Übergewicht bei Männern

Januar 2007 | Medizin & Trends

Bauchumfang zeigt Risiko
 
Aktuelle Statistiken bringen es ans Licht: In Österreich ist jeder zweite über 20-jährige Mann zu dick und riskiert, sich mit dem Übergewicht über kurz oder lang eine Reihe von Beschwerden einzuhandeln und frühzeitig zu sterben. Die gute Nachricht: Hat ein Mann sich einmal dazu entschlossen, den Kilos den Kampf anzusagen und nimmt ab, so schwinden mit der Körpermasse erfahrungsgemäß auch die Risikofaktoren.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Ab wann ist ein Mann zu dick? „Das kommt darauf an“, sagt Primar Univ. Prof. Dr. Friedrich Hoppichler vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg. Der Internist, Kardiologe, Stoffwechselexperte sowie Leiter des präventivmedizinischen Projekts „SIPCAN save your life“, einer Initiative für gesundes Leben, meint damit aber nicht die von Mensch zu Mensch verschiedene Betrachtungsweise, sondern die Berechnungsart.

Nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen spielt laut Prof. Hoppichler der Bauch die wichtigste Rolle bei der Definition vom Dicksein. Dazu wurden die Maßstäbe von der Amerikanischen Diabetes Gesellschaft festgelegt, und die sind streng: Als zu dick gilt bereits ein Mann, der in Nabelhöhe gemessen einen Umfang von mehr als 94 Zentimetern hat (bei einer Frau bilden 80 Zentimeter die Grenze). Das ist wenig, doch die relativ niedrigen Werte haben einen triftigen wissenschaftlichen Grund. Langjährige Forschungen zeigten beispielsweise, dass ein Mann mit einem Umfang von 102 Zentimetern ein deutlich höheres Risiko hat, einen Herzinfarkt zu erleiden, als ein Mann mit 94 Zentimetern. Und noch etwas können die Medizinerinnen und Mediziner mit Gewissheit sagen: „Je mehr Bauchumfang ein Mann hat, desto wahrscheinlicher ist außerdem, dass er an Diabetes mellitus erkrankt, also zuckerkrank wird“, sagt Prof. Hoppichler. Fazit: Es zahlt sich aus, einmal ganz genau den Umfang der Leibesmitte zu messen und sich gegebenenfalls darum zu bemühen, dass der Gürtel enger geschnallt werden kann.

Fettleibigkeit als Pandemie
Etwas älter ist die Berechnung über den Body-Mass-Index BMI, der bei Männern genauso wie bei Frauen aus dem Gewicht in Kilogramm dividiert durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat berechnet wird. Bei einem BMI zwischen 25 und 29,9 besteht bereits Übergewicht, bei einem BMI über 30 krankhafte Fettsucht, die so genannte Adipositas – Werte, die viel zu viele Menschen aufweisen: Aus dem ersten österreichischen Adipositasbericht 2006 geht hervor, dass 54,3 Prozent der Österreicher über 20 Jahren einen BMI über 25 haben. Das heißt: Jeder zweite Mann ist zu dick. Weitere 9,1 Prozent haben sogar einen BMI über 30, sind also adipös. Zusammen ergibt das so viele Dicke wie nie, und nach den Prognosen von Experten wird die Zahl der dicken Männer, aber auch der Frauen und Kinder weiter steigen – nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt. Prof. Hoppichler: „Fettleibigkeit ist zu einer international um sich greifenden Seuche, einer Pandemie, geworden.“

Lebensstil macht dick
Warum werden wir immer dicker? Als Hauptursache nennt Prof. Hoppichler den gegenwärtigen Lebensstil. „Wir werden durch die Essensangebote dazu verleitet, uns zu überessen.“ King-Size-Burger, Riesenschnitzel und -Germknödel sowie All-Inclusive-Angebote im Urlaub, bei denen der Preis derselbe bleibt, egal, ob wir wenig essen oder dreimal Nachschub holen, sind die Normalität. Man isst auch vielfach nicht mehr, um satt zu werden, sondern beispielsweise, um sich nach einem stressigen Arbeitstag zu entspannen, sich zu erholen. Oder auch, um sich zu belohnen.

Hinzu kommt, dass unser Stoffwechsel gar nicht auf das viele Essen bei gleichzeitig zunehmender Bewegungsarmut ausgerichtet ist, sondern auf das bewegte Leben in der Steinzeit, als der Mensch noch Jäger und Sammler war. Und schließlich können auch körperliche Ursachen hinter der Fettleibigkeit stecken, wie hormonelle Störungen und genetisch bedingte Krankheiten. Oder eine Essstörung besteht, bei der die Betroffenen aufgrund psychischer Probleme andauernd und zwanghaft Nahrung in sich hineinstopfen. Auch das kommt bei Männern vor, wenn auch vergleichsweise seltener als bei Frauen.

