Parodontitis: Gefahr für Zähne und Mensch

April 2008 | Medizin & Trends

Schon seit einiger Zeit weiß man, dass Parodontitis weit mehr als ein Schönheitsfehler ist. Der Zahn geht letztlich verloren, wenn die entzündliche Erkrankung des Zahnfleisches nicht rechtzeitig behandelt wird. Was man vor kurzem herausfand, macht vorbeugende Maßnahmen noch wichtiger als bisher. Denn Parodontitis kann verschiedene Organe im Körper schädigen und schwere Erkrankungen auslösen. Lesen Sie, welche das sind – und was Sie tun können, damit Zähne und Zahnfleisch gesund und schön bleiben.
 
Von Mag. Helga Schimmer

Es fängt mit Zahnbelag und Zahnstein an, den die Betroffenen meistens ignorieren. Die Plaque-Schichten aber bieten Bakterien einen idealen Nährboden, die Krankheitserreger vermehren sich ungehindert, entzünden das Zahnfleisch und lösen es allmählich vom Zahn. Die entstehenden Zahnfleischtaschen werden immer tiefer, die Zähne beginnen sich zu lockern. In der Folge zerfallen die elastischen Haltefasern und Knochensubstanz wird zerstört. Schreitet der Abbauprozess bis an die Wurzelspitzen fort, steht am Ende unweigerlich der Zahnverlust.

„Die Parodontitis gab es schon immer“, sagt Dr. Petra Wittmann-Grabherr, Fachärztin für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Petronell-Carnuntum, „nur schenkt man ihr heute mehr Beachtung.“ Und das aus gutem Grund: Die aktuelle deutsche Mundgesundheitsstudie zeigt, dass mehr als 50 Prozent der über 35-Jährigen unter der entzündlichen Schädigung des Zahnhalteapparates leiden. Experten sprechen von ähnlichen Zahlen für Österreich. Während Karies in den letzten Jahren rückläufig ist, nehmen Parodontalerkrankungen zu. „Das liegt vor allem am ungesünderen Lebensstil“, erläutert Wittmann-Grabherr. „Stress verschlimmert eine Zahnfleischentzündung, und Raucher haben gegenüber Nichtrauchern ein vier- bis sechsmal höheres Risiko, an Parodontitis zu erkranken.“ An den Zähnen der Tabakkonsumenten bleiben Beläge mit giftigen Stoffwechselprodukten weitaus beharrlicher haften, zudem vermindert Nikotin die Durchblutung des Zahnfleisches und macht es anfälliger für Infektionen.

Zucker belastet Zahnbett
Auch ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel belastet das Zahnbett. Menschen mit Diabetes erkranken deshalb häufiger an Parodontitis. Umgekehrt haben es Diabetiker mit stark entzündetem Zahnverankerungssystem schwerer, ihren Zuckerpegel zu kontrollieren. Wird die Parodontitis jedoch erfolgreich behandelt, sinkt das Risiko für weitere durch die Zuckerkrankheit bedingte Beeinträchtigungen etwa der Augen und Nieren.
Außerdem spielen Erbfaktoren, Immunschwäche, vitaminarme Ernährung und Zahnfehlstellungen, die das Reinigen erschweren, bei der Entstehung von bleibenden Zahnbettschäden eine wesentliche Rolle.

Die wohl größte Gefahr aber ist mangelnde Mundhygiene: Gründliches Zähneputzen allein kann die schon bestehende Krankheit nicht eindämmen, da die Bakterien ihr Zerstörungswerk versteckt in den Zahnfleischtaschen verrichten. Selbst der fortschreitende Knochenabbau geht meist langsam und schmerzlos vor sich. Dr. Wittmann-Grabherr: „Leider nehmen Patienten eine Parodontitis im Frühstadium oft auf die leichte Schulter. Eine regelmäßige professionelle Reinigung durch zahnmedizinische Assistenten ist aber gerade dann unerlässlich.“

An jedem Zahn hängt ein Mensch 
Die richtige Zahnpflege trägt maßgeblich zur Gesundheit des gesamten Körpers bei. Längst haben wissenschaftliche Studien den Zusammenhang zwischen Zahnbett- und Allgemeinerkrankungen belegt. So können Bakterien aus den Zahnfleischtaschen in die Blutbahn gelangen und zu einer Veränderung der Innenwände von Blutgefäßen führen. Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall sind mögliche Folgen. Ebenso bestehen nachweisbare Wechselwirkungen zwischen Zahnfleischentzündungen und Atemwegserkrankungen. Dieselben Keime, die Parodontitis verursachen, können akute Nasen- und Racheninfekte auslösen. Bei Menschen mit geschwächter Immunabwehr rufen die bakteriellen Erreger mitunter sogar eine Lungenentzündung hervor.

Auch für ungeborene Kinder ist die Mundgesundheit der Mutter von entscheidender Bedeutung: Eine unbehandelte Zahnbetterkrankung bei Frauen erhöht das Risiko einer Frühgeburt um mehr als das Siebenfache, viele Säuglinge kommen untergewichtig zur Welt. Im Idealfall sollte daher bereits vor einer geplanten Schwangerschaft eine parodontale Grunduntersuchung erfolgen.

