Das Herz-Kreislauf-System

September 2007 | Medizin & Trends

Eine Pumpe und 100.000 Kilometer Röhrchen
 
Wir beachten es kaum, das fleißige Herz, das den Blut- und damit Lebensstrom in unserem Körper antreibt. Auch den Blutkreislauf durch Arterien, Venen und Kapillaren nehmen wir nur dann wahr, wenn es Probleme gibt. In aller Stille leistet das Herz-Kreislauf-System Schwerstarbeit. Nicht ganz, denn das Herz macht durch Klopfgeräusche auf sich aufmerksam.
 
Von Dr. Marcus Franz & Dr. Karin Gruber

Ein weit verzweigtes Netz von Kanälen und Kanälchen namens Arterien, Venen und Kapillaren mit der besten Pumpe der Welt – das ist unser Herz-Kreislauf-System. Das Ausmaß dieses Röhren- und Röhrchensystems ist erstaunlich: Wir besitzen ungefähr 1400 Kilometer an Blutgefäßen, was etwa der Entfernung Wien – Neapel entspricht. Rechnet man die hauchdünnen Kapillaren dazu, so kommt man auf 100.000 Kilometer Blutgefäße, die sich durch den menschlichen Körper ziehen. Deren Durchmesser reicht von etwa zwei Zentimeter bei der Aorta bis zu 0,007 Millimeter bei den feinsten Lungenkapillaren.
In diesen Röhren und Röhrchen herrscht Hochbetrieb, hier wird wertvollste Ware durchgeschleust: unser Lebenssaft. Arterien, Venen und Kapillaren erfüllen dabei unterschiedliche Aufgaben:

  • Arterien führen (mit Ausnahme der Lungenarterie) sauerstoffreiches, helles Blut vom Herzen zu den Organen und ins Gewebe.
  • Venen transportieren „verbrauchtes“, sauerstoffarmes, dunkles Blut aus dem ganzen Körper zum Herzen zurück.
  • Kapillaren, die Verästelungen von Venen und Arterien, sind mit ihrer dünnen und durchlässigen Wand die direkten Versorger der Organe und Gewebe.

Wunder an Leistungsfähigkeit
Angetrieben wird dieses Röhrensystem von einer einzigen Pumpe: Das Herz ist ein etwa faustgroßer Hohlmuskel und ein Wunder an Leistungsfähigkeit. Keine andere Pumpe würde einen Dauerbetrieb von 80 Jahren beziehungsweise rund 700.000 Stunden auch nur annähernd schaffen. Dabei wird der Herzmuskel nicht einmal müde, denn er ist so genial konstruiert, dass er etwa die Hälfte des Lebens Zeit hat, sich auszuruhen. Das tut er nach jeder Kontraktion, durch die er Blut in den Kreislauf katapultiert. Und er muss dabei mit jenen Muskelzellen auskommen, die beim Erwachsenwerden des Menschen bestehen. Ab dann nämlich werden keine neuen Herzmuskelzellen mehr gebildet.

Gelagert ist das Herz im Herzbeutel (Perikard) in der linken Seite des Brustkorbs. Zur Blutversorgung dienen die beiden Herzkranzgefäße (Koronararterien), die das Herz im oberen Drittel wie ein Kranz umgeben und von der Hauptschlagader (Aorta) abzweigen. Die Herzkranzgefäße sind die Lebensadern des Herzens. Gefäßverengungen an dieser Stelle sind also besonders gefährlich: Ist der Blutfluss hier gestört, kann der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.

Das Herz – Zentrale Leitstelle
Die beiden Herzhälften sind durch die Herzscheidewand (Septum) voneinander getrennt und nur indirekt über den Lungenkreislauf verbunden. Sie bestehen jeweils aus einer Kammer und einem Vorhof. Grundsätzlich verrichten die beiden Herzhälften dieselbe Pump-arbeit, sie sind aber unterschiedlich großen Belastungen ausgesetzt. Weil sie den Körperkreislauf aufrecht erhalten muss, ist die linke Hälfte mehr gefordert, entsprechend kräftiger gebaut, aber auch anfälliger für Herzerkrankungen.
In den Herzhälften regeln vier Herzklappen als Ventile in einem exakt abgestimmten Rhythmus den Blutfluss durch das Herz. Sie liegen jeweils zwischen Vorhof und Kammer beziehungsweise Kammer und abführenden Gefäßen, also Aorta beziehungsweise Lungenarterie.

