Das Gedächtnis spielerisch trainieren

März 2007 | Medizin & Trends

Wenn wir älter werden, altert auch unser Gehirn. Vor allem das Kurzzeitgedächtnis lässt mit den Jahren nach, wir werden immer vergesslicher. Diesen Prozess können wir zwar nicht stoppen, aber verlangsamen, indem wir das Gehirn aktiv halten und immer wieder fordern. Eine bewährte und lustvolle Methode dafür ist das Spielen. Bridge, Schnapsen, Schach & Co halten die grauen Zellen auf vergnügliche Art und Weise in Schwung.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Mittwochnachmittag in einem Kaffeehaus in Salzburg-Stadt. Jede Woche versammeln sich hier Isolde B., 62 Jahre alt, Franz F., 77, Lotte M., 75, und Othmar T., 64, um einen Tisch, um einer gemeinsamen Leidenschaft zu frönen: dem Spielen. Heute ist Bauernschnapsen angesagt. Sie pokern aber auch gern, Bridge und Tarock haben sie ebenfalls im Repertoire, erzählen sie, und hin und wieder probieren sie ganz neue Spiele aus, die sie sich von den Enkerln borgen. Ab und zu teilt sich die Viererrunde in zwei Paare auf, die dann jeweils stundenlang über einem Schachbrett brüten. Warum sie das machen? „Um Spaß zu haben!“ heißt es einhellig. Und alle nicken, als Frau B. ergänzt: „Außerdem hält uns das Spielen jung“, und jetzt tippt sie sich auf die Stirn, „besonders hier oben.“

Das Gehirn will beschäftigt werden!
Mit jedem Jahr, um das wir älter werden, altert auch unser Gehirn. Vor allem das Kurzzeitgedächtnis lässt nach, wir alle nehmen das schmerzlich als Vergesslichkeit wahr, suchen immer öfter nach dem Wohnungsschlüssel, „verlegen“ immer häufiger die Brille. Das ist ein Prozess, den wir nicht aufhalten können, und der ab dem 30. Lebensjahr beginnt. Erst geht das langsam vor sich, dann immer schneller. In der Altersgruppe der Über-65-Jährigen klagt bereits jeder Vierte über Merkschwächen, und ab dem 85. Lebensjahr fühlt sich jeder Dritte wegen der Vergesslichkeit sogar schon in seiner Lebensqualität beeinträchtigt. Ob es tatsächlich möglich ist, das natürliche Nachlassen der Hirnleistung durch Spielen zu verlangsamen, wie das die Salzburger Spielrunde meint?

„Auf jeden Fall“, sagt Univ. Prof. Dr. Peter Dal-Bianco, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am AKH Wien. Zwar gebe es keine wissenschaftlichen Studien, die seine Meinung belegen, doch Beobachtungen im Bekanntenkreis und vor allem die Selbsterfahrung älterer Menschen zeigen deutlich: „Wer neugierig ist, staunen kann, regelmäßig Gesellschaftsspiele macht, oder ein anderes geselliges Hobby ausübt, wie Reisen, Musizieren, Singen, erfüllt gleich mehrere Bedingungen, die zu Wohlbefinden führen und tut auf diese Weise auch seinem Gehirn viel Gutes.“

Was ist noch gut fürs Gehirn?
Medizinerinnen und Mediziner empfehlen ein möglichst großes Bündel verschiedener geistiger Aktivitäten, aber auch körperliche Bewegung, wie zum Beispiel dreimal wöchentlich 40 oder mehr Minuten Ausdauersport zu betreiben.
Außerdem angesagt ist: Sich ausgewogen ernähren, viel Obst, Blattgemüse, Fisch essen und täglich genug Flüssigkeit (zwei Liter Wasser) trinken. Überdies sollte man darauf achten, dass Risikofaktoren, die zum Nachlassen der Gehirnleistung führen, rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Die wichtigsten sind Bluthochdruck, zu hohe Blutfette (LDL-Cholesterin), Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus II), Hormonstörungen oder psychische Beeinträchtigungen wie Depressionen.
Auch indem man gewisse Dinge vermeidet, kann man einiges für das Gedächtnis tun: Nicht rauchen, nicht mehr als zwei Achterln Wein am Tag trinken und Übergewicht vermeiden.

