Urlaub zu zweit

August 2017 | Partnerschaft & Sexualität

Risiken und Chancen für die Partnerschaft

Die einen genießen den Urlaub zu zweit und entdecken die Partnerschaft neu, die anderen streiten nur und beschließen, sich zu trennen. Welche sechs Faktoren die gemeinsame freie Zeit zum Risiko für die Partnerschaft machen und welche sechs Chancen der Paarurlaub in sich birgt.

Von Mag. Sabine Stehrer

Anna und Konstantin sind schon eine Weile ein Paar. Vom lang geplanten, ersten gemeinsamen Urlaub zurück, eröffnen die beiden Familie und Freunden, dass sie nun zusammenziehen werden. Was diese überrascht, ist doch wenig erstaunlich: Denn wenn ein Paar auf Urlaub fährt, verbindet die Reisenden so einiges. Immerhin haben sie sich dazu entschlossen, die freie Zeit zu zweit zu verbringen, sich auf ein Urlaubsziel geeinigt, Urlaubsfreude entwickelt, Diverses – vom Buchen bis zur Besorgung von Urlaubsutensilien – miteinander erledigt. Wird am Urlaubsort angekommen das Erträumte in Zweisamkeit genossen sowie Ungeahntes zusammen erlebt, macht das den Urlaub zur Chance, die Beziehung zu vertiefen: Und tatsächlich verliebt sich die Hälfte der mit dem oder der Liebsten Urlaubenden laut einer Umfrage der Online-Partnervermittlung ElitePartner in der freien Zeit neu in den Partner. Für wie viele Paare der zusammen verbrachte Urlaub wie bei Konstantin und Anna in der Gründung eines gemeinsamen Hausstands oder sogar im Hafen der Ehe mündet – das weiß niemand. Bekannt ist hingegen, dass der Paarurlaub nicht immer die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt, sondern ganz im Gegenteil zum Risiko für die Beziehung wird. So wie bei Monika und Markus, Katrin und Paul oder Hanna und Hans – alles Paare, die sich nach Jahren des Zusammenseins in Folge eines Urlaubs trennten. So wie sie reicht nach freier Zeit zu zweit laut der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GWG) jedes dritte Paar die Scheidung ein, und jedes fünfte Paar streitet im Urlaub so sehr, dass zumindest ein Partner die Beziehung in Frage stellt. Welche Faktoren die gemeinsame freie Zeit zum Risiko für die Partnerschaft machen und welche Chancen der Paarurlaub für die Beziehung in sich birgt: Das erklären die Grazer Psychotherapeutin und Paartherapeutin Mag. Isabella Pittner-Meitz und der Wiener Psychologe und Paarcoach Prof. Dr. Michael Schmitz für MEDIZIN populär.

DIE RISIKEN DES PAARURLAUBS:

Risiko eins: Ungelöste Konflikte
Da ist diese eine Sache, das eine Problem, das sie oder ihn schon seit Längerem stört, doch die Lösung steht nach wie vor aus? Länger bestehende ungelöste Konflikte mit ins Urlaubsgepäck zu stecken, in der Hoffnung, diese im Urlaub bereinigen zu können: „Davon ist einem Paar auf jeden Fall abzuraten“, sagt Pittner-Meitz. Der Grund: Sich im Urlaub auf engem Raum mit ungelösten Konflikten konfrontieren zu müssen, dabei nicht aus zu können, kann zur Überforderung und in der gemeinsamen freien Zeit zu weiteren Konflikten führen. Und das ist ein Risikofaktor für die Beziehung und mitunter eine Gefahr für die Partnerschaft.

Was hilft?
Sich als Paar im Alltag immer wieder und vor allem vor dem geplanten gemeinsamen Urlaub die Zeit nehmen, um länger ungelöste, schwelende Konflikte zu besprechen und zu versuchen, sie zu lösen.

