Wenn Hormone Stimmung machen

September 2010 | Medizin & Trends

Wie stark Östrogene & Co die weibliche Stimmung beeinflussen
 
Wenn bei Frauen die Tränen besonders leicht fließen, der Geduldsfaden rascher als sonst reißt, die Gefühle Achterbahn fahren, wird die Schuld oft auf die Hormone geschoben. Doch wie stark ist ihr Einfluss wirklich? MEDIZIN populär über die wahren Zusammenhänge zwischen Stimmungen und Hormonen.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Die 53-jährige Sabine K. ist am Ende: Zwar lebt sie seit Jahren in einer harmonischen Beziehung, ihrer beruflichen Führungsposition wird sie spielend gerecht, und ihre Urlaubsreisen führen sie an traumhafte Destinationen rund um den Globus. Dennoch ist sie seit Monaten todunglücklich und sieht in ihrem Leben keinen Sinn. Die 17-jährige Hanna wiederum hat seit einem Jahr regelmäßig Panikattacken, sie kriegt Angstzustände und Schweißausbrüche und hält es im Klassenzimmer kaum aus. Dass sie nächstes Jahr maturieren wird, versetzt die Pubertierende zusätzlich in Stress.
In beiden Fällen sind die Beschwerden auf eine Ursache zurückzuführen: Es sind die Hormone! Auch wenn der Ausspruch manchmal leichtfertig dahergesagt wird, oft ist er – zumindest teilweise – berechtigt. „Offenbar gibt es im Zyklus der Frau Phasen, in denen durch Hormonschwankungen seelische Probleme entstehen können“, erklärt Univ. Prof. DDr. Johannes Huber, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Wien. „Es ist beispielsweise ein allgemein bekanntes Phänomen, dass sehr viele Frauen einige Tage vor der Menstruation eine gewisse Turbulenz in den Stimmungen bemerken.“ Dieser Aufruhr kann sich auf ganz unterschiedliche Weise äußern: in Form von Unruhezuständen, Schlafstörungen oder sogar Depressionen.
Im Wesentlichen sind es vier Hormone, die die Gefühlswelt von Sabine, Hanna und ihren Leidensgenossinnen durcheinanderbringen.

Das Beruhigungshormon:
Progesteron (Gelbkörperhormon)

„Für die Stimmungsschwankungen vor der Menstruation ist das Progesteron, das Gelbkörperhormon, verantwortlich“, erklärt Johannes Huber. „Das Hormon wirkt, wenn es verstoffwechselt wird, beruhigend auf den Organismus.“ Ist dieser Mechanismus aus irgendeinem Grund gestört, bleibt auch die beruhigende Wirkung des Gelbkörperhormons, das man auch als „körpereigenes Valium“ bezeichnet, aus. „Dann leiden Frauen oftmals unter Depressionen und anderen heftigen Gemütsbewegungen.“ Schon in der Pubertät kann das Fehlen von Progesteron – wie man am Beispiel Hannas sieht – fatale Folgen haben. „Es ist ein Phänomen, dass nach dem Eintreten der Pubertät, zwischen dem zwölften und 18. Lebensjahr, junge Mädchen oft besonders sensibel sind. Angstzustände, Panikattacken, Phobien, aber auch Essstörungen kommen bei ihnen in dieser Zeit zwei bis drei Mal so häufig vor wie bei jungen Burschen.“ Diese seelische Verletzbarkeit lässt sich wenigstens zum Teil auf die hormonelle Situation und die (sich noch entwickelnde) Geschlechtsreife zurückführen. „Mit Eintreten der Pubertät kommt es oft zu einer Menstruation, aber nicht immer zu einem Eisprung“, erklärt Facharzt Huber. „Dann fehlt das für die Gelbkörperphase verantwortliche Progesteron und sein Fehlen kann mitverantwortlich dafür sein, dass junge Mädchen diese furchtbaren Probleme bekommen.“

Das Glückshormon:
Östrogen

Bei Sabine K. wiederum sind es die Östrogene, die wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone, die eine entscheidende Rolle beim Entstehen der schlimmen Sinnkrise spielen. „Manche Frauen, die in die Wechseljahre kommen, berichten, dass eigentlich alles in Ordnung ist, sie ein angenehmes Leben führen und ein schönes Zuhause haben – und dennoch depressiv sind“, berichtet der Hormonexperte. „Die Ursache für diese Zustände kann das Abfallen des Östrogenspiegels sein. Das Östrogen wirkt auf die Stimmung nämlich stark stimulierend, es treibt den weiblichen Geist an.“ Wenn es an Östrogen, das wie Progesteron in den weiblichen Eierstöcken gebildet wird, fehlt, mangelt es entsprechend an diesem belebenden Antriebsmotor.

