Ballaststoffe – Wunderwaffen für die Verdauung?

März 2008 | Ernährung & Genuss

Was sie alles können und in welchen Lebensmitteln sie stecken
 
Sie gelten geradezu als Wunderwaffe, und zwar nicht nur im Kampf gegen Verdauungsprobleme: MEDIZIN populär erklärt, warum Ballaststoffe so gesund sind, wie viel wir davon brauchen und in welchen Lebensmitteln sie stecken.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

So negativ besetzt wie ihr Name, so unrühmlich ist auch die Vergangenheit der Ballaststoffe in Nahrungsmitteln. Noch bis in die 1970er Jahre hinein hielt man sie tatsächlich für „Ballast“, für belastend und unnütz. Also bemühte man sich darum, Nahrungsmittel möglichst davon zu befreien: Man mahlte das Mehl so fein wie nur möglich, arbeitete den Reis aus seiner Schale heraus und aß auch Obst wie Äpfel und Birnen gern geschält. Das änderte sich erst, als der britische Mediziner Dr. Denis Parsons Burkitt von einem beruflichen Einsatz in Afrika zurückkehrte und seine so genannte Ballaststoff-Hypothese veröffentlichte. Nach dieser Hypothese haben Afrikaner deswegen selten Übergewicht, Gallensteine und Diabetes und erkranken so gut wie nie an Darmkrebs, weil sie täglich mindes­tens 60 Gramm und damit um ein Vielfaches mehr an Ballaststoffen zu sich nehmen als Bewohner der westlichen Industriestaaten in den USA und Europa, die im Durchschnitt auf höchstens zehn Gramm am Tag kommen.

Am besten 30 Gramm täglich

Diese Hypothese bewirkte die Verbreitung der Lehrmeinung, dass Ballaststoffe die Gesundheit fördern. Inzwischen sind Ballaststoffe zumindest im übertragenen Sinn in aller Munde, und die Ernährungsexperten der deutschen, österreichischen und schweizerischen Ernährungsgesellschaften raten dazu, täglich 30 Gramm davon zu essen.

Diese Menge findet sich zum Beispiel in:

  • 5 Scheiben Knäckebrot + 2 Scheiben Vollkornbrot + 1 Apfel,
  • 200 Gramm gekochten Kartoffeln  + 150 Gramm Gemüse aus Erbsen und Karotten,
  • 3 Scheiben Roggenvollkornbrot  + 5 Esslöffel Haferflocken + 1 Apfel,
  • 100 Gramm Karotten + 100 Gramm Johannisbeeren.

„Wer denkt, so viel Obst, Gemüse, Getreide- und Vollkornprodukte bringt er nie hinunter, sollte sich deswegen nicht sagen, dann versuche ich es erst gar nicht“, sagt Dr. Georg Kurtz, Arzt für Allgemeinmedizin und Ernährungsmediziner in Gleisdorf in der Steiermark, der sich viel mit Ballaststoffen beschäftigt hat. „Man sollte die empfohlene Menge zumindest anpeilen.“ Denn, so der Experte weiter: „Ballaststoffe sind wirklich so wichtig für unsere Gesundheit, dass wir auch schon von geringen Mengen profitieren.“

Was sind Ballaststoffe überhaupt? Lexika beschreiben sie als Bestandteile von Pflanzen, die stützend wirken, auch zur Verholzung von Pflanzen führen, im menschlichen Verdauungstrakt nicht aufgelöst werden können, daher unverdaut ausgeschieden werden und kalorienfrei sind. Manche Ballaststoffe sind wasserunlöslich, wie die Zellulose und das Lignin, die beide zum Beispiel in Weizenkleie vorkommen. Andere sind löslich, wie das Pektin, das in Äpfeln oder Weintrauben steckt.

Die Wirkung beginnt im Mund

Schon beim Kauen im Mund beginnt sich die positive Wirkung der pflanzlichen Stoffe zu entfalten. Dr. Kurtz: „Bei ballaststoffreicher Nahrung dauert das Kauen länger, was den Speichelfluss erhöht, den Säureanteil im Mund neutralisiert und so der Entstehung von Karies vorbeugt.“ Auf ihrem weiteren Weg durch den Verdauungstrakt neutralisieren die Ballaststoffe Gallensäure, was die Bildung von Gallensteinen verhindern kann. Im Magen angelangt, neutralisieren sie Magensäure, was Sodbrennen verhindert, und die ballaststoffreiche Nahrung bleibt länger liegen als ballaststoffarme. Sie quillt auch stärker auf und sorgt daher länger für ein Sättigungsgefühl, was Übergewichtigen beim Abnehmen helfen kann.

Im Darm wird durch die unverdaulichen Ballaststoffe schließlich das Stuhlvolumen erhöht, wodurch der Druck auf die Darmwand größer wird und die Darmarbeit zunimmt. Verstopfungen haben keine Chance mehr. Und, wie Dr. Kurtz sagt: „Der Stuhl wird schnell weiter transportiert und ausgeschieden, und das bewirkt, dass schädliche Bestandteile weniger Zeit haben, Schaden anzurichten.“ Bakterien schaffen es nicht, sich festzusetzen und Darmerkrankungen wie Durchfall auszulösen, Entzündungen entstehen seltener, das Risiko, Darmpolypen oder Hämorrhoiden zu bekommen, sinkt, und die Wahrscheinlichkeit, an Dickdarm- und Mastdarmkrebs zu erkranken, „ist, wie man vermutet, auch geringer“, sagt Dr. Kurtz.
Durch ihre vielfältigen chemischen Wirkungen im Darm wie die Fähigkeit zur Bindung von schädlichen Eiweißstoffen und anderen Substanzen können Ballaststoffe auch Gefäßablagerungen reduzieren, den Blutzucker- und Cholesterinspiegel regulieren und damit das Risiko senken, Altersdiabetes zu bekommen oder an Arteriosklerose zu erkranken und einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden.

