Herzgesund ganz ohne Hochdruck

August 2024 | Medizin & Trends

Normal, hochnormal, altersentsprechend-normal, hochriskant: Wie hoch darf der Blutdruck sein und wann muss er behandelt werden? Und wie wirkt sich Hitze auf den Blutdruck aus?

Von Doris Simhofer

Der Blutdruck ist der Druck, der bei jedem Herzschlag auf die Wände der Blutgefäße und die dahinterliegenden Gewebe und Strukturen einwirkt. „Meist spricht man dabei vom arteriellen Blutdruck, jenem Druck, der auf die vom Herz wegführenden Gefäße wirkt, also dem systolischen Blutdruck“, sagt Priv.-Doz. Dr. Nicolas Verheyen, Facharzt für Kardiologie an der Medizinischen Universität Graz. Dabei zieht sich die linke Herzkammer zusammen, das Herz „pumpt“ Blut in die Hauptschlagader, und in den Gefäßen entsteht vorübergehend Druck, der systolische Blutdruck (das griechische Wort „Systole“ bedeutet zusammenziehen). Entspannt sich das Herz bzw. die Herzkammer wieder, kommt es zu einer „Aus­dehnung“ (griech.: Diastole).

Priv.-Doz. Dr. Nicolas Verheyen

Priv.-Doz. Dr. Nicolas Verheyen „Von Bluthochdruck spricht man, wenn der Druck so hoch ist, dass Schäden an Gefäßen und Organen auftreten können.“

Der Blutdruck im Lebensverlauf

Der systolische Blutdruck steigt mit dem Alter progressiv an, während der diastolische Blutdruck nur bis zum Alter von 50 bis 60 Jahren ansteigt, gefolgt von einer kurzen Phase der Stagnation und einem anschließenden leichten Rückgang. Dies führt zu einem Anstieg des Pulsdrucks mit dem Alter, erklärt Nicolas Verheyen: „Von Bluthochdruck spricht man dann, wenn der Druck so hoch ist, dass Schäden an den Gefäßen und den Organen auftreten können.“ Das Gefährliche an Bluthochdruck ist, dass er zunächst keine Beschwerden macht. Durch die Ausschüttung bestimmter Zytokine kommt es zu Entzündungsprozessen, wie etwa Atherosklerose und Plaques in den Gefäßen, diese verursachen Bluthochdruck, all das spürt man zunächst nicht.

Bei Bluthochdruck besteht ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Herzinsuffizienz. Studien zeigen, dass sich das Risiko für eine tödliche kardiovaskuläre Erkrankung oder einen Schlaganfall pro 20 mmHg Anstieg des systolischen oder 10 mmHg Anstieg des diastolischen Blutdrucks verdoppelt, das gilt für alle Altersgruppen, sagt Nicolas Verheyen: „NeueStudien weisen darauf hin, dass sowohl ein erhöhter diastolischer als auch ein erhöhter systolischer Blutdruckwert ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen auch bei jüngeren Menschen mit sich bringt.“

Folgen von Bluthochdruck

Erhöhter Blutdruck zieht im Allgemeinen einen erhöhten Pulsdruck nach sich. Dieser wiederum führt zu einer arteriellen Steifigkeit des Herzens. „Als Folge des permanent hohen Drucks wehren sich die Gefäße, sie versteifen, verkalken und verengen sich. So können auf Dauer zum Beispiel Schäden am Herz durch verengte Herzkranz­gefäße auftreten. Im Gehirn kann es zudem zu Schlaganfällen oder Hirnblutungen kommen“, weiß Facharzt Verheyen. Sich versteifende Gefäße im Alter und damit auch ein gewisses Ansteigen des Blutdrucks sind normal. „Dass der Blutdruck aber in pathologische Ebenen steigt, das können wir selbst sehr stark beeinflussen“, so Nicolas Verheyen. Die Ernährung (zum Beispiel erhöhter Salzkonsum) trägt ebenso zu einem höheren Blutdruck bei wie etwa Adipositas. Eine Gewichts­reduktion kann daher helfen, einen dauerhaft entgleisten Blutdruck wieder zu reduzieren.

