Gesunde Gefäße?

November 2017 | Medizin & Trends

Was unseren Blutgefäßen besonders zusetzt
 
Übergewicht, Bluthochdruck und das Rauchen zählen zu den besonderen Feinden elastischer und gesunder Blutgefäße. MEDIZIN populär gibt einen Überblick über die häufigsten und gefährlichsten Gefäßerkrankungen.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Sie sind die „Pipelines“ in unserem Organismus: Die Arterien bringen das Blut vom Herzen in die entfernten Regionen des Körpers, die Venen pumpen es aus der Peripherie zum Herzen zurück. Damit der Blutkreislauf einwandfrei funktioniert, bedarf es gesunder Gefäße.
Im Laufe des Lebens nimmt allerdings nicht nur ihre Leistungsfähigkeit ab, auch Gefäßablagerungen sind ein natürlicher Prozess. Wer obendrein ungesund lebt – zu viel und ungesund isst und raucht – belastet die Gefäße zusätzlich. Das Risiko für schwere Gefäßleiden steigt insbesondere durch Übergewicht, Bluthochdruck sowie hohe Blutzucker- und Blutfettwerte.
Mehr als eineinhalb Millionen Österreicher leiden an einer Gefäßerkrankung, die man im Wesentlichen in arterielle und venöse Erkrankungen unterteilt.

Ablagerungen an den Arterien

Die Arterien sind insbesondere von Ablagerungen, Plaques, an den Wänden betroffen: Die Arterienverkalkung, die Atherosklerose, ist längst eine Volkskrankheit. Meist geht sie auf eine Kombination aus altersbedingten Prozessen und einem ungesunden Lebensstil zurück. Ablagerungen und entzündliche Prozesse führen zu einer Einengung, Stenose, oder sogar einem Totalverschluss wichtiger Arterien. Kritisch wird es, wenn die Blutversorgung von Herz, Gehirn, Armen und Beinen eingeschränkt ist. Auch, weil kranke Gefäße oft lange Zeit keine Beschwerden verursachen, sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen wichtig. Von einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) sind in 90 Prozent der Fälle die Beine betroffen: Verengungen oder Verschlüsse der Arterien führen zu Durchblutungsstörungen, die die Betroffenen zu Gehpausen wie bei einem Schaufensterbummel zwingen. Aus diesem Grund bezeichnet man die Krankheit auch als Schaufensterkrankheit. Mittels Knöchel-Arm-Index kann festgestellt werden, ob man davon betroffen ist: Bei dieser Untersuchung wird wie beim Blutdruckmessen eine Manschette angelegt. Anstelle des Stethoskops untersucht man mit einer Ultraschallmethode, der Doppler-Sonografie, den Blutfluss in den Arterien, erklärt Gefäßchirurg Prim. Priv. Doz. Dr. Afshin Assadian. „Damit sieht man sofort, ob eine krankhafte Veränderung vorliegt.“ Bei Gesunden liegt der Wert bei mindestens eins. Wenn der Wert unter 0,9 liegt, deutet dies auf eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, die wiederum das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.

Aussackung der Bauchschlagader

Wenn man übergewichtig ist, Bluthochdruck hat und raucht, sollte man ab dem 65. Lebensjahr zudem jährlich einen Ultraschall der Bauchschlagader (Bauchaorta) machen lassen. Bei diesem Screening wird überprüft, ob die Bauchaorta einen normalen Durchmesser hat oder eine Aussackung, ein Aneurysma, vorliegt: Bei einem Durchmesser von mehr als drei Zentimetern spricht man von einem Bauchaorten-Aneurysma (BAA). Im Prinzip kann sich ein Aneurysma in jeder Arterie – von Hirn, Herz oder Brust – bilden. Am häufigsten sind Aneurysmen in der Bauchschlagader: Rund 70.000 Österreicher sind betroffen, bei jedem Zehnten müsste das Aneurysma behandelt werden. „Oft genügt die Umstellung des Lebensstils, um die Gefäßgesundheit zu verbessern“, sagt Assadian. Dazu bespricht man mit dem behandelnden Arzt, wie sich die Risikofaktoren minimieren oder eliminieren lassen: Durch einen Rauchstopp, mehr Bewegung und der Betonung auf pflanzlicher statt tierischer Kost. „Werden die Maßnahmen konsequent durchgeführt, muss das Aneurysma vielleicht nie behandelt werden“, erklärt der Gefäßchirurg.
Die Behandlungsgrenze liegt im Normalfall bei der Frau bei fünf Zentimetern und beim Mann bei über fünfeinhalb Zentimetern. Im Rahmen einer „offenen Operation“ wird das Aneurysma ausgeschaltet, indem man  eine Prothese in die Schlagader näht. Bei der weniger belastenden endovaskulären Methode wird ein Stent – eine Art Schiene für das Gefäß – von den Leisten aus eingesetzt und das Aneurysma aus dem Blutfluss ausgeschlossen. Wird das Aneurysma nicht rechtzeitig behandelt und platzt, führt dies in 90 Prozent aller Fälle zum Tod. Heute treten Aneurysmen oft erst später als vor 30, 40 Jahren auf. „In den Screenings sehen wir, dass die Aneurysmen bei den Über-65-Jährigen den Werten entsprechen, die man früher bei 65-Jährigen gesehen hat.“

