Knochensport: Wie Bewegung gegen Osteoporose stärkt

März 2014 | Fitness & Entspannung

Mehr als 200 extrem belastbare Knochen bilden in unserem Körper ein wahres Wunderwerk an Stützpfeilern. Doch auch das stabilste Baugerüst kann eines Tages brüchig werden, wenn man nichts dagegen unternimmt. Wie man Knochen ebenso wie Muskeln trainieren kann und durch gezielten Sport der Osteoporose entgegenwirkt.
 
Von Wolfgang Kreuziger

Sie verrichten buchstäblich einen Knochenjob, die Gebeine in unserem Körper: Sie sind vier Mal so belastbar wie Stahlbeton, doppelt so hart wie Granit, und die dicksten von ihnen können einer Zugkraft von satten eineinhalb Tonnen widerstehen – also dem Gewicht eines Kleinlasters. Bitter nur, dass selbst unter dieser superharten Schale ein Kern steckt, der irgendwann einmal weich wird. Schon ab dem 40. Lebensjahr baut das Skelett jährlich an Knochenmasse ab; jene einst so massiven Pfeiler unserer Mobilität werden mit dem Alter mürbe, verlieren an Dichte und brechen leichter. Die alters- oder krankheitsbedingte Ausformung des Knochenschwunds, die Osteoporose, hat mittlerweile rund 700.000 Menschen in Österreich erfasst und gilt damit bereits als dritthäufigste Erkrankungsform nach Herz-Kreislauf-Leiden und Krebs. Die mit Abstand größte Risikogruppe sind dabei hormonbedingt Frauen nach der Menopause, die alleine 80 Prozent der Betroffenen ausmachen. „Menschen erkranken heute aber immer früher an Osteoporose, inzwischen viele sogar schon vor dem 50. Lebensjahr“, mahnt Prim. Univ. Prof. Mag. DDr. Anton Wicker, Vorstand der Universitätsklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation in Salzburg: „Dem Knochen sollte in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.“  
    
Auf Biegen und Brechen

Fakt ist: Selbst der stärkste Kraftlackel schwächelt, wenn er nicht gefordert wird. „Unsere Knochen leiden am meisten, wenn wir sie durch mangelnde Bewegung zu wenig der Schwerkraft entgegenstemmen“, erklärt der Sportmediziner. „Nicht nur bei alten, bettlägerigen Menschen verkümmern die Knochen. Auch bei Astronauten im Weltall hat man Osteoporose festgestellt, weil sie in der Schwerelosigkeit keinen Widerstand bekämpfen mussten. Heute trainieren sie in der Raumkapsel gezielt, um das zu verhindern.“
Bei einem Salto auf der Turnmatte etwa muss das Skelett eines Sportlers das rund 20-fache seines Körpergewichts auffangen. Bei solcher oder ähnlich starker Belastung verbiegt sich z. B. der 45 Zentimeter lange Obeschenkelknochen um bis zu zwei Millimeter, bevor er in die ursprüngliche Form zurückschnellt. Setzt man Knochen solcherart einem Biegereiz aus, werden sie kräftiger. Wicker: „Dann nimmt ihre Dichte sowie Masse zu, und die Außenseite wird rauer, ähnlich Schmirgelpapier.“ Dort können sich Muskeln und Sehnen besonders gut festkrallen, sodass eine verbesserte Kraftübertragung zustande kommt. Erhalten Knochen jedoch keine oder zu wenige Biegereize, bilden sie sich zurück und werden bruchanfälliger.

Den Gebeinen einen Stoß geben

Für das Training des Knochens gilt generell: Je härter seine Belastung im Sport, desto besser. Auf schmerzhafte Art und Weise nützen diesen Grundsatz manche extremen Vertreter fernöstlicher Kampfkünste, die auf harte Flächen schlagen, um die Knochen ihrer Schlaghand zu härten. Für nicht derart geschulte Menschen, die vorbeugend trainieren wollen, zeigt eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Studien, dass Krafttraining durch die hohe Zugbelastung eines der effektivsten Mittel zur Verbesserung der Knochendichte ist. „Überdies kann bei dieser Form des Trainings, bei der das Belastungsgewicht an Maschinen individuell einstellbar ist, im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten der ganze Körper von Kopf bis Fuß trainiert werden“, ergänzt Wicker.
Der deutsche Sportwissenschaftler Priv. Doz. Dr. Michael Fröhlich vom Sportwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes untersuchte durch die Auswertung mehrerer Studien den erzielten Knochenzuwachs verschiedener Sportarten. So dokumentierte er bei jungen Männern, die regelmäßig über einige Jahre hinweg Disziplinen mit hoher Stoßbelastung wie Volleyball, Basketball oder Hürdensprint ausübten, einen Knochenzuwachs von 20 bis 25 Prozent. Bei Sportarten mittlerer Stoßbelastung wie Squash oder Fußball stellte er immerhin noch eine Verbesserung um 15 bis 20 Prozent fest, von Ausdauersportarten wie Schwimmen und Radfahren hingegen profitierte der Knochen fast gar nicht. Disziplinen mit hoher Stoßbelastung nennen wir auch High-Impact-Sportarten“, erläutert Fröhlich. „Diese bewirken neben Krafttraining die effektivste Zunahme an Knochenmineralsubstanz.“    