Risiko zwei: Überzogene Erwartungen
Er oder sie oder beide erwarten sich vom Urlaub so etwas wie eine Reise ins Paradies: Hotel, Landschaft, Wetter müssen wunderschön sein, das Essen köstlich, und in der Beziehung muss es knistern wie in der ersten Zeit? „Bei überzogenen Erwartungen wie diesen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die realen Erlebnisse nicht den Vorstellungen entsprechen und irgendetwas nicht wie gewünscht funktioniert“, warnt Schmitz vor Enttäuschungen, die das Risiko für Verstimmungen erhöhen. Wird der Urlaub dann missgestimmt und mit Nörgeleien über mangelnde Zuwendung des Partners, über die Pizza, die nicht schmeckt, die zu große Hitze oder die schlechte Aussicht vom Balkon des Hotelzimmers verbracht, vermiest der eine dem anderen nicht nur die Freude über die gemeinsame freie Zeit, sondern möglicherweise auch die Lust, die Beziehung fortzuführen.

Was hilft?

Die Erwartungen zurückschrauben und sich darauf einstellen, dass nicht alles perfekt sein kann: Dann ist die Gefahr für Enttäuschungen nicht so groß.    ‘

Risiko drei: Belastende Stresssituationen
Der Flug hat Verspätung, das gebuchte Appartement liegt nicht direkt am See wie angegeben, im Restaurant ist kein Platz frei, ein gleichwertiges Lokal ist nicht zu finden, und das belastet sie oder ihn so sehr, dass Stress aufkommt? „Wenn Menschen unter Stress stehen und ein Gefühl der Hilflosigkeit entwickeln, nimmt das Verständnis für andere ab, und die Freundlichkeit gegenüber anderen schwindet“, erklärt Pittner-Meitz. Geht es in der freien Zeit eher unfreundlich zu,  ist der Weg zu Streitereien nicht mehr weit, und das Risiko für eine Krise, die sich im Alltag fortsetzen und zum Beziehungsaus führen könnte, ist gegeben.

Was hilft?
Kommentare vermeiden, die den Partner in Stresssituationen noch weiter unter Druck bringen und sich stattdessen jener Fähigkeiten bedienen, die es erfahrungsgemäß ermöglichen, gelassen oder sogar humorvoll mit schwierigen Situationen umzugehen.

Risiko vier: Unterschiedliche Bedürfnisse
Sie will im Urlaub am Meer den ganzen Tag in der Sonne liegen und lesen, er will Radtouren unternehmen und Tennisspielen? Unterschiedliche Bedürfnisse, was die Urlaubsaktivitäten anbelangt, sind der Klassiker unter den Risikofaktoren für Konflikte in der gemeinsam verbrachten Zeit. „Vor allem dann, wenn die Bedürfnisse vor dem Urlaub unausgesprochen geblieben sind und die Partner davon ausgehen, dass der andere das Gleiche möchte, wie man selbst, sind, wenn dies nicht so ist, Streitereien programmiert“, weiß Schmitz. Taucht dann der Gedanke auf, dass der andere aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse womöglich gar nicht richtig zu einem passt, kann dies der Anfang vom Beziehungsende sein.

Was hilft?
Vor dem Urlaub ansprechen, was man im Urlaub gern unternehmen möchte, sich bewusst machen, dass die Liebe wegen unterschiedlicher Urlaubsbedürfnisse nicht gleich verloren geht, im Urlaub einander den nötigen Freiraum geben und dem Partner zuliebe auch einmal etwas tun, was man selbst nicht so gern tut.

Risiko fünf: Mangelndes Vertrauen
Er oder sie geht sofort zum Gegenangriff über, wenn im Gespräch miteinander einmal Feindseligkeiten auftauchen? „Dann mangelt es an Vertrauen, und wenn zu wenig Vertrauen vorhanden ist, ist es schwierig, sich bei Verletzungen auch einmal mit seinem Ego zurückzuziehen und zu schweigen“, so Pittner-Meitz. Im Urlaub, wo die Partner viel Zeit miteinander verbringen, ist bei mangelndem Vertrauen das Risiko für Gegenangriffe nach Verletzungen groß, die bisweilen zum Beziehungsproblem und letztendlich zum Ende der Partnerschaft führen.