Verengung der Halsschlagader

Rund 6000 Österreicher pro Jahr entwickeln eine Carotisstenose, eine Engstelle in der Halsschlagader. Diese Erkrankung der Arterien ist eine häufige Ursache für einen Schlaganfall, von dem jährlich 33.000 Österreicher betroffen sind.
Wieder ist der ungesunde Lebensstil hauptverantwortlich für die Erkrankung, die sich mittels Ultraschall feststellen lässt. Oft genügen eine Regulierung der Blutdruck-, Blutzucker- und Blutfettwerte sowie der Rauchstopp, um das Gefäßproblem in den Griff zu bekommen.
Weiters gibt es neue Medikamente für jene Risikopatienten, die schlank sind und nicht rauchen, aber extrem hohe Blutfettwerte haben: Mit diesen Lipidsenkern lassen sich die Cholesterinwerte regulieren und das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall reduzieren. Wie beim Aneurysma gibt es zudem operative Methoden, um eine Carotisstenose auszuschalten: Man kann einen Stent setzen oder die Verengung quasi ausschälen.

Frauen als Risikogruppe
Speziell Frauen unterschätzen oft ihr Risiko für eine arterielle Gefäßerkrankung: Aufgrund der Mehrfachbelastung stehen sie enorm unter Druck, und viel mehr Frauen und Mädchen als früher greifen zur Zigarette. Manchmal wird das Risiko für ein Gefäßleiden durch die hormonelle Situation zusätzlich verstärkt, sei es durch die Anti-Baby-Pille oder eine Hormonersatztherapie.
Hinzu kommt, dass die Symptome für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Frauen weniger spezifisch sind als bei Männern und deshalb nicht so einfach erkannt werden. „Die Erkrankungen treffen Frauen etwas später, dafür aber oft besonders schwer“, berichtet Assadian. Auch das Sterberisiko sei erhöht.

Tiefe Beinvenenthrombose

Während Frauen bei arteriellen Gefäßerkrankungen lebensstilbedingt aufholen, ist das Risiko für venöse Krankheiten bei Männern und Frauen etwa gleich hoch, berichtet Dr. Lisbeth Eischer, Allgemeinmedizinerin und Expertin für venöse Erkrankungen an der Thromboseambulanz der Medizinischen Universität Wien. „Zu den gefährlichsten Venenerkrankungen zählt die tiefe Venenthrombose, ein Blutgerinnsel, das eine manchmal tödliche Lungenembolie nach sich ziehen kann.“ Das Risiko für eine Thrombose liegt bei 1:1000 pro Jahr und steigt mit dem Alter. Meist treten die Thrombosen in den Beinvenen auf, äußerst selten kommen sie in Gehirn-, Leber-, Bauch- und Armvenen vor.  
„An sich ist die Blutgerinnung dazu da, dass man nicht verblutet, wenn man sich beispielsweise schneidet: Bei einer Verletzung bildet sich ein natürlicher Thrombus, ein Blutpfropf“, erklärt die Medizinerin. Verklumpt das Blut, ohne dass es das sollte, wird der Venenabfluss gestört – mit zum Teil dramatischen Folgen. „Der Thrombus kann von den Beinbeckenvenen über die Bauchvene in die rechte Herzkammer und von dort in die Lunge schwimmen und eine Lungenembolie verursachen“, erklärt Eischer. Eine weitere mögliche Komplikation ist das „postthrombotische Syndrom“, das oft mit geringerer  Lebensqualität verbunden ist: Das betroffene Bein schwillt schnell an und schmerzt, was wiederum die Aktivitäten einschränkt. „Im schlimmsten Fall kann ein offener Ulcus, eine offene Stelle am Bein entstehen“, warnt die Expertin.
Die Hauptursache für eine tiefe Venenthrombose ist im Gegensatz zu anderen Gefäßerkrankungen meist nicht der Lebensstil. „Klassischerweise ist das Risiko immer dann erhöht, wenn man längere Zeit nicht mobil ist – nach Ope­rationen oder wenn man einen Gips trägt“, erklärt Eischer. Auch bei internistischen Erkrankungen wie einer Lungenentzündung, bei entzündlichen Darmerkrankungen, Rheuma oder Krebserkrankungen steigt das Thromboserisiko. Weiters kommen hormonelle Ursachen in Frage: Schwangere Frauen und jene, die mit der klassischen kombinierten Anti-Baby-Pille verhüten, sind öfters von einer Thrombose betroffen. „Daneben erleiden auch junge, an sich gesunde, sportliche Leute eine Thrombose, für die man überhaupt keinen Risikofaktor findet“, ergänzt die Expertin.
Mögliche Anzeichen für eine tiefe Venenthrombose: ziehende Schmerzen, die meist in der Wade beginnen und oft wie ein Muskelkater empfunden werden. Außerdem kann es zu einer Schwellung am Bein kommen, einer Rötung und Überhitzung. Typisch für eine Lungenembolie sind Atemnot und sehr starke Schmerzen im Brustbereich.