Die Chefs: Nerven und Hormone
Das Herz wird – vom übrigen Nervensystem weitgehend unabhängig – durch ein eigenes Reizleitungssystem gesteuert. Das Nervensystem des Herzens kann beispielsweise über den Füllungsgrad der Herzkammern feststellen, ob genügend Blut im Körper vorhanden ist. Sinkt das Blutvolumen (z. B. bei starkem Schwitzen oder Blutverlust), wird die Herzfrequenz beschleunigt.
Auch wenn das Herz eine eigene Steuerungszentrale besitzt, wird es vom eigentlichen Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) sehr wohl beeinflusst. Der Sympathikus-Nerv steigert die Herzfrequenz und verwendet dabei den Botenstoff Noradrenalin. Dieser Nerv ist schuld daran, wenn einem „das Herz bis zum Hals schlägt“ – sei es aus Angst, Aufregung oder Freude. Bremsend auf den Herzschlag wiederum wirkt der Parasympathikus-Nerv mit Hilfe eines anderen Nervenbotenstoffes. Er wird zum Beispiel dann aktiviert, wenn wir „beruhigende“ Musik hören und sich die Herzfrequenz dabei verringert.
Auch verschiedene Krankheiten und Hormone (Schilddrüse, Adrenalin) können sehr großen Einfluss auf die Herztätigkeit haben. Eine willkürliche Beeinflussung der Herzaktivität ist in der Regel nicht möglich. Es soll aber Fakire geben, die ihren Herzrhythmus bewusst steuern können.

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Herzklopfen: Was klopfet an?
Was bei den meisten mechanischen Pumpen beängstigend nach einer fälligen Reparatur klingt, ist beim Herzen äußerst beruhigend: Klopfgeräusche. Der Rhythmus der Herztöne erinnert an die selige Zeit im Mutterbauch und sorgt für das ganz besondere Gefühl von Nähe bei einer Umarmung. Was die Herzgeräusche verursacht, das sind die Herzklappen.

  • Der erste, dumpfere Ton stammt von den Ventilen zwischen Vorhof und Kammer, die als Segelklappen gebaut sind. Sobald die Kammern gefüllt sind, spannt sich der Herzmuskel an. Die Segelklappen schließen, geraten dabei in Schwingung und erzeugen dadurch ein Geräusch.
  • Der zweite, hellere Ton stammt von den Klappen zwischen Kammer und ausführenden Gefäßen. Wenn alles Blut aus der Kammer in die abführenden Gefäße katapultiert ist, fallen die Taschenklappen wieder zu.  Und das kann man hören.

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Der Blutdruck ist kein Bösewicht
Damit das Blut vom Herzen bis zum Scheitel und zur kleinen Zehe gepumpt werden kann, braucht es Druck. Der Blutdruck ist also kein Bösewicht, wie man fälschlicherweise immer wieder annimmt – wohl aufgrund der Verwechslung mit dem Risikofaktor Bluthochdruck.
Der Blutdruck wird üblicherweise in mm Hg (Millimeter Quecksilbersäule) angegeben. Der erste der beiden Werte bezieht sich auf den systolischen Druck, also den Druck des Blutes beim Auswurf aus dem Herzen. Der zweite Wert beschreibt den diastolischen Druck, also den Druck im Gefäßsystem während der Füllungsphase des Herzens.
Der Blutdruck ist kein feststehender Wert, sondern eine dynamische Größe, er schwankt mit jeder Herzaktion und ist grundsätzlich tageszeit- und situationsabhängig. Die Schwankungsbreite beim Gesunden ist enorm. Beim Sport oder bei starker Aufregung sind ohne weiteres Werte bis 200 möglich. Die Idealbereiche beim Erwachsenen liegen bei 120 bis 135 mm Hg systolisch und 70 bis 85 Hg diastolisch.
Wichtig: Der Blutdruck muss immer in Ruhe und entspannter Atmosphäre gemessen werden. Die Diagnose „hoher Blutdruck“ (Hypertonie) ist erst dann zu stellen, wenn mindestens 30 Messungen des Ruheblutdruckes über den Idealbereichen liegen. Extreme Schwankungen freilich tun uns gar nicht gut: Rattert der Blutdruck zu tief in den Keller, so können die Organe und Gewebe nicht mehr ausreichend versorgt werden und es kommt zum so genannten Kreislaufschock. Schnalzt der Blutdruck zu weit in die Höhe, so besteht die Gefahr, dass vorgeschädigte Gefäße platzen. Die Folge: Herzinfarkt oder Schlaganfall.