Was hilft?
Wenn der Partner etwas anspricht, das einen verletzt, nicht gleich zum Gegenangriff übergehen, sondern mehr auf die Liebe und bewährte Strategien vertrauen, um von einer feindseligen Haltung zu einer freundlichen oder zumindest neutralen zu gelangen.

Risiko sechs: Unstimmigkeiten ausdiskutieren
Wegen der einen oder anderen Angelegenheit ist es im Urlaub zum Streit gekommen, und er oder sie will die Unstimmigkeit unbedingt sofort, noch im Ferienort, ausdiskutieren? „Besser nicht, denn der Urlaub ist zur Erholung gedacht, als Zeit zum Ausruhen in Zweisamkeit, und diese Zeit zum Bereinigen von Unstimmigkeiten zu nützen, empfiehlt sich genauso wenig wie der Versuch, länger bestehende ungelöste Konflikte zu bereinigen“, sagt Schmitz. Denn erfüllt der Urlaub nicht seinen Sinn, eben jenen, der Erholung zu dienen, kann es dazu kommen, dass die Beziehung in ihrer Gesamtheit als sinnlos empfunden wird – und als beendigungswürdig.

Was hilft?
Die Besprechung der Unstimmigkeit in den Alltag verlegen, dafür einen Termin vereinbaren und die Zeit für das Gespräch begrenzen.

Worüber wird im Urlaub gestritten?

  • Über die Fahrweise am Weg zum Urlaubsort
  • Unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich der Urlaubsaktivitäten
  • Gefühl, eingeengt zu werden
  • Gefühl, nicht verstanden oder unterstützt zu werden
  • Zutage tretende unterschiedliche Lebenspläne
  • Missstände, die etwa das Hotel, Appartement, das Service oder Wetter betreffen

Kommt es im Urlaub zum Streit mit dem Partner bzw. der Partnerin, stellt dies laut einer Umfrage von marketagent.com für etwa ein Drittel, drei von zehn der Befragten, eine große Belastung dar, wobei Frauen stärker unter dem Streit leiden als Männer.

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DIE CHANCEN DES PAARURLAUBS:

Chance eins: Ausstieg geniessen
Sie, er oder beide sind im Alltag beruflich stark eingespannt, haben auch neben der Beziehung etliche familiäre Verpflichtungen, dazu Freundschaften, die gepflegt werden wollen? „Das alltägliche Leben stellt oft viele Anforderungen an die Partner“, so Schmitz. Der Paarurlaub bietet die Chance, alles einmal hinter sich zu lassen, aus dem Alltag auszusteigen, den Ausstieg in Zweisamkeit zu genießen, die gemeinsame Zeit anders als üblich zu nützen, also etwa einmal gemütlich zu frühstücken oder in Ruhe durch den Ferienort zu schlendern. Wer neu entdeckt, wie wohl das tut, plant auch für die Zeit nach dem Urlaub immer wieder kleine Ausstiege ein, die die Liebe fördern.

Wie gelingt’s?

Keine Arbeit mit in den Urlaub nehmen und mit Daheimgebliebenen, egal, ob Chef, Kollegen, Familie oder Freunden nicht Kontakt halten, sondern mitteilen, nur im Notfall erreichbar zu sein.

Chance zwei: Nähe herstellen
Normalerweise sind er und sie sich höchstens an Tagesrandzeiten, morgens und abends, und am Wochenende physisch nahe? In der längeren Zeit zu zweit, die der Urlaub bietet, bestehen mehr Möglichkeiten für Küsse, liebevolle Berührungen und dafür, sich über die körperliche Zuwendung und das Miteinanderreden auch seelisch näher zu kommen. „Wird diese Chance genützt, gelingt es den Partnern also, eine größere Nähe herzustellen, ist die Atmosphäre gut, und es entsteht ganz von allein eine erotische Stimmung“, erklärt Schmitz. Dann stehen auch die Zeichen dafür gut, dass das Gefühl, einander nahe zu sein, nach der gemeinsam verbrachten freien Zeit anhält, das Liebesleben und der Sex spannend bleiben.