Schwankender Blutdruck

Aufgrund des zirkadianen Verlaufs, also des Tag- und Nacht-Rhythmus, schwankt auch der Blutdruck. Das ist hormonell bedingt und normal. So etwa ist das Hormon Cortisol tagsüber aktiv und es kommt je nach Ausschüttung zu einer leichten Erhöhung des Blutdrucks. Wer frühmorgens aus dem Bett steigt und einen erhöhten Blutdruck misst, muss sich nicht sorgen, weiß Verheyen: „Der sogenannte Morning Surge ist normal, dabei wird unser physiologisches System gestartet. Der Blutdruck normalisiert sich jedoch rasch wieder.“ Einen erhöhten Blutdruck nachts sollte man im Auge behalten, möglicherweise liegt eine Schlafapnoe vor (nächtliche Atemaussetzer, Anm.), durch ein 24-Stunden-EKG wird das ersichtlich. Ein plötzlich stark ansteigender Blutdruck kann mehrere Ursachen haben, wie etwa Stress oder das plötzliche Absetzen der gewohnten Blutdruckmedikamente. Bei einem hypertensiven Notfall liegen die systolischen Blutdruckwerte meist bei 200 bis 220 mmHg und die diastolischen Blutdruckwerte bei 100 bis 120 mmHg. In diesem Fall ist es ausschlaggebend, ob zusätzliche Beschwerden auftreten, wie etwa Schmerzen im Brustkorb, Atemnot, Schwindel etc. Ein Blutdrucknotfall, der mit organischen Beschwerden einhergeht, muss in jedem Fall im Krankenhaus behandelt werden.

Maskierter Blutdruck

Der Blutdruck kann entweder durch die Ärztin, den Arzt (Office-Messung) oder zuhause (Out-of-Office-Messung) gemessen werden. Als „maskierte unkontrollierte Hypertonie“ bezeichnet man Bluthochdruck, der bei der Messung durch den Arzt normal, bei der Messung zuhause erhöht ist. Bei 15 Prozent der Betroffenen mit normalem Office-Blutdruck handelt es sich um jüngere Personen, Männer, Raucherinnen und Raucher, Menschen mit Stress und erhöhtem Alkoholkonsum, aber auch mit hoher körperlicher Aktivität. Häufig ist bei diesen Menschen besonders der nächtliche Blutdruck erhöht. Ein maskierter Bluthochdruck bringt dieselben Risikofaktoren mit sich wie ein diagnostizierter. Um Organschäden vorzubeugen, sollte eine Änderung des Lebensstils sowie eine medikamentöse Therapie erfolgen.

Angst vorm weißen Kittel

Ist der Blutdruck bei der Office-Messung erhöht, bei der Out-of-Office-Messung aber normal, spricht man landläufig von „Weißkittelhochdruck“. Die Furcht, Anspannung oder der Stress im Zuge der Blutdruckmessung durch einen Arzt liegt vor allem bei Menschen fortgeschrittenen Alters und bei Frauen vor. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Organschäden, es kommt dabei auch häufiger zur Entwicklung von Diabetes. Eine Änderung des Lebensstils in Kombination mit medikamentöser Therapie kann Abhilfe schaffen.

Hitze und Blutdruck

Hohe Temperaturen können Auswirkungen auf den Blutdruck haben – insbesondere bei Menschen, die bereits unter Hypertonie leiden. Bei starker Hitze erweitern sich die Blutgefäße, um die Wärme besser abzuleiten, was zu einem Absinken des Blutdrucks führen kann. Dieser Effekt kann bei manchen Menschen Schwindel und Schwächegefühle verursachen, beispielsweise wenn sie schnell aufstehen oder sich plötzlich bewegen. Gleichzeitig besteht bei großer Hitze die Gefahr einer Dehydrierung, da der Körper vermehrt Flüssigkeit über das Schwitzen verliert. Ein unzureichender Flüssigkeitsausgleich kann den Blutdruck weiter destabilisieren und zu Kreislaufproblemen führen. Umso wichtiger ist es, sich an heißen Tagen in kühlen Räumen aufzuhalten, körperliche Anstrengungen zu vermeiden und ausreichend zu trinken, um den Blutdruck stabil zu halten.

