Der Lachdoktor

Dezember 2009 | Medizin & Trends

„Gerade Menschen, denen es sehr schlecht geht, brauchen Humor – und sie haben auch Humor“, sagt Dr. Roman F. Szeliga, Facharzt für Innere Medizin und Mitbegründer der Cliniclowns. In MEDIZIN populär spricht er über die Bedeutung des Humors im Alltag – auch im medizinischen.
 
Von Bettina Benesch

MEDIZIN populär
Herr Dr. Szeliga, Lachen ist gesund, heißt es. Kaum jemand macht sich aber wirklich Gedanken darüber, was dieser Spruch genau bedeutet. Was passiert denn im Körper, wenn wir lachen?

Dr. Roman F. Szeliga
Lachen ist die günstigste, bestfunktionierende Droge, die es gibt. Humor und Lachen können als Antidepressivum eingesetzt werden, Humor als entspannungsförderndes Medikament. Untersuchungen zeigen, dass kontinuierliches Lachen und Humor dauerhaft Blutdruck und Stresshormone senken. Humor verbessert zum Beispiel auch die Blutzuckerwerte. Eine weitere Untersuchung zeigt, dass Lacheinheiten im Extremsport die Durchblutung der Muskulatur verbessern. Und Lachen reduziert auch Schmerzen. Aber das Beste ist das, was man Gott sei Dank nicht messen kann: das Wohlfühlen. Und das Schöne ist ja: Man kann es wieder lernen, dieses Lachen. Wir haben’s ja alle einmal gut gekonnt.

Also ist das grantige Kollektiv frühmorgens in der U-Bahn nicht verloren?

Es gibt viele Gründe, warum man nicht lachen kann, keine Frage. Ich versuche aber immer zu zeigen, dass es viele Gründe gibt, zu lachen oder zu lächeln. Ich kann ja einmal mit einem Lächeln einsteigen. Und das kommt zurück. Ich bin überzeugt: Wenn in der Früh 20 Prozent der Menschen mit einem Lächeln in die U-Bahn einsteigen würden, dann wäre die U-Bahn bald wirklich ein sehr humorvoller Ort. Lachen ist wirklich ansteckend.

Warum müssen wir Lachen wieder lernen, wenn es doch offenbar nur Positives bringt?

Man braucht sich ja nur die Medien anzuschauen: Wenn ich die Zeitung aufschlage, sehe ich, wie schlecht es uns geht: Dort ist schon wieder eine Krankheit ausgebrochen und da schon wieder jemand erschossen worden. Es kostet viel Energie, da zu sagen: „Und jetzt trotzdem!“ Nur es bringt so viel. Wenn wir im Kabarett sitzen oder eine witzige Fernsehsendung anschauen, dann wissen wir, wie gut uns lachen tut.

Wie läßt sich lachen wieder lernen?

Es geht darum, sich zu trauen, Dinge zu tun. Sich zum Beispiel einmal den Spaß zu machen, in der anonymen U-Bahn fremde Menschen offen und herzlich anzulächeln und zu zählen: Wie viele Leute stecke ich mit meinem Lächeln an? Das geht. Und dabei geht es nicht um Perfektion, um besonders gekonnte Pointen. Es gibt Nachrichtensprecher, die ihre Moderationen ohne einen einzelnen Versprecher herunterbeten. Denen schreibt der Regisseur humorvolle Versprecher rein, damit sie menschlich wirken.

Also ist die perfekte Welt in Wahrheit nicht angesagt?

Nein, das Menschliche macht’s aus. Das heißt  nicht, dass man sich zur Witzfigur machen soll, ganz im Gegenteil: Humor hat viel mit Intelligenz zu tun und darf daher auch nie ein Ersatz für Kompetenz sein, sondern die ideale Ergänzung. Aber ich kann doch zum Beispiel ein Meeting anders eröffnen. Humorvoll. Oder als Führungsperson kleine Schwächen zugeben. Über diese Schwächen lachen zu können, hat auch etwas mit Humor zu tun. 

Fehler zuzugeben, scheint gerade im Gesundheitswesen schwierig zu sein.

