Bauen und Renovieren

Oktober 2012 | Leben & Arbeiten

Viele Gefahren unter einem Dach
 
Verglichen mit den schlechten Wohnverhältnissen früherer Jahrhunderte ist unsere Wohnqualität buchstäblich um Häuser besser. Speziell seit den letzten zehn Jahren wird beim Bauen und Sanieren verstärkt Wert auf Energieeffizienz und Behaglichkeit gelegt. Trotzdem: Verschiedene gefährliche Altlasten und folgenschwere Baufehler beeinträchtigen auch heute noch Gesundheit und Umwelt.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Damit sie die neu errichteten Häuser bewohnten, bis die Baufeuchte aus den Gebäuden gewichen war, wurden sie in der Wendezeit zum 20. Jahrhundert bezahlt: die Trockenwohner. Der Preis für das unbehagliche Leben in feuchten, unhygienischen Wohnräumen war hoch: eine deutlich verkürzte Lebenszeit. Mit unseren heutigen Wohnstandards lassen sich Behausungen von anno dazumal nicht vergleichen, sind sich Experten einig. Allerdings können uns bestimmte Problemstoffe, die beispielsweise beim Renovieren oder Sanieren alter Gebäude anfallen, das Leben vergiften.

Renovieren:
Altlasten in Dach und Dämmstoffen

Die wohl bekannteste gesundheitsschädliche Altlast ist Asbest: Werden seine Fasern eingeatmet, kommt es im Laufe von Jahren und Jahrzehnten zur mechanischen Schädigung der Zellen in den Lungenbläschen: Die gefürchtete Asbestose, die Staublungenkrankheit, und andere Lungenerkrankungen sind mögliche Folgen. Damals von der Industrie als unbedenklich eingestuft, wurde Asbest aufgrund seiner technischen Eigenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg als Baustoff interessant. „Neben Dachziegeln, Fassadenverkleidungen und Rohren aus Asbestzement hat man Spritzasbest zum Beispiel als temperaturfesten, unbrennbaren Dämmstoff von Nachtspeicheröfen verwendet“, erklärt der Chemiker und Bauökologe DI Dr. Thomas Belazzi. Der gesundheitsgefährliche Stoff kommt außerdem unter alten PVC-Böden aus der Zeit vor 1985 als „Cushion-Vinyl“ vor, ergänzt Dr. Heinz Fuchsig, Mediziner, Baubiologe und Umweltreferent der Tiroler Ärztekammer. „Das kommt dann beim Herausreißen des Bodens als weißes oder graues, faserförmiges Flies zum Vorschein.“ Damit Omas alter Küchenboden nicht zur Lebensgefahr wird, sollte die sachgerechte Entsorgung Fachleuten überlassen werden.
Auch Asbestplatten auf dem Dach werden dann zum Problem, wenn sie ausgetauscht werden sollen: „Man muss die Platten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben vom Dach bringen, ohne dass sie zerbrechen“, betont Belazzi. Als gefährlicher Abfall müssen sie gesondert transportiert und auf Deponien in Säcken gelagert werden.
Ähnlich lungenschädlich wie Asbest könnten die Fasern von Glas- oder Steinwolle wirken, mit der bis in die 1990-er Jahre gedämmt wurde: Der Staub solcher Mineralwollfasern ist als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft. „Eine Zwischenwand oder die Dachdämmung aus diesem Material sollte durch Experten, die einen ausreichenden Atemschutz tragen, entfernt werden“, betont Belazzi.
Nicht direkt der Gesundheit, dafür umso mehr dem Klima schaden die von Belazzi als „chemische Cousins“ der mittlerweile verbotenen FCKW bezeichneten HFKW (teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe). Sie stecken nicht nur in Auto- oder Gebäudeklimaanlagen, sondern teilweise auch in Dämmplatten (XPS-Platten), die im Dach- oder Kellerbereich verwendet werden. Die Folgen für die Umwelt sind dramatisch: HFKW belasten das Klima 500 bis 1000 Mal mehr als CO2, das z. B. bei der Verbrennung von Heizöl, Gas oder Benzin frei wird. Belazzi: „Man kann bis zu 40.000 Kilometer mit einem halbwegs sparsamen Auto fahren, um die gleiche klimaschädigende Wirkung zu verursachen wie das HFKW-Gas, das in einem Kubikmeter Dämmstoff enthalten ist.“

