Die Kraft der Balance

März 2011 | Medizin & Trends

So stärken Sie Gleichgewicht und Selbstsicherheit
 
Sich auf Schritt und Tritt sicher zu fühlen, ist mit zunehmendem Alter keine Selbstverständlichkeit mehr. Gleichgewichtsstörungen, Gangunsicherheit und Schwindel machen vielen Älteren zu schaffen. Ein gezieltes Training kann die Kraft der Balance erhalten bzw. zurückbringen und so für einen sicheren Auftritt in jeder Lebenslage sorgen.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Wie sicher stehen Sie auf einem Bein? Können Sie die Position länger halten oder gelingt dieses Kunststück nicht einmal annähernd? Und wie steht’s mit dem sogenannten Tandemstand? Gelingt es Ihnen, einen Fuß direkt vor den anderen zu setzen ohne zu wackeln oder gar umzukippen?
Wenn eine dieser Übungen Probleme macht, sollten Sie beginnen, das Gleichgewicht zu trainieren. Speziell für Ältere ist ein solches Training nicht einfach nur ein Bewegungsprogramm, sondern zugleich eine wichtige Maßnahme, um Stürzen und Unfällen vorzubeugen.
Sich auf Schritt und Tritt sicher zu fühlen, ist mit zunehmendem Alter schließlich keine Selbstverständlichkeit mehr, wie der verstärkte Einsatz von Gehstock, Rollwagen & Co zeigt: Aus verschiedenen Gründen haben ältere Menschen vermehrt mit Gleichgewichtsstörungen, Gangunsicherheit und Schwindel zu kämpfen. Entsprechend ist das Sturzrisiko im Alter erhöht, und die Folgen eines Unfalls wiegen schwerer als in jüngeren Jahren. Die Angst, (erneut) zu stürzen, macht die Senioren vorsichtig, zumal wenn sie an der so weit verbreiteten Osteoporose leiden. Aus dieser Angst schränken sie ihre Aktivitäten mitunter stark ein – ein Teufelskreis.

Schwindende Sinne

„Der ältere Mensch geht unsicherer, weil er den Bodenkontakt weniger gut spürt und er geht schwächer, weil er weniger Kraft hat“, fasst Prim. Dr. Klaus Hohenstein, Facharzt für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation, die Problematik zusammen. Worauf führt man das zurück? „Im Alter sind die Sinneswahrnehmungen insgesamt, ist die Sensorik reduziert“, erklärt der Mediziner, der außerdem das Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation am Geriatriezentrum Wienerwald leitet. Der Grund: Die Sensibilität der Sensoren in Muskeln und Gelenken, die die jeweiligen Kräfte (z. B. Dehnungsreize, Schmerzen) messen und die Ergebnisse an das Zentralnervensystem leiten, sinkt. „Auch die Sensoren in der Halswirbelsäule, die ganz wesentliche Informationen etwa über die Stellung des Körpers im Raum übermitteln, werden schwächer“, ergänzt der Facharzt.

Nachlassen der Kräfte

Weiters lässt im Alter auch die Schnellkraft nach, also jene Fähigkeit, rasch alle verfügbaren Kräfte zu mobilisieren; auch die Muskelmasse sowie die Qualität der Muskeln sind vom altersbedingten Abbau betroffen. Die dadurch schwindenden Kräfte – insbesondere jene in den Beinen – vereiteln das sichere Auftreten und verwandeln selbst niedrige Stufen oder Gehsteigkanten in gefährliche Hürden.
In geringerem Ausmaß ist außerdem das Gleichgewichtsorgan im Innenohr vom Alterungsprozess betroffen, weiters können verschiedene (altersbedingte) Sehprobleme die Gangsicherheit beeinträchtigen. Daneben sind bestimmte Erkrankungen, wie sie im Alter häufiger auftreten – z. B. Diabetes Typ II, Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen – für die Schwierigkeiten mitverantwortlich. Nicht zuletzt haben Senioren häufiger als jüngere Menschen mit Schwindel zu kämpfen. Mögliche Ursachen? „Manchmal kommt es nach einem Schlaganfall oder neurologischen Erkrankungen zu Veränderungen der Gefäße im Gehirn“, erklärt der Facharzt. „Auch degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule kommen als Ursachen in Frage.“

