Kaiserschnitt: Die Vor- und Nachteile

September 2009 | Medizin & Trends

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Kaiserschnittrate in Österreich von zehn auf mehr als 25 Prozent gestiegen. Die Vorteile der Geburt nach Plan sind nicht von der Hand zu weisen, doch kaum jemand kennt die ganze Palette der Nachteile. MEDIZIN populär informiert über die gesundheitlichen Risiken, die ein Kaiserschnitt für Mutter und Kind bergen kann.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Nicht nur Stars und Sternchen entschließen sich für die Geburt nach Plan. Immer mehr Frauen wie du und ich wollen ihr Kind nicht nach stundenlangen Wehen auf die Welt bringen, sondern geben dem schnellen Schnitt durch die Bauchdecke den Vorzug. Der Blick in die Statistik zeigt das mehr als deutlich. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Kaiserschnittrate in Österreich von zehn Prozent auf mehr als 25 Prozent gestiegen. Wie viele dieser Kaiserschnitte Wunsch-Kaiserschnitte sind, wird statistisch zwar nicht erfasst. Man könne aber davon ausgehen, dass sehr viele der Eingriffe auf Wunsch der Mutter durchgeführt werden, sagt Univ. Prof. Dr. Karl Philipp, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Wiener Donauspital SMZ-Ost, wo jedes Jahr etwa 2000 Frauen gebären. Denn eines weiß der erfahrene Experte: „Aus medizinischen Gründen ist ein Kaiserschnitt nicht so oft notwendig, ich würde sagen, in höchstens zehn bis 15 Prozent der Fälle.“

Vorteile für Mutter und Kind

Was die werdenden Mütter dazu veranlasst, von vornherein auf einen Kaiserschnitt zu bestehen? Umfragen unter Hebammen haben ergeben, dass die Angst vor der natürlichen Geburt, vor den damit verbundenen Schmerzen und Komplikationen die hauptsächlichen Motive der Mütter sind, sich für den Eingriff zu entscheiden, der in der Fachsprache der Mediziner „sectio caesarea“ genannt wird.
Was bringt der Kaiserschnitt der Mutter? Zum einen bleibt sie von Verletzungen verschont, die eine natürliche Geburt zur Folge haben kann, wie Blasenschäden, Dammriss oder Schambeinlockerung. Anders als bei der natürlichen Geburt und der damit einhergehenden Dehnung der Vagina brauchen die Frauen zum anderen auch nicht zu befürchten, später in ihrem sexuellen Lustempfinden beeinträchtigt zu sein. Weiters spricht für den Kaiserschnitt: Die Schwangerschaft muss nicht bis zum letzten Tag ausgestanden werden, sondern kann zwei, drei Wochen früher beendet werden. Der Geburtstermin ist planbar, so kann der Geburtstag des Kindes bestimmt werden.
Dem Kind bleiben durch den Kaiserschnitt Verletzungen am Kopf oder an den Schultern erspart, die entstehen können, wenn es während des Geburtsvorgangs im Geburtskanal hängenbleibt und mit der Saugglocke oder Zange geholt werden muss. Außerdem kann es nicht zu dem gefürchteten Sauerstoffmangel während der Geburt kommen, der schlimmstenfalls zu Hirnschäden und einer bleibenden Behinderung führt. Und einer aktuellen Studie zufolge sollen Kinder, die per Kaiserschnitt geholt werden, später stressresistenter durchs Leben gehen als Kinder, die auf natürlichem Weg geboren wurden. Die Begründung: Das abrupte Erblicken des Lichts der Welt gepaart mit der plötzlich auftretenden Notwendigkeit des selbstständigen Atmens sei ein derartiger Schock für die Kleinen, dass sie später sozusagen nichts mehr so leicht erschüttern könne.

Operation mit Risken

Die Vorteile des geplanten Kaiserschnittes sind nicht von der Hand zu weisen. Allerdings, wie Prof. Philipp sagt: „Der Kaiserschnitt ist und bleibt eine Operation, und jede Operation ist mit Risiken verbunden.“ Aus medizinischer Sicht ist ein Kaiserschnitt lediglich dann notwendig, wenn die natürliche Geburt die Gesundheit bzw. das Leben von Mutter und/oder Kind gefährdet oder voraussichtlich gefährden wird. Das ist z. B. dann der Fall, wenn das Kind im Vergleich zum Beckendurchmesser der Frau zu groß und zu schwer ist, um den Weg durch den Geburtskanal komplikationsfrei bewältigen zu können. Auch wenn das Kind abnormal liegt und selbst nach allen Regeln der ärztlichen Kunst nicht rechtzeitig in die richtige Geburtsposition gebracht werden kann, ist der Schnitt durch die Bauchdecke unumgänglich. Andere Indikationen für einen Kaiserschnitt: Das Kind ist zu klein, um die Geburt durchzustehen, und muss geholt werden. Oder es handelt sich um eine schwierige Zwillings- oder Mehrlingsgeburt. Oder die Frau hat bereits einmal oder mehrmals per Kaiserschnitt entbunden und benötigt wieder einen. Prof. Philipp: „Durch das wiederholte Aufschneiden und Zunähen wird die Gebärmutterwand dünner, und die Gefahr ist groß, dass die Gebärmutter noch gegen Ende der Schwangerschaft oder während des Geburtsvorgangs reißt, was zu schweren Komplikationen bei Mutter und Kind führen kann.“