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Der Mensch ist so alt wie seine Gefäße
Die Innenwand der Blutgefäße ist beim jungen und gesunden Menschen dünn und sehr glatt. Kommt es infolge von jahrelang erhöhtem Blutdruck oder durch Ablagerung von Cholesterin zu krankhaften Veränderungen an der Innenhaut (PlaqueBildung), nennt man dies Atherosklerose. Sie betrifft aufgrund des höheren Drucks vor allem die Arterien und kann besonders an Herzkranzgefäßen und Hirnarterien böse Folgen verursachen (Infarkt, Schlaganfall). In die Plaques wird nämlich im Laufe der Zeit Kalk eingelagert, sie verhärten und mit ihnen die Gefäße.  

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Wussten Sie, dass …

… die linke Herzhälfte bei einem Erwachsenen in Ruhe 4,9 Liter Blut pro Minute in den Körper pumpt? Und dass es unter Belastung bis zu 15 Liter sein können?

… das Herz pro Tag 6000 bis 8000 Liter Blut durch den Körper pumpt?

… der Ruhepuls ein Maß für die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems ist? Während das „Durchschnittsmenschenherz“ rund 60 bis 90 mal pro Minute schlägt, reichen dem Herz eines Marathonläufers etwa 35 Schläge in der Minute, um den Kreislauf in Gang zu halten.

… ein „Sportlerherz“ aber gar nicht so ungefährlich ist? Vor allem extreme Ausdauersportler können schwerwiegende Herzerkrankungen entwickeln. Die Blutgefäße wachsen mit den Herzzellen nicht mit, daher wird ab einer gewissen Größe die Versorgung schlechter.

… zu viel Schonung für Herzpatienten gar nicht gesund ist? Das richtige Maß an körperlicher Betätigung ist besser als die früher verordnete Ruhe.

… man tatsächlich an einem gebrochenen Herz sterben kann?
Hinter dieser Redewendung stehen Beobachtungen, Vermutungen, Erfahrungswerte aus Jahrtausenden, die neuerdings eine Bestätigung durch die moderne Naturwissenschaft erfahren. Immer wieder werden Depressionen mit Herzkrankheiten in Verbindung gebracht. Und zwar nicht nur mit deren Entstehung, sondern auch mit deren Verlauf und Heilungserfolg. Die Erklärung für den Zusammenhang: Depressionen sind häufig mit Ängsten verbunden, die wiederum zu negativem Stress führen und so die ganze fatale hormonelle Kaskade lostreten, die dem Herzen schadet.

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Roter Kopf?
Der Kreislauf macht’s

Beim Laufen & Schaufeln
Der Blutkreislauf spielt eine zentrale Rolle bei der Temperaturregulation des Körpers. Der rote Kopf bei großer Anstrengung kommt daher, dass bei der Muskelarbeit Wärme entsteht. Die Temperatur im Körperkern steigt über den Sollwert von rund 37 Grad, worauf das Regulationszentrum im Gehirn die Gegenmaßnahme „Gefäße erweitern“ einleitet. Das Blut strömt in die Peripherie, also Richtung Haut, um sich dort abzukühlen. Weil die Haut im Gesicht dünner ist als am restlichen Körper, scheint die Röte hier besser durch.

Beim Kiefeln & Grübeln
Der rote Kopf kann auch bei psychischen Anstrengungen entstehen und zwar über denselben Regelkreis wie bei körperlichen Mühen. Denn auch die Muskelanspannung aufgrund psychischer Anstrengung ist „Arbeit“ und führt zur Wärmeproduktion.

Beim Genieren & Sich-Zieren
Das schamhafte Erröten hat anderer Gründe. Gefühle wie Scham entstehen im limbischen System, einer entwicklungsgeschichtlich sehr alten Region tief im Gehirn. Von dort kommen Signale, die den Sympathikus-Nerv aktivieren, der wiederum über einen bestimmten Botenstoff eine Erweiterung der Gefäße im Gesichts- und Hals-Brustbereich bewirkt. Das Resultat: Mehr Blut an der Oberfläche und Schamesröte.

BUCHTIPP

Wunderwelt
Eine Geschichte des menschlichen Körpers

Marcus Franz, Karin Gruber
Verlagshaus der Ärzte   € 19,90
ISBN 978-3-902552-13-6
     

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