Giftige Dämpfe

Gefahren lauern auch beim Ausmalen oder Einrichten: „Kleber, Farben, Lacke können stark lösemittelhältig und damit gesundheitsschädlich sein“, warnt Thomas Belazzi. Schwangere sollten sich von solchen Arbeiten komplett fernhalten, egal wie stark der „Nestbautrieb“ ist: Giftstoffe schaden dem Ungeborenen schon in den ersten 28 Tagen der Schwangerschaft, betont Heinz Fuchsig. „In dieser Zeit werden alle Organe gebildet.“ Auch wenn das Kinderzimmer – wie es oft der Fall ist – erst kurz vor der Geburt fertig eingerichtet oder renoviert wird, empfängt man den neuen Erdenbürger mit jeder Menge Schadstoffe.
Eine weitere Gesundheitsgefahr droht indirekt durch die Natur selbst: „Wenn die Sonne durch das Fenster auf einen dunklen PVC-Fußboden scheint, kann sich dieser auf 60 Grad aufheizen, sodass die enthaltenen Phthalate, also Weichmacher, ausdampfen“, weiß Fuchsig. Dabei wurden bereits große Phthalatkonzentrationen gemessen. „Studien haben gezeigt, dass die Durchschnittsbevölkerung ziemlich hoch mit Phthalaten, die eine hormonartige Wirkung haben, belastet ist“, berichtet Fuchsig. Den Aufheizeffekt sollte man auch berücksichtigen, wenn man eine Fußbodenheizung plant.

Bauen:
Frage der Dämmung

Damit wir gesund und behaglich wohnen, braucht es beim gesunden Bauen allerdings mehr als die Vermeidung von Schadstoffen. Wichtig ist vor allem auch eine gute Dämmung. Einer EU-Studie zufolge gehen 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs auf das Konto unserer Gebäude: Eine dichte, energieeffiziente Bauweise dient also auch der Umwelt. „In Österreich sind in den letzten Jahren aufgrund der Energie- und Klimadiskussion die Standards für die Gebäudedämmung deutlich gestiegen, die gesetzlichen Vorgaben wurden deutlich verschärft“, erklärt Thomas Belazzi. Gebäude, die nach diesen neuen Standards errichtet bzw. saniert werden, sind außerdem für die Nutzer behaglicher: Unerwünschter Luftwechsel wird minimiert, im Sommer sind die Räume kühler, im Winter kommt es nicht aufgrund kalter Außenwände zu Temperaturgefällen im Raum. Schließlich weiß man aus der Komfortforschung, dass unser Körper nicht nur die Raumtemperatur, sondern z. B. auch jene der Außenwände „misst“ und einen Mittelwert „errechnet“. Entsprechend frösteln wir bei schlechter Dämmung und kalten Außenmauern, selbst wenn das Zimmerthermometer 20 Grad anzeigt.  
„Durch eine gute Dämmung wird außerdem verhindert, dass sich große Wärmebrücken bilden und es in der Folge zu Kondensat und Schimmelbildung kommt“, betont Fuchsig. „Schimmel ist hierzulande das größte wohngesundheitliche Problem“, ergänzt Belazzi, dessen Unternehmen bauXund beim Aufspüren von verstecktem Schimmel auf besondere Spürnasen setzt: Schimmelsuchhunde. „Das Riechzentrum eines Hundes ist etwa 40 Mal größer als das des Menschen. Schimmel-Suchhunde sind in der Lage, entstehenden und versteckten Schimmelpilzbefall im Bauteil punktgenau zu erkennen und zu lokalisieren“, heißt es bei bauXund.
Wert sollte man außerdem auf Oberflächen legen, die Feuchtigkeit aufnehmen und puffern können. Dazu zählen Textilien wie Wolle, Holz, unbeschichteter Gipskarton, Lehm, Ziegel anstelle von glatten, versiegelten Oberflächen. Durch sie lässt sich die Luftfeuchtigkeit in den Wohnräumen z. T. ausgleichen: Feuchtigkeit aus der Luft wird aufgenommen und gepuffert und bei trockener Luft wieder abgegeben.
Nicht zuletzt muss für ausreichenden Luftwechsel gesorgt sein – ob mithilfe einer mechanischen Lüftung, einer eingebauten Komfortlüftung oder der Passivhaustechnik. Heinz Fuchsig: „Im Passivhaus sollte man für die Frischluftzufuhr unbedingt in gute Luftfilter investieren und darauf achten, wo die Luft angesaugt wird.“

