Jede*r Vierte hat ihn. Aber viele bemerken Bluthochdruck erst, wenn Herz oder andere Organe geschädigt sind. Warum richtiges Blutdruckmessen das Um und Auf der Früherkennung ist.
Von Mag.a Andrea Riedel
Er kann schon zickig sein, der Blutdruck. Legen Herr oder Frau Doktor die Blutdruckmanschette an, steigt er oft wie eine Rakete, obwohl er zu Hause kaum über die Stränge schlägt. „Weißkittel-Effekt“ nennen das die Mediziner. Manchmal wiederum liefert er unverdächtige Werte bei der Vorsorgeuntersuchung und erklimmt zu Hause lichte Höhen.
Ab wann es gefährlich wird
„Milde Abweichungen vom Grenzwert sind kein Grund zur Sorge – weder bei Gesunden noch bei Menschen mit Bluthochdruck“, sagt Priv.-Doz.in Dr.in Sabine Perl, Präsidentin der Österreichischen Hochdruckliga. Weil der Druck in den Arterien permanent leicht schwanke, seien für die Diagnose immer Durchschnittswerte entscheidend. Die sollten bei der Messung zu Hause – im Schnitt – weniger als 135/85 mm HG betragen“, so die Internistin.
Darüber werde es bereits kritisch, auch wenn das erste der drei Bluthochdruck-Stadien bei 140/90 mm HG beginne: „Das Problem ist, dass man dann noch nichts spürt, obwohl die Gefäße bereits geschädigt werden.“ Symptome wie wiederholtes Ohrensausen, Kopfweh, Übelkeit oder ein extrem intensiver Herzschlag setzten erst ab etwa 160 mm HG und mehr ein. Regelmäßig selbst messen sollten daher nicht nur Übergewichtige, sondern alle, die sich eher ungesund ernähren, häufig Alkohol konsumieren, rauchen, viel Stress oder wenig Bewegung haben.
Selbst Schlanke mit relativ gesundem Lebensstil seien vor Bluthochdruck, auch Hypertonie genannt, nicht gefeit. „Denn die Gene spielen eine große Rolle“, wie Sabine Perl betont: „Hatten oder haben Eltern oder Geschwister Bluthochdruck, ist Blutdruckmessen ebenfalls angebracht.“
Mit Teamarbeit zur Diagnose
Eine Bluthochdruck-Diagnose ist im Idealfall Teamarbeit. Zuerst sammelt man verlässliche Basisdaten, indem man mit einem geprüften Gerät zumindest eine Woche lang Durchschnittswerte ermittelt. Dann folgen Vergleichsmessungen beim Arzt. Tun sich Ungereimtheiten auf, etwa hohe Werte nur zu Hause, wird mittels 24-Stunden-Messung untersucht, ob eine „maskierte Hypertonie“ vorliegt, die womöglich bereits Niere oder Herz angreift, oder eine behebbare Erkrankung, etwa eine verengte Nierenarterie oder nächtliche Atemaussetzer. „Doch eine solche heilbare Hypertonie betrifft nur drei Prozent der Fälle“, so Perl.
Lebensbegleitende Therapie
Ab einem oberen Wert von 140 mm HG braucht man normalerweise lebensbegleitend Medikamente, um die Zielwerte zu erreichen: Unter 65-Jährige sollten sich zwischen 120 und 130 mm HG einpendeln, bei Älteren dürfen es bis zu 140 sein. Die Sorge wegen möglicher Nebenwirkungen im Zuge einer dauerhaften Einnahme ist unbegründet, hält die Hypertonie-Expertin fest: „Der Nutzen der Medikamente ist um ein Vielfaches größer als sämtliche potenziellen Nebenwirkungen. Ziel jeder blutdrucksenkenden Therapie ist es, Gefäßschäden und Schlimmeres wie Herzinfarkte zu verhindern.“
Blutdrucksenker wirken spätestens nach einer Woche. Die „Feinjustierung“ kann auch länger dauern, „man startet mit geringen Dosen und tastet sich an die individuell optimale Dosis heran“, so Perl. Statt eines höher dosierten Wirkstoffs kombiniere man heute meist zwei niedrig dosierte Tabletten. Es finde sich für jede*n die passende Kombination. Die Medikamente sollte man immer zur selben Zeit einnehmen, je nach Verschreibung abends oder in der Früh. „Viele koppeln die Einnahme mit Alltagsritualen, z.B. vorm Zähneputzen, nach dem Gassigehen mit dem Hund, Hauptsache, es funktioniert“, schmunzelt Perl.