Der lange Trainingsatem

So unterschiedlich wie die einzelnen Knochensportarten ist allerdings auch der Gesundheitszustand derjenigen, die sie ausüben wollen. Daher rät Wicker dringend, sich je nach Alter, Körpergewicht und Fitness vom Arzt ein passendes Übungsprogramm auf den Leib schneidern zu lassen: „Bewegung muss wie ein Medikament verordnet werden. Ballsportarten sind aufgrund der hohen Gelenksbelastung oft nicht für jene ratsam, die sich ohnehin wenig bewegen“, warnt er. Ältere und wenig trainierte Menschen, die vielleicht schon an Osteoporose leiden, sollten lieber als Basis mit anstrengendem Gehen beginnen. „Es kommt auf die Intensität an, denn auch rasches Gehen sowie Berg- und Stiegensteigen setzen bereits Knochenwachstumsreize.“
Zwei bis drei Mal eine Stunde Sport pro Woche sollte man laut dem Experten beim Knochentraining anstreben, um eine Wirkung feststellen zu können. Außerdem vonnöten: ein sehr, sehr langer Atem. „Muskeln lassen sich in drei Monaten ordentlich auftrainieren, Sehnen in zehn Monaten kräftigen“, verrät Wicker. „Beim Knochentraining allerdings lassen deutliche Effekte oft bis zu zwei Jahre auf sich warten.“ Verstärken könne man diese durch zusätzliche Einnahme von Kalziumpräparaten und Vitamin-D-Tropfen.

Das überzogene Knochenkonto

Trotz allen Trainings kann man jedoch nie mehr aufholen, was im Kindesalter versäumt wurde, denn vom hochgradig dichten Skelettaufbau einer wahrhaft „bewegten“ Kindheit zehren wir bis ins Alter. Fand dieser nicht statt, kann eine gewisse Knochenqualität später nicht mehr erreicht werden. „Dort liegt heute das Problem, denn ein Kind darf ja nicht mehr wild fangen spielen oder raufen wie wir früher“, klagt Wicker. „Aber gerade für die Playstation-Generation wäre Sport doppelt wichtig. Haben Kinder nämlich bildlich gesprochen ihr Knochenkonto nicht genügend prall aufgefüllt, überziehen sie es im Alter rascher und werden irgendwann zahlungsunfähig.“

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„Baugerüst Knochen“: Ab 40 wird abgebaut

Sie stützen uns in allen Lebenslagen, die zwischen 206 und 210 Knochen im menschlichen Körper. Babys weisen bei der Geburt noch 350 auf, von denen später viele zusammenwachsen. Dieses extrem harte und belastbare „Baugerüst“ in unserem Inneren hält und stützt weiche Teile wie Muskeln und Organe und macht Kraftentfaltung erst möglich.
Im Inneren ist ein Knochen wie ein Schwamm aus Hohlräumen aufgebaut, die mit Knochenmark gefüllt sind, worin rote Blutkörperchen gebildet werden. Die Knochensubstanz selbst besteht aus 20 Prozent Wasser, 25 Prozent Knochenzellen und -knorpeln sowie 55 Prozent Salzen wie Calciumkarbonat oder Magnesiumsulphat.
Knochensubstanz ist keine fixe Masse, sie wird im Körper ständig auf- und abgebaut. Etwa bis zum 30. Lebensjahr überwiegt die Neubildung, ab dem 40. herrscht der Abbau vor. In der Regel liegt der Verlust an Knochenmasse bei rund einem Prozent pro Jahr, bei Osteoporose kann er bis zu sechs Prozent betragen.    

Stand 02/2014

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