Klar gibt es Fehler. Weil wir Menschen sind. Viele Ärzte leiden durch den massiven Druck. Viele sind Mediziner geworden, weil sie mit Menschen arbeiten wollen. Und das geht heute viel schwieriger als früher, weil man mit vielen anderen Dingen beschäftigt ist: Administration, Druck von den Kassen, Druck von Kollegen. Dabei ist jeder doch so süchtig nach Menschlichkeit. Humor funktioniert da wie ein Neurotransmitter: Mit Humor kann ich viel transportieren, ich kann Menschen auch viele ernste Sachen sagen.

Sie bieten ein Seminar an mit dem Titel „Patienten sind auch nur Menschen“. Braucht es diesen Hinweis?

Es gibt auch eine Unterzeile dazu: „Ärzte auch“. Wir Ärzte haben nie gelernt, mit Menschen zu kommunizieren, die schwer krank sind. Das erarbeiten wir uns. Aus meiner Sicht ist ein riesiger Bedarf da.

Können die Patienten die Ärzte dabei unterstützen, ihr Kommunikationsdilemma zu lösen?

Auf jeden Fall. Ich würde empfehlen, dass ein Patient einen Arzt – sympathisch und nicht böse – ein bisschen mit der Nase darauf stößt: „Vielleicht können Sie’s mir noch einmal in einfachen Worten erklären.“ Oder: „Sagen Sie mir ein Beispiel dazu.“ Oder: „Lachen‘S ein bissl mehr.“ Ärzte brauchen auch Lob; einmal ein „Danke, dass Sie mir zugehört haben“. Das ist Seelenbalsam.

Dürfen wir in schwierigen Zeiten überhaupt lachen?

Ja, Humor schadet nie. Die Cliniclowns haben mir bewiesen, dass gerade Menschen, denen es sehr schlecht geht, genauso Humor brauchen und dass sie auch Humor haben. Es ist nicht nur einmal passiert, dass Menschen durch positive Energie – und Humor ist auch positive Energie – schwere Krankheiten überwunden haben.

Wenn man sich ein wenig mit Ihrem Lebenslauf beschäftigt, stößt man auf zahlreiche Arbeitsfelder, die sie beackern: Sie sind unter anderem Chef der Kommunikations-Agentur Happy&Ness, Vortragender, Seminarleiter und immer noch aktiv bei den Cliniclowns in der Ausbildung und Beratung. Kommt einem bei derlei umfassender Verantwortung nicht manchmal der Humor abhanden?

Nein.

Niemals?

Klar gibt es Phasen, in denen man sich konzentrieren muss, dass einem das Lachen nicht vergeht. Ich versuche aber, es nicht dazu kommen zu lassen, dass ich grantig ins Büro komme. Ich versuche dann, mich mit sehr positiven Dingen umzustimmen: Sei es, dass ich mir interessante, humorvolle und kreative Sachen im Internet ansehe, die schon lange auf meiner „Watchlist“ stehen. Manchmal, wenn viel Druck da ist, wird’s schwierig, und dann gibt es verschiedene Methoden, wie ich meinen Humor wieder bekomme: Sport machen zum Beispiel. In der Mitte meines Lebens weiß ich, welche positive Kraft Humor hat. Er bringt jedem etwas, jeder Altersstufe, ob ich gesund bin, ob ich krank bin. In allen Sprachen. Wichtig ist dabei: Humor muss authentisch sein und darf nicht auf Kosten anderer passieren. Der echte, ehrliche, gesunde, heilsame Humor ist tiefgründig und beginnt immer damit, sich selbst nicht mehr so wichtig, dafür sich viel mehr selbst auf die Schaufel zu nehmen.

Zur Person:
Dr. Roman F. Szeliga (47) arbeitete zehn Jahre als Facharzt für Innere Medizin, ist nun Geschäftsführer der Kommunikations- und Eventagentur Happy&Ness und als solcher auch als Referent und Moderator im Einsatz. Szeliga begründete die Cliniclowns mit und ist auch heute noch in der Ausbildung und Beratung tätig.

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