Und wenn man einfach gesünder lebt?
Nur selten lasse sich Bluthochdruck allein mit Lebensstilmaßnahmen wieder ins Lot bringen. „Maximal drei Monate lang kann so ein Versuch unter ärztlicher Kontrolle stattfinden. Infrage kommen Personen unter 65 mit einem systolischen Wert zwischen 140 und 150 mm HG ohne Grunderkrankungen“, so Sabine Perl. Es müsse allerdings eine deutliche Veränderung zum Besseren stattfinden: „Nimmt etwa ein stark Übergewichtiger mindestens zehn Kilo ab, kann das unter Umständen den Blutdruck normalisieren. Hat jemand nur drei Kilo zu viel auf den Hüften, ist es zwar gut, die loszuwerden, aber ohne Effekt für den Blutdruck.“
Mit Ausdauertraining wiederum sollten Untrainierte nicht einfach loslegen, sondern ärztlich abklären, ob ihr Hochdruck vorher medikamentös eingestellt werden sollte. Zügiges Spazierengehen etc. sei immer möglich, aber nicht ausreichend für eine effektive Blutdrucksenkung. „Auch Salzreduktion ist generell sinnvoll, weil wir alle zu viel salzen.“ Allerdings reagiert nur rund ein Drittel der Hypertoniker*innen tatsächlich auf weniger Salz, die „Salzsensibilität“ sei nämlich genetisch bedingt, so Perl.
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Blutdruckmessen zu Hause: So geht’s!
Der Druck in den Gefäßen schwankt mit jedem Herzschlag, auch bei Gesunden. „Daher misst man dreimal und errechnet den Durchschnitt“, erklärt Internistin Sabine Perl. Meist reißt die erste Messung am deutlichsten aus. Grundsätzlich sollte man nur geprüfte Oberarmmessgeräte verwenden (s. Webtipp), weil sie präziser sind. Gemessen wird stets am selben Arm.
- Setzen Sie sich in einem stillen Raum fünf Minuten lang hin, einen Unterarm locker auf dem Tisch abgelegt. Nicht essen, trinken, rauchen, reden.
- Legen Sie die Manschette so am Oberarm an, dass der untere Rand mit dem Schlauch zwei Finger breit über der Armbeuge liegt. Nur so fest, dass Sie mit zwei Fingern unter die Manschette schlüpfen könnten.
- Nach fünf ruhigen Minuten schalten Sie das Gerät ein und notieren Sie die beiden Blutdruckwerte und den Pulswert. Nach ein bis zwei Minuten Wartezeit messen Sie wieder und notieren die drei Werte, warten dann nochmals ein bis zwei Minuten und messen ein drittes Mal.
- Errechnen Sie jeweils den Durchschnitt aus den drei Messungen für den oberen, den unteren Wert und den Puls. Tragen Sie diese drei Zahlen in eine Blutdruck-Tabelle ein.
- Wiederholen Sie das Ganze eine Woche lang zweimal täglich (in der Früh und abends).
Liegen die Durchschnittswerte mehrfach über 135/85 mmg, sollte man das mit Ärztin oder Arzt besprechen. Außerdem wichtig:
- immer zur selben Zeit messen, idealerweise mit zwölf Stunden Abstand
- vor dem Frühstück bzw. Abendessen messen
- wenn Sie schon Blutdrucksenker einnehmen: stets vor der Einnahme messen
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Wie entsteht der Druck?