Blutdruck richtig messen

Wer seinen Blutdruck zu Hause korrekt messen will, bekommt von Nicolas Verheyen noch ein paar Tipps. „Der Blutdruck ändert sich im Laufe des Tages und reagiert zum Teil stark auf Aktivität. Es kann einen großen Unterschied beim Messen machen, ob ich mich gerade erst hingesetzt habe oder schon zehn Minuten ruhig sitze“, erklärt der Kardiologe. Der Blutdruck sollte daher möglichst standardisiert gemessen werden: Das heißt, wenn möglich nach fünf bis zehn Minuten Sitzen in einer ruhigen Umgebung am besten zur gleichen Tageszeit, um Veränderungen besser nachzuvollziehen. Bei der Diagnostik kann
Ärztinnen und Ärzten zudem eine 24-Stunden-Messung mit einem speziellen Gerät helfen.

First-Line-Therapie

Wer gesund lebt, hat einen um etwa 4 bis 5 mmHg niedrigeren Blutdruck als Menschen, die eher ungesund leben. Ein gesunder Lebensstil senkt den Blutdruck und trägt dazu bei, dass Medikamente besser wirken. In erster Linie sind es Bewegung und gesunde Ernährung, die sich positiv auf den Blutdruck auswirken. So etwa ist Übergewicht ein hoher Risikofaktor – wer sich allerdings regelmäßig bewegt und ausgewogen isst, tut Gutes für seine Gesundheit.

Medikamentöse Therapie

Aufgrund der Studienlage empfehlen auch die aktuellen Guidelines (neben Blutdrucksenkern) als Standardtherapie ACE-Hemmer, Angio­tensin-Rezeptor-Blocker, Kalziumkanalblocker, Thiazide/thiazidähnliche Diuretika und Betablocker. Eine Therapie, um Bluthochdruck zu behandeln, bedarf jedoch immer einer Zusammenschau individueller Risikofaktoren. Somit ist eine Kombination von unterschiedlichen, individuell angepassten Medikamenten wirksamer als eine Monotherapie.


Bluthochdruck – eine Volkskrankheit

Nach Angaben der WHO sind weltweit 1,28 Milliarden Menschen im Alter von 30 bis 79 Jahren von Hypertonie betroffen, in einigen westeuropäischen Ländern liegt die Prävalenz unter dem Durchschnitt und in osteuropäischen Ländern über dem Durchschnitt. In jüngeren Jahren (unter 50) ist Bluthochdruck bei Männern häufiger, während ein Anstieg des systolischen Blutdrucks bei Frauen ab dem dritten Lebensjahrzehnt (noch stärker nach der Menopause) dazu führt, dass die Prävalenz von Bluthochdruck ab 65 Jahren größer ist.

Die idealen Werte:

Die idealen Werte liegen laut aktuellen europäischen Blutdruckleitlinien aus dem Jahr 2023:

  • Für Menschen unter 65 Jahren: 120–130 mmHg (systolisch) und70–80 mmHg (diastolisch)
  • Für Menschen über 65 Jahren: 130–139 mmHg (systolisch) und70–80 mmHg (diastolisch)
  • Ab 160 mmHg (systolisch) spricht man von einem deutlich erhöhtenBlutdruck.


Forschung an der Med Uni Graz

Nicolas Verheyens Forschungsgruppe an der Med Uni Graz beschäftigt sich mit der hypertrophen Kardiomyopathie, einer Erkrankung, die auch mit Bluthochdruck zusammenhängen kann. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer Verdickung des Herzmuskels. Diese Veränderung kann sowohl genetisch programmiert als auch Folge von Bluthochdruck sein, da das Herz in diesem Fall ständig gegen den erhöhten Druck pumpen muss und so wie ein Muskel beim Training dicker wird und wächst.


Foto: (c) istock: wongmbatuloyo, med uni graz

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