Allergisch auf Birke und Apfel?

März 2017 | Medizin & Trends

Wie es zu Kreuzallergien kommt & was dagegen hilft
 
Jeder vierte Österreicher leidet an einer Allergie. Bei einem Teil davon werden die allergischen Reaktionen nicht nur durch den Kontakt mit einer bestimmten Substanz – dem Allergen etwa in Birkenpollen – ausgelöst, sondern auch durch ähnliche Allergene, beispielsweise in Äpfeln. Wie es dazu kommt, und was gegen diese sogenannten Kreuzallergien hilft.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Nach dem Biss in einen Apfel haben zuletzt auf einmal Ihre Lippen, Ihre Zunge und dann der gesamte Mund gebrannt? Für den Fall, dass Sie Pollenallergiker sind und auf Birkenpollen mit Heuschnupfen & Co reagieren, leiden Sie dann höchstwahrscheinlich an einer sogenannten Kreuzallergie – und werden künftig womöglich auch beim Essen von Kirschen, Pfirsichen, Marillen, anderem Steinobst und Nüssen an Mundbrennen leiden.

Immunsystem wird ungenau

Wie es dazu kommt, weiß Priv. Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl vom Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien: „Die Proteinmoleküle, also Eiweißbestandteile, in Nüssen, vor allem in Haselnüssen, Steinobst, Äpfeln und Birkenpollen sind sich ähnlich“, erklärt er und ergänzt: „Wenn jemand schon länger eine Birkenpollenallergie hat, kann es sein, dass sein Immunsystem bei der Erkennung der Eiweißteile, die es unnötigerweise bekämpfen will, etwas ungenau wird und zum Beispiel das Eiweiß von Haselnüssen für das von der Birke hält.“ Statt sich wie sonst nur an Teile der Birke zu binden, binden sich die vom fehlgesteuerten Immunsystem des Allergikers gebildeten sogenannten IgE-Antikörper dann auch an Teile der Nüsse und lösen allergische Reaktionen aus. Für eine derartige Verwechslung braucht es nicht einmal eine sehr große Ähnlichkeit. Wöhrl: „Zu Kreuzallergien kann es bereits kommen, wenn sich Eiweißbestandteile nur zu 60 Prozent ähnlich sind.“ Solche Ähnlichkeiten treten öfter auf, da sich pflanzliches Eiweiß, egal welcher Pflanze, im Lauf der Evolution ähnlich entwickelt hat.

Birkenpollenallergiker häufig betroffen
Dass ein Immunsystem, das Birkenpollen für Feinde hält, sich auch gegen Äpfel, Steinobst und Nüsse richtet, kommt häufig vor. Wöhrl: „Mehr als 60 Prozent der Birkenpollenallergiker haben eine solche Kreuzallergie.“ Manche Birkenpollenallergiker haben aber auch eine Kreuzallergie bzw. sekundäre Nahrungsmittelallergie auf Gemüse wie Karotten, oder Sellerie sowie auf Soja. Unter den Pollenallergikern sind auch die Beifußpollenallergiker anfällig für Probleme beim Konsum von bestimmten Nahrungsmitteln. Laut Wöhrl leiden etwa zehn Prozent von ihnen am sogenannten Beifuß-Sellerie-Gewürzsyndrom und haben daher beispielsweise Beschwerden, wenn sie Tafelspitz mit der typischen Beilage zu sich nehmen. Bei einer Gräserpollen- oder Ragweedpollenallergie sind Kreuzallergien hingegen „extreme Raritäten“, so Wöhrl. Wenn, dann kann es bei Betroffenen zu Reaktionen auf Melonen, Tomaten oder Zucchini kommen, die aber sehr schwach ausfallen. Unter den Latexallergikern leidet auch jeder Zehnte, etwa wenn Bananen, Kastanien, Papayas oder Mangos gegessen werden. Ebenfalls zehn Prozent der Hausstaubmilbenallergiker haben mit dem sogenannten Hausstaub-Shrimps-Syndrom zu kämpfen beziehungsweise mit Problemen beim Verspeisen von Shrimps, aber auch von Hummer, Muscheln, Schnecken und Tintenfischen.