Kaum bekannte Gefahren

So kommt es, dass der Kaiserschnitt selbst zum größten Risiko einer nächsten Schwangerschaft wird und oft einen neuerlichen Kaiserschnitt notwendig macht. Kaum jemand kennt die übrigen medizinischen Nachteile, die mit dem oft gewünschten Eingriff verbunden sind. Es beginnt schon einmal damit, dass die Operation unter einer Lokalbetäubung durchgeführt wird, dem Kreuzstich, der den gesamten Unterkörper schmerzunempfindlich macht. Das ist nicht selten mit Nebenwirkungen verbunden wie Kopfschmerzen, einem Blutdruckabfall und Herzbeschwerden, die gefährlich werden können.
Nach dem Eingriff, der etwa eine halbe Stunde dauert und bei vollem Bewusstsein erlebt wird, ist die Frau in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, das heißt sie kann eine Zeit lang nur unter Mühen sitzen, stehen und gehen. Im Vergleich zur natürlichen Geburt werden beim Kaiserschnitt auch wesentlich weniger Hormone ausgeschüttet. Das kann wiederum dazu führen, dass die Muttermilch auf sich warten lässt. Oder die Mutter tut sich zunächst schwer damit, eine Bindung zum Kind aufzubauen und Mutterliebe zu entwickeln, was wiederum kurzfristig zu Verstimmungen bis hin zu Depressionen führen kann. Wenn die Wirkung der Anästhesie nachlässt, schmerzt die Operationswunde. Zwar selten, aber doch passiert es auch, dass beim Bauchschnitt umliegende Organe geschädigt werden. Dann haben Betroffene oft noch lang nach der Operation unter Blasen- oder Darmproblemen zu leiden. Zum Problem werden mitunter auch schlecht verheilende Narben oder Verwachsungen, die nicht nur unschön aussehen, sondern schmerzen.

Babys Atmung in Bedrängnis

Als größte Gefahr für das Kind, das per Kaiserschnitt auf die Welt kommt, nennt Prof. Philipp ein erhöhtes Risiko für Anpassungsstörungen der Atmung, was allerdings so gut wie nie zu bleibenden Schäden führt. „Bei der natürlichen Geburt wird das Kind beim Durchtritt durch das Becken durch das Zusammendrücken des Brustkorbs besser auf die Eigenatmung vorbereitet als bei der Kaiserschnitt-Geburt, wo die Atmung von einer Minute auf die andere funktionieren muss.“
Oft wird auch eine erhöhte Anfälligkeit für Allergien, von der Pollenallergie über Neurodermitis und Psoriasis bis hin zu Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten der Kaiserschnitt-Kinder gegenüber Kindern angenommen, die auf natürliche Art und Weise auf die Welt kamen. Davon hat der Experte bisher allerdings noch nichts bemerkt. Und auch was das psychische Wohlbefinden von Mutter und Kind anbelangt, hat er in seiner langjährigen Praxis kaum anhaltende Unterschiede festgestellt. „Nach einigen Tagen sind sicher 80 Prozent der Mütter glücklich und zufrieden mit der Geburt, ganz egal, wie sie entbunden haben.“

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So wird operiert

Der Kaiserschnitt wird nur in schwierigen Fällen bei Vollnarkose durchgeführt, ansonsten genügt ein Kreuzstich, genauer die Peridural- oder Spinalanästhesie in den Wirbelkanal. Durch die Injektion wird der Unterkörper betäubt und schmerzunempfindlich gemacht. Ist die Wirkung der Anästhesie eingetreten, wird ein horizontaler, 15 bis 20 Zentimeter langer Schnitt an der oberen Schamhaargrenze durch die Bauchdecke gesetzt. Durch diesen Schnitt wird das Kind herausgeholt und in den meisten Fällen zunächst dem Vater – sofern er anwesend ist – übergeben. Danach wird der Schnitt zugenäht, der Eingriff ist binnen 30 Minuten beendet. Sobald sich die Mutter erholt hat, wird das Kind zu ihr gebracht.

Der „Kaiserschnitt light“ oder „Wellness-Kaiserschnitt“ unterscheidet sich vom herkömmlichen Kaiserschnitt dadurch, dass der Schnitt durch die Bauchdecke etwas weiter oben erfolgt, kleiner ist und so ausgeführt wird, dass kein Muskelgewebe in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Kind wird durch Drücken und Ziehen aus dem Bauch geholt, die Schnittwunde verheilt schneller. Das Risiko, dass die Gebärmutter bei einer nachfolgenden Geburt reißt, ist allerdings höher als beim herkömmlichen Kaiserschnitt, weil der Schnitt weiter oben gemacht wird, wo die Dehnung später wieder größer ist.

Kaiserschnitt Nummer zwei, drei, vier: Eine Frau, die bereits einmal per Kaiserschnitt entbunden hat, muss das nicht zwangsweise wieder tun. Unter entsprechender ärztlicher Begleitung ist es auch möglich, eine natürliche Geburt zu versuchen. Wird neuerlich ein Kaiserschnitt durchgeführt, erfolgt der Bauchschnitt entlang der früheren Narbe. Eventuell vorhandenes unschönes Narbengewebe wird dabei entfernt. Die durchschnittenen Schichten wachsen so wie beim zweiten auch nach einem eventuellen dritten oder vierten Schnitt wieder zu.

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