Hat mein Kind eine Allergie?

März 2009 | Medizin & Trends

Expertentipps für verunsicherte Eltern
 
Oft beginnt es mit einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel, die mit dem Schuleintritt endet, häufig aber in einen Heuschnupfen mündet, der sich schließlich zum Asthma wandeln kann. MEDIZIN populär über die typische Allergikerkarriere im Kindesalter und wie sie verhindert bzw. gestoppt werden kann.
 
Von Mag. Helga Schimmer

Eine Allergie ist wie die Angst vor einem Marienkäfer: wirklichkeitsfremd. Unser Immunsystem bekämpft dabei völlig harmlose Feinde, denn Blütenpollen, Tierhaare und Nüsse lösen keine Infektionskrankheiten aus. Dennoch kann ein Patient, und sei er noch so jung, nach dem Allergenkontakt an einer plötzlich eintretenden, heftigen Abwehrreaktion sterben. Glücklicherweise kommt dieser Extremfall des anaphylaktischen Schocks nur sehr selten vor. Aber auch die herkömmlichen Symptome an den Augen, den Atmungsorganen und der Haut beeinträchtigen die Lebensqualität bisweilen stark.

„Ob ein Neugeborenes oder ein Säugling eine Allergie entwickeln wird, können wir bisher nicht sicher voraussagen“, grenzt Univ. Prof. Dr. Werner Aberer, Vorstand der Hautklinik an der Medizinischen Universität Graz, die ärztlichen Möglichkeiten ein. „Die erbliche Veranlagung spielt jedoch eine wesentliche Rolle.“ Nach derzeitigem Wissensstand liegt bei Kindern gesunder Eltern das Allergierisiko bei fünf bis 15 Prozent. Ist ein Elternteil Allergiker steigt die Erkrankungshäufigkeit auf 20 bis 40 Prozent. Sind beide Eltern betroffen, ergibt sich gar ein Risiko von 60 bis 80 Prozent. Aberer: „Bei solchen stark allergiegefährdeten Kindern sind – immer dann, wenn bereits andere Familienmitglieder unter Neurodermitis, Heuschnupfen oder Asthma leiden – präventive Maßnahmen wichtig.“

Vorbeugen von Anfang an

Die Wahrscheinlichkeit einer Allergie wird umso größer, je früher der Organismus mit potenziellen Auslösern in Berührung kommt. Bereits in der 20. Schwangerschaftswoche ist das Immunsystem des Fötus so weit herangereift, dass es sich mit Umweltstoffen auseinandersetzen kann, die über Nabelschnur und Plazenta in das ungeborene Kind gelangen. Ab diesem Zeitpunkt ist die Bildung von spezifischen Antikörpern möglich – eine Sensibilisierung bzw. Allergie kann sich also schon im Mutterleib ausbilden. „Schwangere sollten deshalb gezielt bestimmte Allergene meiden“, empfiehlt der Spezialist. Allen voran stehen dabei der Verzicht aufs Rauchen und der Aufenthalt in einer nikotinfreien Umgebung. Außerdem schädlich wirken Chemikalien, die aus Wandanstrichen, Teppichen und Möbeln in die Atemluft ausdünsten. Renovieren werdende Eltern das künftige Kinderzimmer in den Wochen vor der Geburt, könnten sie damit möglicherweise ebenfalls Allergien bei ihrem Sprössling begünstigen.

Dagegen kommt dem Stillen eine starke Schutzfunktion zu: Kinder mit einer erblichen Disposition für Allergien erkranken während der ersten beiden Lebensjahre seltener an Bronchitis, Neurodermitis und Nahrungsmittelallergien, wenn sie vier – besser sechs – Monate ausschließlich mit Muttermilch ernährt werden. Beikost sollte das Baby erst ab dem siebenten Monat Schritt für Schritt erhalten, und zwar nur solche Lebensmittel, die selten Allergien hervorrufen. So sind im ersten – besser auch im zweiten – Lebensjahr Nüsse, Erdnüsse, Soja, Fisch, Kuhmilch und Eier überhaupt tabu, da sie eine hohe allergene Potenz besitzen.

Kuhmilch und Hühnerei

Eine typische Allergikerkarriere beginnt im Säuglings- oder Kindergartenalter mit Reaktionen auf Kuhmilch oder Hühnerei, die sich als Hautprobleme oder Magen-Darm-Beschwerden zeigen. Oft werden die Symptome als Koliken missdeutet. Kommt es immer wieder zu Erbrechen und Durchfällen, können sich das Größenwachstum und die Gewichtszunahme des Babys verzögern. Die meisten Kinder entwachsen ihrer Nahrungsmittelallergie, wenn sie älter werden. Mit fünf oder sechs Jahren können sie das entsprechende Lebensmittel wieder essen. Diese so genannte klinische Toleranz hängt jedoch vom Allergen ab: Während 80 Prozent der kleinen Kuhmilchallergiker etwa um ihren Schuleintritt Milchprodukte wieder vertragen, werden nur 20 Prozent der Kinder mit Erdnussallergie tolerant.