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Sick-building-Syndrom:
Schlechte GeWOHNheit?

Kopfschmerzen, akute Atembeschwerden, allergische Hautreaktionen, depressive Zustände, allgemeines Unwohlsein, verminderte Leistungsfähigkeit: Zu all diesen Beschwerden kann es kommen, wenn man in ein neues Wohn- oder Bürogebäude zieht. Sind mehr als zehn bis 20 Prozent der Gebäudenutzer davon betroffen, spricht man vom Sick-Building-Syndrom. Für die gebäudebedingten Störungen kommen verschiedene Ursachen in Frage, sagt der Tiroler Mediziner und Baubiologe Dr. Heinz Fuchsig: „Zum einen spielt es eine Rolle, dass man aus einer gewohnten Umgebung herausgerissen wird – es gibt einen Zusammenhang zwischen Wohnen und Sich-Gewöhnen.“  
Weiters können auch die verschiedenen Gerüche, die z. B. neuen Möbeln und Geräten entströmen, das Wohlbefinden beeinträchtigen. „Der erste Eindruck beim Betreten eines Raumes ist der Geruch: Ist die Luft rein oder droht eine Gefahr?“ verdeutlicht Fuchsig. Und Gefahr kann in der neuen Wohn- oder Arbeitsumgebung tatsächlich in der Luft liegen:  „Neue Geräte wie Computer- und TV-Gehäuse enthalten Weichmacher, Flammschutzmittel und andere Stoffe, von denen in der ersten Zeit wesentlich mehr als später abgegeben wird.“
Ein weiterer „Schlechtfühlfaktor“ ist die Akustik. „Gerade in den klassischen Stahl-Glas-Betongebäuden wird am Anfang meist zu wenig dafür getan, sodass man einen Nachhall hat, der sehr ungemütlich und unangenehm ist“, sagt Heinz Fuchsig.

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Holz, Ziegel, Stein, Stahlbeton:
Welcher Baustoff ist der beste?

„Ob man das moderne Haus mit Holz, Beton oder Ziegel baut, ist für den Wohnkomfort selbst egal“, sagt der Chemiker und Bauökologe DI Dr. Thomas Belazzi. „Aus Umweltsicht hat die Auswahl der Baustoffe sehr wohl eine Auswirkung.“ Hier gilt z. B. zu berücksichtigen, dass die einzelnen Baustoffe jeweils unterschiedlich viel Herstellungsenergie benötigen: „Ziegel muss man brennen, Zement wird mit hohem Gasverbrauch hergestellt, Holz wächst mit Sonnenenergie“, veranschaulicht der Experte. Nachhaltig baut zudem, wer unbehandelte und möglichst sortenreine Werkstoffe einsetzt, die sich später – z. B. beim Umbauen – gut trennen lassen.
Traditioneller- und sinnvollerweise wählt man die Baumaterialien auch nach regionaler Verfügbarkeit: „In Tirol oder Salzburg baut man mit Holz, im Burgenland mit Stein oder Ziegel“, zählt Belazzi auf. Hohe Gebäude mit 20 Stockwerken werden hingegen „automatisch mit Stahlbeton ausgeführt“, so der Experte. „Das ist bei hohen Gebäuden mit Abstand die effizienteste Bauweise.“

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