Normal oder nicht?
Wenn das Nachlassen des Gedächtnisses über das normale, altersbedingte Maß hinausgeht, sollte man unbedingt ärztliche Hilfe suchen. Woran aber erkennt man, ob es sich bei der Veränderung um eine Demenzerkrankung wie zum Beispiel Alzheimer handelt? Das ist gar nicht so einfach zu erkennen, sagt Prof. Dal-Bianco. Denn anfangs ähneln sich die Symptome der so genannten altersassoziierten und der krankhaften Vergesslichkeit sehr. Der Name der Nachbarin fällt einem nicht mehr ein, man weiß nicht mehr, wo man das Auto geparkt hat, oder was man am eigenen Geburtstag vor einem Jahr gemacht hat. Prof. Dal-Bianco: „Kritisch wird es dann, wenn man von 20 Dingen, die man sich merken wollte, zehn vergisst. Oder wenn Verwandte und Freunde sagen: Du bist aber nicht mehr der Alte, was du alles vergisst! In beiden Fällen sollte man zum Arzt gehen und ihm das Problem schildern.“

Mehr als 100 Ursachen
Hausarzt, Nervenfacharzt (Neuruologe) oder ein Arzt in einer Gedächtnisambulanz können klären, welchen Grund die Abnahme der Gedächtnisleistung hat – mehr als 100 Ursachen kommen in Frage. Verschiedene Tests werden gemacht, die den Stand der Dinge erheben. Behandelt wird gegebenenfalls mit Medikamenten, die die Durchblutung des Gehirns oder die Aktivität der Botenstoffe in den Nervenzellen fördern. Falls eine hochgradige Verengung der Halsschlagader die Ursache des Problems ist, weil sie die Hirndurchblutung beeinträchtigt, kann auch ein gefäßerweiternder Eingriff notwendig sein.

So punktet das Gedächtnis auf spielerische Weise

Punkt eins: Wer ein geselliges Hobby ausübt, bleibt nicht allein im stillen Kämmerlein, sondern begibt sich unter Menschen. Und unser Gehirn funktioniert umso länger gut, je besser es um unsere sozialen Kontakte bestellt ist.

Punkt zwei: Wer ein geselliges Hobby hat, muss Treffen vereinbaren und überlegen, wie die Treffpunkte erreicht werden können. Das bedeutet, man muss planen und vorausschauend denken. Und das ist besser für das Gehirn, als beispielsweise über vergangene Geschehnisse nachzugrübeln.

Punkt drei: Beim Spielen, Reisen, Musizieren lernen wir Neues, staunen darüber, freuen uns und bleiben neugierig. Und Neugierde macht es uns wiederum leichter, aktiv am Leben teilzuhaben.

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Was passiert im alternden Gehirn?
Von außen nicht sichtbar, ist sie doch die am leichtesten messbare Veränderung im alternden Gehirn: Die Schrumpfung des so genannten Hippocampus, der im mittleren Bereich des Hirns liegt, wo die primäre Informationsspeicherung stattfindet, kann im Röntgenbild gut gezeigt werden. Ab dem 50. Lebensjahr nimmt die Größe der Hippocampus-Masse beim Gesunden um 1,4 Prozent pro Jahr ab. Ist dieser natürliche Veränderungsprozess krankhaft beschleunigt, wie etwa bei Alzheimer-Patienten, schrumpft der Hippocampus dreimal so schnell.
Im Gehirn lagern sich mit den Jahren Eiweißfäden innerhalb und außerhalb der Nervenzellen ab und stören dadurch zunehmend deren fein abgestimmte Aktionen. Schließlich verlieren die so genannten Synapsen – das sind Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen – durch die Stoffwechselablagerungen an Leistung, werden da und dort unterbrochen.
Entgegen der landläufigen Meinung lassen sich diese Alterungsprozesse durch ein Gedächtnistraining weder verhindern noch rückgängig machen. Neue Synapsen oder Zellen können sich nicht bilden. Das Training kann aber bewirken, dass die bestehenden Strukturen länger auf Trab gehalten werden.

   

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