Das Powerhormon:
Testosteron

Das wichtigste männliche Sexualhormon, das Testosteron, spielt auch für die Frau und ihre Stimmungslage eine erhebliche Rolle. Fehlt es an dem Powerhormon, das wesentlich für unsere Libido verantwortlich ist, kann dies in der Folge Frustration und schlechte Laune auslösen. „Besonders häufig sind Frauen, die die Pille nehmen, von einem Testosteronmangel betroffen“, berichtet Huber. Ansonsten nimmt das Testosteron bei Frauen ab einem Alter von 60, 65 Jahren, bei manchen aber auch schon um das 40. Lebensjahr kontinuierlich ab. „Das Absinken des Testosteronspiegels kann dazu führen, dass auch die Libido abnimmt, was sich letztlich auch auf die Psyche – die Stimmung und das Wohlbefinden – auswirkt“, erklärt der Gynäkologe den Zusammenhang. Bei der Frau wird Testosteron in den Eierstöcken bzw. den Nebennierenrinden gebildet.

Das Bindungshormon:
Oxytocin

„Oxytocin, das Bindungshormon, wird beim Geschlechtsverkehr freigesetzt und hat die Aufgabe, die Geschlechtspartner aneinanderzubinden“, erklärt Huber. „Diese Bindung ist im Interesse der Fortpflanzung.“ Ein Mangel an dem auch als „Kuschelhormon“ bezeichneten Oxytocin, lasse sich nur schlecht nachweisen, da es sehr kurzlebig ist, dennoch könne das Fehlen verschiedene seelischen Missstimmungen hervorrufen. „Stimmungsmäßig könnte sich dies darin äußern, dass man dem Partner grundlos misstraut“, gibt Huber ein Beispiel. Im Gegensatz zu Progesteron, Östrogen und Testosteron wird Oxytocin, das auch beim Stillen des Säuglings eine wichtige Rolle spielt, im Hypophysenhinterlappen, dem Hypothalamus, gebildet.

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Wechselbad der Gefühle: Gesunder Lebensstil hilft

Was hilft, wenn in der prämenstruellen Phase Stimmungsschwankungen, Übellaunigkeit und Gereiztheit zu schaffen machen oder in der Menopause ein Wechselbad der Gefühle belastet? „Sport zu treiben ist immer gut, da Bewegung den Testosteronspiegel erhöht“, rät Univ. Prof. DDr. Johannes Huber. „Der weibliche Körper ist in der Lage, aus Testosteron Östrogen herzustellen und Östrogen hebt die Stimmung.“ Außerdem empfehle sich generell ein (gesundheits)bewusster Lebensstil: maßvoll essen, auf Alkohol verzichten, ausreichend schlafen.
Sind die Beeinträchtigungen schwerwiegender – so wie im Fall von Sabine oder Hanna – sollte fachärztlicher Rat durch eine Gynäkologin/einen Gynäkologen eingeholt werden.

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Wechselwirkung: Stimmung beeinflusst Hormone

So wie die verschiedenen Botenstoffe Stimmungen beeinflussen können, haben umgekehrt Empfindungen und Gefühle eine Wirkung auf die hormonelle Situation: (Gefühls-) Zustände wie Stress, Überforderung, Traurigkeit, Kränkung und Hormonlage stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. „Die verschiedenen Zustände wirken sich auf die Hormone aus, sodass beispielsweise plötzlich die Regel ausbleiben kann“, schildert der Hormonexperte Univ. Prof. DDr. Johannes Huber eine mögliche Konsequenz. „Das kann nicht nur in der Pubertät, sondern immer dann der Fall sein, wenn zum Beispiel eine Belastung zu groß wird.“
Wie genau es dazu kommt? „Die Psyche ist letztlich auch ein biochemischer Akt, bei dem Neurotransmittoren im großen Stil freigesetzt werden.“ Und Neurotransmittoren wie Serotonin oder Adrenalin wirken auf die hormonbildenden Drüsen. „Wenn eine Frau z. B. großer Stressbelastung ausgesetzt und permanent traurig ist, dann wirkt die Psyche auf den Eierstock, der ein extrem sensitives Organ ist. In der Folge fällt alles aus – Östrogen, Progesteron, Testosteron – und der Eierstock wird durch die Psyche gleichsam in einen Winterschlaf geworfen.“

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