Egal ob schlank oder dick: Wird als Ausgleich zum Sitzen am Schreibtisch oder vor dem Fernseher kein Sport betrieben, verringert sich die Muskelmasse, was den Kalorienbedarf senkt. Das ist ein Prozess, der sich im Zug des Alterns verschnellert: Je älter wir werden, desto weniger Nahrung brauchen wir. „Insbesondere Männer essen aber auch nach ihrem 50er genauso viel, wie sie immer schon gegessen haben“, sagt Prof. Hoppichler. Die Folgen sind an den Zahlen im Adipositasbericht zu sehen. In der Altersgruppe der 54- bis 65-jährigen Männer klettert der Anteil der Übergewichtigen vom Durchschnittswert 54,3 Prozent auf den Spitzenwert von 60,7 Prozent. Weitere 13,6 Prozent der 54-plus-Männer sind adipös und nur noch 25,2 Prozent normalgewichtig.

Rechtzeitig zum Arzt!
Im Gegensatz zu dicken Frauen, die das Übergewicht an sich als Problem betrachten und beim Abnehmen oft auch ärztliche Hilfe suchen, gehen dicke Männer erst dann zu einer Ärztin oder zu einem Arzt, wenn wegen dem Zuviel an Kilos bereits Beschwerden aufgetreten sind, wenn ihnen etwas weh tut, oder wenn sie merken, dass mit ihnen etwas nicht mehr stimmt. Kurz: dann, wenn bereits erste Folgeerkrankungen des Übergewichts auftreten sind.

Das Erfolgsrezept
Häufige Folgeerkrankungen von Fettleibigkeit sind neben Herz- und Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus auch Arthrose, Gelenksabnützungen und -entzündungen, vor allem in den Knien. Durch die vermehrten Ablagerungen in den Gefäßen ist zudem das Risiko, an Arteriosklerose zu erkranken, bei dicken Männern weit höher als bei Schlanken, was Schlaganfälle und Herzinfarkte sowie den frühzeitigen Herztod wahrscheinlicher macht. Und: Dicke Männer sind wesentlich anfälliger als Schlanke für Potenzstörungen, und sie erkranken eher an Dickdarm- oder Prostatakrebs.
Je weiter fortgeschritten die Folgeerkrankungen des Übergewichts schon sind, desto schwieriger ist es zwar, sozusagen alles wieder gut zu machen. Doch hat Mann sich einmal dazu entschlossen, abzunehmen, kann es funktionieren. Prof. Hoppichler über den Schritt, den ein Übergewichtiger oder Adipöser setzen sollte: „Sich einen Ruck geben und ärztliche Hilfe suchen.“ Auf der Grundlage einer ausführlichen Untersuchung können anschließend Ernährungs- und Sportmediziner maßgeschneiderte Diätpläne und Bewegungsprogramme erstellen.
Prof. Hoppichlers Erfolgsrezept für jene, die nur die paar Zentimeter zu viel um den Bauch loswerden wollen: Dreimal pro Woche 30 bis 45 Minuten Ausdauersport, dazu ein Training, das die Muskeln stärkt, und eine Umstellung der Ernährung, die besonders viel Obst, Gemüse, Salate und Fisch enthalten sollte.
Wer es geschafft hat, schlank zu werden und zu bleiben, weiß Prof. Hoppichler, ist nicht nur gesünder als vorher, sondern auch glücklicher und zufriedener. „Das einzige, worüber sich diese Männer dann noch ärgern, ist, dass sie nicht schon viel früher etwas gegen ihr Übergewicht unternommen haben.“

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Die Risiken dicker Männer

Herz- und Kreislauferkrankungen, Stoffwechselstörungen:
Dicke Männer haben im Vergleich zu dicken Frauen ein viel höheres Risiko, Herz- und Kreislauferkrankungen zu erleiden. Der Grund: Während übergewichtige Frauen eher an Po und Oberschenkeln zulegen, bekommen Männer runde Fettbäuche. Von dort aus gelangen aggressive Stoffwechselprodukte wie freie Fettsäuren durch die Pfortader, die das Blut aus der Bauchregion sammelt, direkt in die Leber und lösen dort Zucker- und Fettstoffwechselstörungen aus, die Herz und Kreislauf sowie andere Organe schwächen.  

Potenzschwächen, Impotenz, Unfruchtbarkeit:
Männer mit Übergewicht haben im Vergleich zu normalgewichtigen Geschlechtsgenossen ein deutlich höheres Risiko, unter Potenzschwächen bis hin zur Impotenz zu leiden. Der Grund: Übergewicht verursacht Hormonstörungen. Aus einer Untersuchung des National Institute of Environmental Health Sciences in North Carolina/USA geht außerdem hervor, dass ein Zuviel an Kilos unfruchtbar macht. Übergewicht führt nämlich nicht nur zu Libido-Verlust, es verschlechtert, wie Wissenschaftler vermuten, auch die Samenqualität.     
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