Wie gelingt’s?
Einander viel berühren, viel miteinander reden.

Chance drei: Einander verwöhnen
Das Frühstück kommt im Alltag immer zu kurz, es steht schon lang aus, dem anderen ein kleines Geschenk gemacht zu haben? „Im Urlaub ergeben sich viele Möglichkeiten, dies zu verändern und einander zu verwöhnen“, sagt Schmitz. So könnte das Verwöhnprogramm im Urlaub damit starten, dass er ihr oder sie ihm das Frühstück vom Buffet holt oder im Appartement zubereitet und die erste Mahlzeit des Tages gemütlich gemeinsam verspeist wird. Wenn dann im Hotel oder beim Schlendern durch den Urlaubsort ihm oder ihr ein Angebot ins Auge sticht: Sich einander etwas gönnen, lautet die Devise. Die Freude des oder der Beglückten motiviert dazu, den Liebsten oder die Liebste auch im Alltag zu verwöhnen, was die Partnerschaft stärkt.

Wie gelingt’s?
Aufmerksam sein, erfragen, was dem Partner gefällt und  Wünsche erfüllen.

Chance vier: Hobbys entdecken
Er wollte schon immer einmal das Klettern probieren, sie eigentlich auch und darüber hinaus noch das Windsurfen, das ihn ebenfalls interessiert? Sind die Voraussetzungen gegeben, sollten solche Vorhaben im Urlaub in die Tat umgesetzt werden, rät Schmitz: „Haben beide Spaß an dem einen oder anderen, stehen die Chancen gut, dass sich ein neues gemeinsames Hobby ergibt, und das ist wiederum gut für die Beziehung.“ Bleibt die Freude am zu zweit betriebenen Sport, an der  Beschäftigung mit Architektur oder einer Musikrichtung, bestehen, und wird längerfristig ein Teil der Freizeit zusammen damit verbracht, bringt dies Stabilität in die Partnerschaft.

Wie gelingt’s?
Testen, ob einem eine neue Beschäftigung solche Freude bereitet, dass man sie als gemeinsames Hobby ausüben möchte.

Chance fünf: Tradition erschaffen
Sie oder er erlebt im Urlaub, dass der andere es genießt, nach dem Abendessen noch eine Runde spazieren zu gehen: Solche Vorlieben zu entdecken, dafür ist der Urlaub eine Chance. „Besteht die Möglichkeit, bestimmte Bedürfnisse auch im Alltag zu erfüllen, ist es empfehlenswert, dies auch zu tun“, so Schmitz. Hält die Freude an der neu erschaffenen Tradition an und wird sie bewahrt, ist das ein Bonus für die Partnerschaft.

Wie gelingt’s?
Auf die Bedürfnisse des Partners achten, erkunden, was ihm gefällt, dies im Urlaub und nach Möglichkeit auch im Alltag umsetzen.

Chance sechs: Zukunftspläne schmieden
Sie oder er oder beide haben keine genauen Vorstellungen davon, wie sich die Zukunft der Partnerschaft gestalten soll, ob eine Familiengründung in Frage kommt, ein Haus gebaut werden soll oder wie wichtig der Beruf ist? „Der Urlaub mit der gemeinsam verbrachten Zeit bietet eine ideale Chance, unausgesprochene Träume auszusprechen und Zukunftspläne zu schmieden“, so Pittner-Meitz. Entwickeln die Partner dabei eine gemeinsame Vision, dient dies der Beziehung und bereitet eine Basis für eine Partnerschaft mit Bestand.

Wie gelingt’s?
Nähe zum Partner aufbauen, Interesse für ihn zeigen, neugierig darauf sein, wie der andere auf ein Thema blickt, einen liebevollen Umgang miteinander pflegen.

Wie frisch verliebt

Laut einer Umfrage der Online-Partnervermittlung ElitePartner verliebt sich die Hälfte der Urlaubenden im Urlaub neu in den Partner. Viele empfinden die Zeit im Urlaub als harmonischer als jene im Alltag und haben mehr Sex.

Stand 07-08/2017

©iStock/TommL

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