Mundbrennen, Schnupfen, Husten
Die Beschwerden, die bei einer Kreuzallergie auftreten, können sich auf ein zwar unangenehmes, doch harmloses und rasch vorübergehendes Mundbrennen, ein Jucken im Mund, eine Bläschenbildung auf der Zunge, ein Niesen und Schnupfen, Husten oder ein Augenbrennen und Augenjucken beschränken. Doch auch schwerere Reaktionen sind möglich. Wöhrl: „Bei Beifußallergikern und Hausstauballergikern kann es zum Beispiel zu asthmaartigen Anfällen kommen oder zu Urtikaria, dem brennenden und juckenden Nesselausschlag auf der Haut, auch zu gastrointestinalen Symptomen wie Übelkeit, Brechen und Durchfällen.“ Nur selten wird beim Kontakt mit einem Kreuzallergen so viel Histamin von den Mastzellen des Körpers ausgeschüttet, dass es aufgrund dessen zu einem allergischen Schock kommt, der Herz-Kreislauf-Probleme mit sich bringt, wie Schwindel und einen Blutdruckabfall. Wöhrl: „Wenn das passiert, haben meistens noch andere Faktoren mitgespielt, wie ein Infekt oder die Einnahme bestimmter Medikamente, zum Beispiel von Aspirin, auch Stress oder vorangegangene Anstrengung beim Sport.“ Nach dem Sport ein Smoothie zu trinken, für das zum Beispiel mehrere Äpfel verarbeitet wurden, ist laut dem Experten daher für Birkenpollenallergiker mit einer Kreuzallergie auf Äpfel keine gute Idee.

Die Auslöser meiden
Egal, wie sich eine kreuzallergische Reaktion geäußert hat und wie stark sie ausfiel: Betroffenen rät Wöhrl dazu, sich von einem Allergologen, also einem Arzt, der sich auf Allergien spezialisiert hat, untersuchen zu lassen. Durch eine Befragung und verschiedene Tests können die Auslöser identifiziert – und künftig gemieden werden. Wöhrl: „Das Meiden ist die beste Therapie.“ Auch bestimmte Verarbeitungsweisen allergieauslösender Nahrungsmittel, über die der Allergologe informiert, können hilfreich sein: Wer beispielsweise weiß, dass er auf Äpfel allergisch reagiert, aber dennoch unbedingt welche essen möchte, isst sie geschält: Da die allergieauslösenden Substanzen vor allem in der Schale stecken, ist das Obst dann ungefährlich. Zwar nicht alle, aber manche Kreuzallergene werden darüber hinaus durch Erhitzen zerstört, weshalb Betroffene beispielsweise auch einen Bratapfel oder pasteurisierten, also kurz erhitzten, Apfelsaft beschwerdefrei genießen können.

Linderung durch Behandlung
Manchmal und bis zu einem gewissen Grad lässt sich laut Wöhrl die Kreuzallergie darüber hinaus durch die Behandlung der primären Allergie lindern: „Bei einem Viertel der Birkenpollenallergiker bewirkt die spezifische Immuntherapie eine Abschwächung der Kreuzreaktion“, sagt er. Bei dieser Therapie werden die Allergene über Jahre in Abständen in immer höherer Dosis injiziert, wodurch sich das Immunsystem langsam an sie gewöhnt und schließlich kaum noch oder gar nicht mehr darauf reagiert. Bei allen anderen Allergien wirkt die Immuntherapie, die nicht nur durch Injektionen, sondern auch durch die Einnahme der Gräsertablette oder der – hierzulande erst seit kurzem erhältlichen – Milbentablette funktioniert, zwar gegen die primäre Allergie, nicht aber gegen die Kreuzallergie. Kommt es bei Birkenpollenallergikern trotz der Behandlung der eigentlichen Allergie und bei anderen Allergikern trotz aller denkbaren Umsicht zu einer kreuzallergischen Reaktion, helfen akut die Entfernung, sprich: das Ausspucken des Auslösers. Des Weiteren hilfreich: antiallergische Medikamente, also Anthistaminika, gegebenenfalls auch Kortison, Nasen- und Augentropfen und im Fall eines allergischen Schocks Adrenalin.    
    
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Kreuzallergie
Wie äußert sie sich?

  • Brennen und Jucken auf der Haut und Schleimhaut
  • Niesen, Schnupfen
  • Augenbrennen und -jucken
  • Asthmaartige Anfälle
  • Urtikaria bzw. Nesselausschlag
  • Übelkeit, Brechen, Durchfall (diese Symptome können auch auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zurückgehen)
  • Allergischer Schock


Wie erfolgt die Diagnose?

  • Arzt-Patient-Gespräch
  • Bei Vorhandensein von Urtikaria: Untersuchung
  • Prick-Test, bei dem Allergene auf kleine Ritzen in der Haut aufgetragen werden – bilden sich Bläschen, sind ein Allergen und mögliche Kreuzallergene erkannt
  • Bestimmung von allergenspezifischen IgE-Antikörpern aus dem Blut

Was hilft?

  • Meiden des Auslösers
  • Bestimmte Verarbeitungsweisen (Schälen, Erhitzen) der Nahrungsmittel.
  • Bei einer Birkenpollenallergie in manchen Fällen bis zu einem gewissen Grad: Behandlung der primären Allergie durch spezifische Immuntherapie
  • Im Akutfall: Entfernen des Auslösers, Antihistaminika, Kortison, Nasen- und Augentropfen

Stand 03/2017

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