Da jedoch viele betroffene Kinder eine erbliche Veranlagung für allergische Erkrankungen in sich tragen, kommt es in der Folge oft zu Sensibilisierungen auf Innenraum- oder Pollenallergene und zur Ausbildung von Heuschnupfen oder Asthma. Insbesondere von Bedeutung sind dabei jene Substanzen, die in großer Zahl vorhanden sind. Bedenkt man, dass Kinder fast die Hälfte des Tages schlafend in ihren Betten verbringen, wird klar, dass Hausstaubmilben zu den häufigsten Auslösern zählen. Hohe Relevanz besitzen auch Schimmelpilz- und Katzenallergene. Bei Jugendlichen überwiegt die Sensibilisierung auf die verschiedenen Pollensorten.

Asthma und Kreuzallergien

Auf keinen Fall sollten Eltern den allergischen Schnupfen ihrer Kinder bagatellisieren, denn in immerhin 25 Prozent der Fälle dehnen die Beschwerden sich früher oder später von der Nasenschleimhaut auf die Bronchien aus. Doch nicht nur Asthma ist eine typische Folgeerkrankung des allergischen Schnupfens, auch eine akute oder chronische Entzündung der Nasennebenhöhlen, eine Sinusitis, kann sich entwickeln. Häufig sind auch zusätzliche bakterielle Infektionen wie etwa Mittelohrentzündungen zu beobachten. Weiters besteht die Gefahr der Ausbildung von pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien, beispielsweise Kreuzreaktionen zwischen Birkenpollen und Äpfeln oder Gräserpollen und Soja sowie Erdnuss.

„Die Lebensqualität eines allergischen Kindes lässt sich durch systematische Allergenkarenz deutlich verbessern“, sagt Werner Aberer. Im Klartext heißt das: ein hausstaubmilbenarmes und schimmelpilzfreies Wohnklima schaffen, Kinder vor dem Passivrauchen schützen und gegebenenfalls auf ein Haustier verzichten. Um die im individuellen Fall richtigen Vorkehrungen zu treffen, muss die exakte Diagnose durch einen allergologisch geschulten Facharzt erfolgen. Dabei stellt sich oft die Frage, welcher medizinische Experte für die Symptome an Nase, Lunge, Haut oder Magen-Darm-Trakt eigentlich zuständig ist: der Dermatologe, der Asthmaspezialist, der HNO- oder der Kinderarzt? Aberer: „Hier wäre mein Appell an die einzelnen Fachdisziplinen, enger zusammenzuarbeiten, und an die Eltern, keinesfalls zu unkonventionellen Behandlungsmethoden zu greifen, deren Wirkung nicht erwiesen ist und häufig sogar zu falschen Empfehlungen führen.“

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Allergien verhindern oder stoppen
Die besten Maßnahmen

Prim. Dr. Waltraud Emminger, ärztliche Leiterin des Allergie-Ambulatoriums Wien Rennweg, über Maßnahmen, die helfen, Allergien bei Kindern wirksam vorzubeugen bzw. Allergikerkarrieren in den Griff zu bekommen.

  • Stillen.
    Ernähren Sie Ihr Baby am besten sechs Monate ausschließlich mit Muttermilch. Ist das nicht möglich, greifen Sie auf so genannte extensiv hydrolysierte Flaschennahrung zurück, wenn Ihr Kind ein hohes Allergierisiko trägt.
  • Beikost mit Bedacht.
    Beginnen Sie erst ab dem siebenten Monat mit dem Zufüttern. Gehen Sie dabei etappenweise vor und achten Sie drei bis vier Tage lang auf die Verträglichkeit, bevor Sie ein neues Lebensmittel einführen.
  • Verzicht auf hochallergene Speisen.
    Geben Sie Ihrem Kind bis zum zweiten Geburtstag besser keine Nüsse, Erdnüsse, Eier, Kuhmilch sowie kein Soja und keinen Fisch. Auch Zitrusfrüchte, Sellerie und Weizen lösen häufig Unverträglichkeiten aus, und Schokolade kann versteckte Nüsse und Erdnüsse enthalten.

  • Allergenarmes Wohnklima.
    Entfernen Sie Staubfänger aus dem Kinderzimmer, lüften Sie drei bis vier Mal täglich für jeweils fünf bis zehn Minuten, stellen Sie Topfpflanzen in andere Räume und verzichten Sie in Ihrem Zuhause auf den Zug an der Zigarette. Halten Sie kein Haustier, insbesondere keine Katze, wenn Personen mit hohem Allergierisiko in Ihrem Haushalt leben.

  • Richtige Diagnose.
    Zeigen sich bei Ihrem Kind tränende Augen, häufiges Niesen, pfeifende Atemgeräusche oder juckende Haut, sollten Sie an eine Allergie denken und sich möglichst bald zur Austestung an einen allergologisch geschulten Facharzt wenden.

  • Rechtzeitige Therapie.Befolgen Sie den ärztlichen Rat, egal wie weit die Allergie Ihres Kindes fortgeschritten ist. Mit frühzeitigen Maß­nahmen erzielen Sie den besten Effekt und können ernste Folgeerkrankungen verhindern.

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