Diagnose und Behandlung
Zunächst liefert das Panoramaröntgen erste Hinweise darauf, ob eine Zahnfleischerkrankung vorliegt. Dann prüft der Arzt mit einem speziellen Instrument, der so genannten Parodontalsonde, ob sich das Zahnfleisch vom Zahn gelöst hat. „Die Messung der Taschentiefe ist für manche Patienten etwas unangenehm, aber nicht schmerzhaft“, berichtet Dr. Petra Wittmann-Grabherr. Liegt nun eine Zahnfleischtasche vor, muss eine Behandlung durchgeführt werden. „Dabei braucht man sich nicht gleich vor einer Operation zu fürchten. Tatsache ist, dass die Therapie abhängig vom Schweregrad der Parodontitis in mehreren Phasen verläuft.“
Stufe eins der Behandlung konzentriert sich auf eine bessere Mundhygiene. Hartnäckige Beläge auf den Zahn- und Zahnwurzeloberflächen werden systematisch entfernt. In manchen Fällen erfolgt die Reinigung in örtlicher Betäubung und unter Einsatz von Antibiotika. Die erfreuliche Nachricht: Ist die Parodontitis unkompliziert und noch im Anfangsstadium, reicht dieses Vorgehen zur Erhaltung der Mundgesundheit bereits aus. Zusammen mit einer regelmäßigen und lebenslangen Kontrolle, versteht sich.

In der zweiten Therapiephase werden bei weit fortgeschrittener Erkrankung durch chirurgische Eingriffe Zahnfleischtaschen verkleinert und Knochendefekte ausgefüllt. Der dritte Therapieschritt schließlich soll einen Rückfall verhindern. Der Patient muss auf gute häusliche Mundpflege achten, Termine beim Zahnarzt wahrnehmen und seine Zähne entsprechend der persönlichen Situation fachgerecht reinigen lassen. Leider übernehmen die Krankenkassen die Kosten der Parodontitisbehandlung nicht. Dr. Wittmann-Grabherr: „Für eine 50-minütige Sitzung in der Arztpraxis muss man mit etwa 80 Euro rechnen. In der Regel wird die Mundhygiene halbjährlich durchgeführt, nur in schweren Fällen jeden dritten Monat.“ In Anbetracht der möglichen Folgeerkrankungen lohnen sich die Ausgaben. Denn gehen erst einmal Zähne verloren, helfen nur noch Brücken, Prothesen und Implantate.

Tipps zur Parodontitis-Vorbeugung
Konsequente Mundhygiene ist das A und O für ein gesundes Zahnfleisch. Sorgen Sie mindestens zweimal täglich zwei Minuten lang mit Zahnbürste und Zahnseide für saubere Verhältnisse im Mund. Bei größeren Lücken verwenden Sie eine Zahnzwischenraumbürste.
Spülen Sie nach dem Zähneputzen den Mund so wenig wie möglich mit Wasser aus. So kann das in der Zahnpasta enthaltene Fluorid die Zähne länger schützen. Auch die Wirkung einer Mundspüllösung sollten Sie im Nachhinein nicht „verwässern“.
Gönnen Sie sich mindestens jeden dritten Monat eine neue Zahnbürste und suchen Sie jeden sechsten Monat Ihren Zahnarzt auf. Er berät Sie individuell und entscheidet, ob eine Spezialreinigung durch das zahnmedizinische Team nötig ist.
Verzichten Sie auf den Zug an der Zigarette und achten Sie auf eine gesunde Ernährung mit viel Vitamin C und wenig Süßigkeiten. Zuckerfreie Bonbons und Kaugummis eignen sich gut für die Minimalpflege zwischendurch.

Parodontitis-Check:
So erkennen Sie erste Anzeichen

  • Blutet Ihr Zahnfleisch beim Zähneputzen, bei Berührungen oder beim Essen harter Nahrung?
  • Fühlt sich Ihr Zahnfleisch geschwollen oder empfindlich an?
  • Hat sich Ihr Zahnfleisch zurückgezogen? Scheint es, dass Ihre Zähne länger geworden sind?
  • Stellen Sie manchmal Eiter­austritt zwischen Zahn und Zahnfleisch fest?
  • Hat sich die Stellung Ihrer Zähne verändert? Finden Sie, dass die oberen und unteren Zähne anders zusammenbeißen als früher oder haben sich Lücken ­zwischen den Zähnen gebildet?
  • Haben Sie immer wieder Probleme mit Mundgeruch oder schlechtem Geschmack?
  • Müssen Sie eine oder mehrere Fragen mit ja beantworten, wenden Sie sich bitte an Ihren Zahnarzt. Nur er kann durch eine Untersuchung feststellen, ob Sie an Parodontitis leiden.

(Quelle: Österreichische Gesellschaft für Parodontologie)

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