zellen in den verschiedensten Hirnregionen zu Netzwerken: Es entstehen neuronale Kommunikationswege – ähnlich wie bei vielen Autobahnen. Zusammen sorgen diese dafür, dass der Verkehr nicht zum Erliegen kommt – dass Informationen von einer Zelle auf die andere übertragen werden. Das Beste daran ist: Neue Erfahrungen bauen die Verbindungstellen zwischen den Nervenzellen aus und lassen weitere Transitrouten entstehen. In jungen wie in reifen Jahren. Diese Anpassungsfähigkeit des Gehirns nennt man neuronale Plastizität.

Sehen wir uns ein Beispiel dafür an: Ein Kleinkind steht im Zoo und versucht ein Tier zu erkennen. Die Nervenzellen der Sehrinde vermerken die Farbe grau, die Nervenzellen der Hörrinde identifizieren ein „Törööö“ und wieder andere den Namen des Tieres. Das Gehirn arbeitet nun auf Hochtouren und verknüpft sämtlich Eindrücke miteinander – der Spross weiß: Aha, diesen Rüsselfreund habe ich in meiner Lieblingsserie schon einmal gesehen: Das ist ein Elefant. Jedes Mal, wenn wir neues Wissen erwerben, wird die synaptische Kommunikation zwischen den Neuronen gestärkt: Wir lernen. Und: Wir sind in der Lage, uns zu erinnern.

Alltagstrott? Zum Gähnen!

„Unser Gehirn ist wie eine riesengroße Bibliothek“, bestätigt Chromecek und erklärt: „Elternhaus, Kindergarten, Schule und später Ausbildungen und Beruf prägen uns. Das Gehirn saugt alles wie einen Schwamm auf. Die Frage ist nur: Was davon können wir tatsächlich abrufen?“ Mit dem Abrufen kann es im Alltag schon einmal hapern: Verflixt, wie hieß der neue Kollege nochmals? Wo ist denn bloß der Autoschlüssel hingekommen? Ach herrje!

Wie bringt man müde graue Zellen auf Zack? Ganz einfach: Indem wir sie tagtäglich herausfordern. Alltagstrott lässt das Gehirn nämlich gähnend auf Stand-by schalten.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Routinen sind nicht per se schlecht – sie nehmen uns bis zu 50 Prozent der Entscheidungen am Tag ab. Das ist gut so. Ein automatisierter Tagesablauf entlastet unser Gehirn und verhindert, dass uns die Sicherungen durchbrennen. Jedoch sollte unser Denkapparat nicht in diesem Dämmermodus verweilen. Damit das Gehirn nicht schrumpft, müssen immer wieder verschiedene Areale angesprochen werden. Das geht am besten durch Ungewohntes – durch neue Impulse. Sie stimulieren genau jene Hirnregionen, die im Laufe der Jahre am stärksten vom Abbau gefährdet sind.

Ständig neue Impulse

(Denk-)Sport für graue Zellen Das Maximum unserer geistigen Leistungsfähigkeit ist vor unserem 30. Geburtstag erreicht. Und dann? Danach arbeitet unser Gehirn kontinuierlich langsamer. Eine ziemlich ernüchternde Erkenntnis. Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Unser Denkapparat weiß sich zu helfen und hat quasi einen Plan B parat. Mangelnde Schnelligkeit kompensiert das Gehirn im Alter durch andere Attribute: Etwa durch Erfahrung oder auch durch Klugheit. Vor allem aber lässt es sich durch Training agil halten: „Man kann nie früh genug damit anfangen, sein Gedächtnis auf Vordermann zu bringen“, sagt Chromecek. Was bedarf es dazu?

Geistiger Spickzettel beim Einkaufen Bilder sind gute Gehilfen, um sich Dinge einzuprägen, etwa den Einkaufszettel. So kann aus der imaginären Einkaufsliste Kopfkino entstehen – und zwar, indem man alle Lebensmittel und Waren, die man benötigt, geistig mit einem Körperteil verbindet. Das schwere Brot liegt auf dem Kopf. Das Mehl kitzelt in der Nase. Das Waschpulver wird auf die Schultern gepackt. Und die Füße spielen mit der Orange Fußball. Im Supermarkt ruft man diese Orte nacheinander wieder ab und weiß so, was mit zur Kasse muss.

Hände-Tausch „Wenn man Rechtshänder*in ist, empfiehlt es sich, so zu tun, als ob man die rechte Hand gar nicht hätte“, ermutigt die Gedächtnistrainerin, hin und wieder mit der nicht-dominanten Hand zu werken, sprich: „Haare zu kämmen, den Frühstückstisch zu decken oder das Milchpackerl aufzumachen“, nennt die Expertin Beispiele. Als Linkshänder*in verfährt man genau umgekehrt. Der Sinn dahinter ist: Unser Gehirn lässt sich in zwei Hälften unterteilen, denen jeweils unterschiedliche Aufgaben zugeteilt sind. Die rechte Hälfte ist der Sitz unserer Intuition, der Kreativität und Empathie – aber auch des Überblicks über das Ganze. Die linke Gehirnhälfte ist indes verantwortlich für Logik, Sprache und den Blick für Details. Durch diese Übung aktiviert man beide Gehirnhemisphären und lädt sie quasi zur freundlich-kollegialen Zusammenarbeit ein.