Blutverdünnung als Basistherapie

Die Thrombose-Behandlung besteht immer aus der – mehr oder weniger langen – Gabe blutverdünnender Medikamente. „Bei einem temporären Auslöser, nach einer Operation oder bei einem Gips, gibt man diese für drei Monate“, sagt Eischer. Patienten, die man als Hochrisikopatienten einschätzt, erhalten eine dauerhafte Blutverdünnung. Lange Zeit war nur ein Mittel im Einsatz – ein hochwirksames Medikament, das allerdings einige Nachteile wie eine schwierige Dosierung hat. Inzwischen sind vier neue Substanzen am Markt, die in einer fixen Dosierung gegeben werden, ohne dass Gerinnungskontrollen notwendig sind. Diese modernen Blutverdünnungsmittel, direkte orale Antikoagulantien (DOAK) genannt, haben einen weiteren Vorteil: Bei mindestens gleich guter Wirkung ist das Blutungsrisiko, insbesondere das Hirnblutungsrisiko, deutlich geringer.
Das Risiko für eine zweite Thrombose ist bei Blutgerinnseln ohne äußeren Auslöser besonders hoch. Männer haben – aus bislang nicht geklärten Gründen – ein deutlich höheres Rückfallrisiko als Frauen. Um das Risiko individuell abzuschätzen, kann das Vienna Prediction Model durchgeführt werden, erklärt die Medizinerin. „Eine wichtige Rolle spielt unter anderem der D-Dimer-Wert. Dieser Blutwert zeigt die Gesamtaktivität der Gerinnung an.“

Oberflächliche Thrombosen
Deutlich weniger gefährlich ist eine oberflächliche Venenthrombose (= Venenentzündung). „So lange der Thrombus in den oberflächlichen Beinvenen bleibt, kann er nicht direkt in die Lunge gelangen“, informiert Eischer. Ausgehend davon gebe es Verbindungen ins tiefe Venensystem. Aus diesem Grund wird eine oberflächliche Thrombose ab einer Länge von fünf Zentimetern ebenfalls mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. Mögliche Anzeichen einer Venenentzündung? Das betroffene Areal ist verhärtet, gerötet und tut bei geringster Berührung extrem weh.

Venenschwäche und Krampfadern
Wenn die Venen sich mit den Jahren zunehmend schwer damit tun, das Blut gegen die Schwerkraft nach oben zu pumpen, spricht man von einer Venenschwäche, der chronisch-venösen Insuffizienz. „Eine Venenschwäche kann in der Folge Krampfadern verursachen, zu Schwellungsneigung oder Schmerzen in den Beinen führen“, erklärt die Spezialistin. Typischerweise sind die Beschwerden im Sommer schlimmer: Hitze bewirkt, dass sich die dünnen Venenwände ausdehnen, das Blut sich staut und schlechter hinaufgepumpt wird. Stützstrümpfe und das kalte Abduschen der Waden sorgen dafür, dass die Venenwände sich wieder zusammen ziehen.
Die häufigsten venösen Erkrankungen überhaupt sind Krampfadern (Varizen), krankhaft ausgeweitete Wände der oberflächlichen Beinvenen. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen dürfte darunter leiden. Zu den Risikofaktoren zählt neben Übergewicht und Alter auch eine erbliche Anlage. Kleine Krampfadern sind meist ein rein ästhetisches Problem. Größere können Entzündungen oder ein Gerinnsel in den oberflächlichen Hautvenen verursachen. Hier sollte dermatologisch geprüft werden, ob sich der Blutfluss durch eine Operation verbessern lässt.    

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Doppelt gefährlich:
Wenn Stress die Gefäße verstopft

Stress ist Auslöser für viele verschiedene Erkrankungen – und beeinträchtigt auch die Gefäßgesundheit. Forscher der Harvard Medical School in Boston haben nun jene Mechanismen entdeckt, die eine Atherosklerose vorantreiben: Unter chronischem Stress kommt es unter anderem im Knochenmark zur Ausschüttung von Noradrenalin, welches die Stammzellen des Blutes dazu anregt, weiße Blutkörperchen herzustellen. Diese wiederum entwickeln Entzündungsstoffe, die die Bildung der schädlichen Ablagerungen (Plaques) in den Gefäßen fördern. Gefäßablagerungen erhöhen das Risiko für schwere Erkrankungen von Herzinfarkt bis Schlaganfall.
Durch ungesunde Strategien der Stressbewältigung wird die Entstehung von Gefäßerkrankungen zusätzlich forciert: Man isst zu viel, raucht oder trinkt zu viel Alkohol – Übergewicht, hohe Blutfettwerte und Bluthochdruck sind die gefährlichen Folgen. Stattdessen braucht es gesunde Methoden der Stressbewältigung: den Ausgleich durch Sport, Entspannungstechniken, Hobbys.

Stand 11/2017

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