Früher dachte man, der Druck in den Arterien steige, weil Ablagerungen, „Verkalkungen“, deren Durchmesser verkleinern würden. Heute weiß man: Der ganze Mechanismus wird primär vom sympathischen Nervensystem ausgelöst, das infolge unseres beschleunigten Lebensstils kaum noch zur Ruhe kommt. Das setzt Prozesse in Gang, die die Elastizität der Gefäße mindern. Erhöhen Stresshormone die Pumpfrequenz des Herzens, fließt mehr Blut durch die zunehmend steifen Gefäße. An deren Innenwänden treten Miniverletzungen auf, die der Körper zu „kitten“ versucht. Das macht die Gefäße erst recht steif. Sich zusätzlich aus dem Blut ablagerndes Cholesterin verschlimmert das Ganze.
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Das tut den Gefäßen gut
- für stark Übergewichtige: deutliche Gewichtsabnahme (mindestens zehn Kilo)
- bei Stress: wirksame Entspannung/Entlastung
- in jedem Fall: regelmäßiges, altersangepasstes Ausdauertraining
- Rauchstopp
- weniger Alkohol
- wenig und nur jodiertes Salz
Kneippen, Sauna und Therme sind für Hypertoniker*innen möglich, aber nur bei gut eingestelltem Blutdruck.
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Webtipp:
www.hochdruckliga.at/
Die Österreichische Hochdruckliga/Gesellschaft für Hypertensiologie bietet viele wichtige Informationen und listet u.a. geprüfte Messgeräte für Zuhause: Interessierte > Richtig Blutdruckmessen > Blutdruckselbstmessgeräte
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Niedriger Blutdruck: Meist harmlos, aber lästig
Niedriger Blutdruck, Hypotonie genannt, stellt keine Gefahr für die Gefäße dar, kann aber auf andere Erkrankungen hinweisen, erklärt Dr. Gerald Oppeck, Internist und Obmann der Fachgruppe Innere Medizin der Ärztekammer Niederösterreich.
Wie kann sich niedriger Blutdruck äußern?
Sehr häufig kommt es bei Älteren, häufig Frauen, aufgrund steifer Gefäße zu einem plötzlichen Blutdruckabfall beim Aufstehen oder Aufrichten. Diese „orthostatische Hypotonie“ kann kurzfristig zu Herzrasen, Schwäche, Schwindel oder sogar Übelkeit führen. Bis heute ungeklärt ist die „idiopathische Hypotonie“, zu der vor allem junge, sehr schlanke Frauen neigen. Hier treten eher kalter Schweiß, Blässe, Ohrensausen, Müdigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten auf. Abzuklären wäre zudem, ob Medikamente oder andere Erkrankungen die Symptome hervorrufen. Kann man die Ursache nämlich behandeln, etwa Funktionsstörungen von Nebenniere oder Schilddrüse, Herzklappenfehler, schwere Herzschwäche oder Blutarmut, normalisiert sich auch der Blutdruck.
Viele geben aber Blutdrucksenkern die Schuld.
Zu Beginn einer Bluthochdruck-Therapie oder bei einer Medikamentenumstellung sind Symptome niedrigen Blutdrucks meist nur ein Zeichen dafür, dass der an den zu hohen Druck gewöhnte Körper dabei ist, sich dem normalen Druck anzupassen. Das kann bis zu zwei, drei Wochen dauern. Eher selten sind die Blutdrucksenker tatsächlich zu hoch dosiert. Dann sollte man sie niedriger dosieren bzw. langsamer steigern.
Braucht niedriger Blutdruck Medikamente?
Nein, er schadet ja den Gefäßen nicht. Besteht z.B. Sturzgefahr infolge des Schwindels oder sind die Symptome sehr störend, helfen einfache Maßnahmen wie langsam und mit Bedacht aufstehen, Stützstrümpfe tragen und alles, was den Kreislauf in Schwung bringt: kneippen, regelmäßige, altersangepasste Bewegung, koffeinhaltige Getränke und ein ausgewogener Salzkonsum. Medikamente zur Erhöhung des Blutdrucks werden nur noch in der Notfallmedizin eingesetzt, weil sie langfristig zu erheblichen Nebenwirkungen führen.
Foto: (c) bluthochdruck_gettyimages_Maria-Korneeva