Notwendiges mit Nützlichem verbinden Gedichte, Vokabellisten oder Zahlenreihen auswendig lernen – das alles mag zwar effektiv sein. Dem Gehirn wird monotones Büffeln allerdings nur ein müdes Lächeln kosten. Was macht es nun bloß mit den herumschwirrenden Hieroglyphen zwischen seinen Synapsen? Der Gewinn ist größer, wenn man etwas lernt, das einen wirklichen Nutzen im Leben hat. Wer seine Urlaube gerne in Griechenland verbringt, kann sich beispielsweise die dort vorherrschende Sprache aneignen.

Kniffliger Heurigenbesuch Wer gemütlich mit Freund*innen beim Heurigen zusammensitzt, kann ganz nebenbei etwas für sein Gedächtnis tun – auf vergnügliche Weise. „Man nimmt ein Thema her, zum Beispiel Sportarten oder Kochen. Daran angelehnt sind alle eingeladen, zu jedem Buchstaben von A-Z einen passenden Begriff zu nennen“, hat Chromecek eine Idee für ein Wortspiel. Nehmen wir nun kulinarische Gerichte her, dann könnten dem Apfelstrudel, Béchamelkartoffeln, Cheeseburger, Dampfnudeln, Eierspeise usw. folgen.

Google die kalte Schulter zeigen Wozu den Kopf über bestimmte Fragestellungen zermartern, wenn es auch das Internet gibt? Google spuckt in Windeseile passende Antworten aus. Genau darauf sollten wir unserem Hirn zuliebe manchmal lieber verzichten: „Versuchen Sie, die Antwort zu rekonstruieren“, rät Chromecek, dieser selbst auf die Spur zu kommen: „Geht es um ein länger zurückliegendes Ereignis, so kann man sich fragen: Wie war das damals? Gibt es etwas, das damit in Verbindung stand? Wer war daran beteiligt? Etc.“

Bewegung macht (auch das Gehirn) fit Einmal springen, um den grauen Zellen auf die Sprünge zu helfen. Klappt das? Aber ja doch! Sport wirkt nämlich nicht nur auf Muskulatur und den Stoffwechsel, sondern auch positiv auf das Gehirn. „Bewegung kurbelt die Durchblutung an und auch die Konzentration an Glückshormonen verändert sich“, erklärt die Expertin. Gut zirkulierendes Blut kommt der Denkfabrik im Kopf in mehrerlei Hinsicht zugute: Das Gehirn wird besser mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Besonders davon angetan ist der Oberbefehlshaber in der Gedächtniszentrale – der Hippocampus. Aktivität regt das Wachstum und die Verknüpfung neuer Nervenzellen an – vor allem in seinem Herrschaftsgebiet. In diesem Sinne: Schauen wir doch darauf, Schritt für Schritt ein wenig klüger zu werden …

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Stärkung für das Gehirnschmalz

B-Vitamine wirken auf unser Nervensystem und halten uns bei klarem Verstand. Besonders Vitamin B12 spielt hier eine wichtige Rolle: Ohne diesen Nährstoff können keine Myelinscheiden gebildet werden. Diese schützen und umhüllen unsere Nervenfasern – ähnlich wie eine Kabelisolierung. Und: Sie sorgen dafür, dass die Übertragung der Nervenströme reibungslos funktioniert und unsere grauen Zellen gut informiert sind. Auch Vitamin D und Omega-3 -Fettsäuren halten uns geistig auf Trab.

Der Ginkgo zählt zu den ältesten Bäumen der Erde – manch seiner Kollegen hat 1000 Jahre und mehr auf dem Buckel. Nicht umsonst gilt Ginkgo in vielen Kulturen als Symbol für ein langes Leben. Seine Blätter enthalten sekundäre Pflanzenstoffe wie Terpene, Flavonoide und Ginkgolsäuren, welche die Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessern können. Die Inhaltsstoffe aus Ginkgo-biloba-Blätter-Trockenextrakt haben einen positiven Einfluss auf die Lernleistung sowie die Konzentrationsfähigkeit.

Ginseng gilt als pflanzliches Tonikum – seine Wurzel ist seit jeher als traditionelles Stärkungsmittel in Verwendung. Die wohltuenden Eigenschaften verdankt der Ginseng wohl größtenteils den enthaltenen Ginsenosiden – sie gelten als Adaptogene. Das Besondere an diesen pflanzlichen Wunderwuzzis ist: Adaptogene können uns gleichermaßen beruhigen wie Energie spenden – ohne uns jedoch übermäßig zu stimulieren. Das wirkt sich förderlich auf unsere allgemeine Leistungsfähigkeit und auf kognitive Fähigkeiten wie Konzentration und Denkleistung aus.

Knoblauch kann mehr als bloß Vampire fernhalten. Aufgrund spezieller Inhaltsstoffe wie Allicin und Adenosin ist die Knolle ein wahrer Allrounder für unsere Gesundheit. Knoblauch wirkt desinfizierend, abwehrstärkend, cholesterin- und blutdrucksenkend. Außerdem kurbelt das Lauchgewächs die Durchblutung an. Unsere Gehirnzellen werden besser mit Sauerstoff und Glucose versorgt, die es zu seiner Funktion benötigt.

 

Foto: (c) demenz_gettyimages_Andriy-Onufriyenko

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