Vorsicht bei Unverträglichkeit!

Auch wenn alles dafür spricht, den Ballaststoffanteil in der Nahrung zu erhöhen: „Mit einer Ernährungsumstellung sollte man sich Zeit lassen und den Körper langsam an die Veränderung gewöhnen“, sagt Dr. Kurtz. „Vielleicht, indem man zuerst die Frühstückssemmel durch ein Vollkornbrot ersetzt, dann den Schokoriegel am Vormittag durch ein Joghurt mit Müsli und anschließend vielleicht auch noch die Nudeln, die es zu Mittag oder am Abend gibt, durch Vollkornreis.“ Die langsame Gewöhnung könne verhindern, dass es zu unangenehmen Begleiterscheinungen der Umstellung kommt, wie Blähungen, saures Aufstoßen oder Übelkeit. Treten diese Nebenwirkungen trotz aller Vorsicht auf und verschwinden sie auch nach einigen Tagen nicht, kann es sein, dass man zu jenen zählt, die ballaststoffreiche Lebensmittel nicht vertragen und unter einer Fruktose- oder Laktose-Intoleranz leiden oder auch unter einer Unverträglichkeit des Getreidebestandteils Gluten, der so genannten Zöliakie. „Die Betroffenen sind mit einem Besuch bei einem Ernährungsmediziner gut beraten, der einen individuellen Ernährungsplan erstellt “, sagt Dr. Kurtz.

Auch Menschen, die bereits unter einer chronischen Magen- oder Darmerkrankung leiden oder eine Operation im Bauchraum hinter sich haben, sollten ihre Ärztin oder ihren Arzt fragen, ehe sie zu ballaststoffreichen Lebensmitteln greifen. Dies gilt schließlich auch für jene, die dauerhaft Schmerzmittel, Antibiotika, Schilddrüsen-Präparate oder Antidepressiva schlucken. Denn Ballaststoffe können schneller als erwünscht die Ausscheidung bestimmter Medikamenten-Bestandteile herbeiführen und daher die Wirkung beeinträchtigen.

Tipp: Obst mit der Schale, rohe Karotten

Der Ballaststoffanteil in der Nahrung hängt nicht nur von den einzelnen Lebensmitteln, sondern auch von deren Zubereitung ab. Er ist höher, wenn man Obst mit der Schale isst, die Karotten roh statt gegart zu sich nimmt und anderes Gemüse möglichst wenig zerkleinert. Sobald etwas passiert oder püriert wird, geht der Ballaststoff-Gehalt gegen Null.

Ballaststoffbomben

Zur Deckung des empfohlenen Tagesbedarfs von 30 Gramm Ballaststoffen reicht es, 60 Gramm Weizenkleie zu essen. Reich an Ballaststoffen sind aber auch Vollkornbrot, Vollkorn-Knäckebrot, Müsli, Nüsse, Johannisbeeren, Äpfel, Birnen, Kiwis und Orangen, Bohnen, Karotten, Kartoffeln, Kohlgemüse und grüne Erbsen.

Jungbrunnen und Kilo-Killer:
Was Ballaststoffe alles können

  • Eine Studie an der Medizinischen Universität Köln zeigte, dass Übergewichtige durch einen Umstieg auf eine ballaststoffreiche Ernährung ihr Gewicht in einem halben Jahr um durchschnittlich 7,8 Kilos senken können. Die Begründung: Die Ballaststoffe quellen im Magen auf und sorgen so länger für ein Sättigungsgefühl als ballaststoffarme Nahrungsmittel.
  • Eine andere Studie aus Texas in den USA belegt den positiven Einfluss von Ballaststoffen auf den Blutzucker- und Cholesterinspiegel. Dabei erhielten die Versuchspersonen zunächst sechs Wochen lang eine Diät mit einem Ballaststoff-Anteil unter 20 Gramm, anschließend ebenfalls sechs Wochen lang eine ballaststoffreiche Diät mit 50 Gramm Ballaststoffen pro Tag. Das Ergebnis: Ihr Blutzuckerspiegel war nach der Zeit mit der ballaststoffreichen Kost um bis zu zehn Prozent niedriger, und der Cholesterinspiegel sank um sieben Prozent. Das bringt ein geringeres Risiko mit sich, in der zweiten Lebenshälfte an Altersdiabetes oder Arteriosklerose zu erkranken und etwa einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu bekommen.
  • Eine dritte, langfristige Studie mit 25.000 Deutschen im Alter von 35 bis 65 Jahren, die von Ernährungsforschern in Potsdam durchgeführt wurde, belegt ebenfalls, dass Ballaststoffe das Risiko senken können, an Altersdiabetes zu erkranken.
           

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