Beweglichkeit und Sinne stärken

Obgleich diese Probleme mit dem Gleichgewicht verunsichern, sie lassen sich nicht damit lösen, dass man Aktivität vermeidet und sich zurückzieht. Und doch geht die (sportliche) Betätigung im Alter immer noch weiter zurück: „Bei den Über-80-Jährigen ist nicht einmal noch ein Fünftel regelmäßig körperlich aktiv“, berichtet Klaus Hohenstein.
Dabei sollte man gerade jetzt – die Behandlung des zugrunde liegenden Problems vorausgesetzt – ein sogenanntes Sensomotorik-Training in Angriff nehmen. Dies hat zum Ziel, das Zusammenspiel von Sinneswahrnehmung und Beweglichkeit zu stärken und damit die Sturzneigung zu verringern. „Wir können in jedem Alter trainieren“, macht der Experte Mut. „Bei multimorbiden älteren Patienten, bei Menschen also, die gleich an mehreren Krankheiten leiden, ist allerdings eine medizinische Trainingstherapie angezeigt. Bei dieser wird unter ärztlicher Aufsicht trainiert, und die Belastungen werden den Fähigkeiten des Patienten entsprechend angepasst.“
Welche Sportarten bzw. Übungsformen sind nun besonders günstig? Gute Ergebnisse werden laut Facharzt etwa mit Tai Chi, dem chinesischem Schattenboxen, erzielt; sogar noch besser greifen sogenannte multimodale Trainingsprogramme. „Diese Programme kombinieren funktionelles Krafttraining, Ausdauertraining und Gleichgewichtsübungen“, erklärt Hohenstein, der wegen des positiven gruppendynamischen Aspekts für das Training mit Gleichgesinnten plädiert. Das Krafttraining, z. B. mit Hanteln, hat einen ganz besonderen Stellenwert, da es dem altersbedingten Muskelschwund, in der Fachsprache Sarkopenie genannt, entgegenwirkt. „Beim Krafttraining will man insbesondere die Schnellkraft ansprechen, die zur Vermeidung von Stürzen sehr wichtig ist“, sagt der Arzt. „Auch sollen damit die Gehgeschwindigkeit erhöht und die Gangsicherheit verbessert werden.“ Um Fortschritte zu erzielen, sollten selbst hochbetagte Menschen an ihre persönliche Belastungsgrenze gehen, indem sie mit rund 70 bis 80 Prozent ihrer Maximalkraft trainieren.

Kraft gibt Sicherheit

Was der Mediziner den Seniorinnen und Senioren außerdem ans Herz legt: Tanzen. „Dabei wird – eventuell gemeinsam mit einem Partner – die Koordination zu Musik trainiert“, so Hohenstein. „Das ist anspruchsvoll, hat darüber hinaus einen großen Unterhaltungswert und hebt die Stimmung.“ Überhaupt sei der positive Effekt des Trainings auf die Psyche nicht zu unterschätzen: Die wachsenden Kräfte stärken nicht nur den Gleichgewichtssinn, sondern auch die Selbstsicherheit und damit das Zutrauen in sich selbst. „Die Trainingsmaßnahmen geben Sicherheit und reduzieren die Sturzangst“, bestätigt der Arzt.

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Mehr Kraft für Rumpf und Beine: Effektive Übungen für zuhause

„Das Übungsprogramm sollte man immer damit beginnen, die Rumpfmuskulatur, quasi das Fundament, zu stärken“, betont Prim. Dr. Klaus Hohenstein, Facharzt für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation. Dies kann sogar beim Entspannen gelingen, ein beliebtes Möbelstück leistet dabei gute Dienste: „Im Schaukelstuhl sitzend hin und her zu schaukeln, fördert die Sensorik im Rumpfbereich“, so der Arzt. Mehr Kraft für Rumpf und Beine bringen drei weitere einfache Übungen:

1. Stärkt die Rumpfmuskulatur
Man begibt sich in den Vierfüßlerstand, indem man sich auf Knien und Händen auf dem Boden abstützt. Dann streckt man ein Bein nach hinten weg, hält es für einige Sekunden und setzt es wieder ab, dann wiederholt man das Ganze mit dem anderen Bein. In der nächsten Runde streckt man mit dem Bein auch den gegengleichen Arm – also linkes Bein, rechten Arm –, halten, absetzen – dann wechseln.

2. Kräftigt die Beine
Für die Kräftigung der Beine eignet sich der bereits erwähnte Ein-Bein-Stand: Man balanciert so lange wie möglich auf einem Bein, Ungeübte können sich dabei mit den Händen an der Wand abstützen. „Wenn man die Übung gut schafft, kann man versuchen, dabei die Augen zu schließen“, regt Klaus Hohenstein an.

3. Trainiert die Oberschenkel
Für die Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur stellt man sich zu einer Wand, die Knie hat man dabei leicht, in einem Winkel von rund 60 Grad, gebeugt. „Die Position hält man so lange wie möglich“, sagt der Mediziner. Wem das zu schwierig ist, der kann sich mit den Händen an der Wand abstützen.

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