Bitterstoffe: So gesund sind Radicchio, Grapefruit & Co.

Oktober 2015 | Ernährung & Genuss

Der bittere Geschmack von Obst oder Gemüse ist nicht nur eine willkommene Abwechslung für unseren Gaumen. Bitterstoffe fördern auf vielfältige Weise die Gesundheit, angefangen bei jener von Magen und Darm. Eine Expertin über die Heilkraft von Grapefruit, Radicchio, Wildkräutern & Co.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

„Bäh, bitter!“ Welches Kind verzieht beim Kosten bitterer Lebensmitteln nicht das Gesicht?  Dieses ablehnende Mienenspiel, „gustofazialer Reflex“ genannt, dokumentiert anschaulich, dass wir von Geburt an gleichsam auf „süß“ programmiert sind. „Die angeborene Abneigung gegen den bitteren Geschmack stellt evolutionsbedingt einen Schutz dar, weil gerade in giftigen, ungenießbaren oder unreifen Pflanzen viele Bitterstoffe enthalten sind“, erklärt die Innsbrucker Ernährungswissenschafterin Dr. Birgit Wild. Diese Abneigung geht im Lauf der Jahre und mit der Erweiterung des Speisezettels verloren und bittere Lebensmittel – von Bitterschokolade über Bier bis hin zu bitter schmeckenden Früchten – finden zunehmend Anklang. Eine durchaus positive Entwicklung, da insbesondere Bitterstoffe in Obst, Gemüse und Kräutern unzählige gesundheitsfördernde Eigenschaften aufweisen.
 

Sekundäre Pflanzenstoffe

Verantwortlich für den bitteren Geschmack sind im Übrigen die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe mit ihren vielen günstigen Effekten auf die Gesundheit: Bitterstoffe in Obst und Gemüse wirken unter anderem appetitanregend und verdauungsfördernd. Seit kurzem weiß man außerdem, dass Bitterstoffe die Darmflora stärken, indem sie positive Darmbakterien fördern. „Diese Darmbakterien schützen einerseits vor Darmkrebs und entzündlichen Darmerkrankungen, und andererseits vor pathogenen Keimen wie Salmonellen oder Clostridien“, erläutert Wild. Bitterstoffe wirken außerdem anregend und kräftigend auf den gesamten Organismus und das Immunsystem.

Artischocke

Die distelartige Artischocke ist nicht nur optisch ansprechend, sie besticht auch mit ihren gesunden Inhaltsstoffen wie dem sekundären Pflanzenstoff Cynarin, der die Frucht bitter schmecken lässt. Cynarin ist unter anderem verantwortlich dafür, dass der Körper mehr verdauungsfördernden Magensaft produziert. Indem die enthaltenen Bitterstoffe außerdem die Leberzellen zur vermehrten Produktion von Gallensäure anregen, die wichtig für die Fettverdauung ist, unterstützen sie die Entgiftungsarbeit der Leber. Auf diese Weise beeinflussen bittere Pflanzen den Blutfettspiegel günstig. Artischocken enthalten neben Cynarin außerdem Cynaridin und weitere Flavonoide, die freie Radikale fangen und damit der Zellalterung entgegen arbeiten.

Chicorée und Radicchio

Die Entgiftung der Leber lässt sich auch durch den Genuss von Chicorée fördern, der als Gemüse oder Salat zubereitet werden kann. Die in dem hellgrünen Gemüse enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe Intybin (= Lactucopikrin) und Lactucin wirken nicht nur verdauungsfördernd, sondern „senken außerdem die Blutfettwerte“, ergänzt Wild. Auch beim Verzehr von Radicchio kommt man in den Genuss der wertvollen Inhaltsstoffe Intybin und Lactucin. Ähnlich günstig wirken die Bitterstoffe in Endiviensalat oder Zuckerhut.
Wird Gemüse wie Chicorée erhitzt und gedünstet, sind übrigens kaum Einbußen bei den sekundären Pflanzenstoffen zu befürchten. Bestimmte Vitamine hingegen gehen mit dem Erhitzen sehr wohl verloren.

Grapefruit, Zitrone, Limette

In der Grapefruit ist vor allem der sekundäre Pflanzenstoff Naringinin aus der Gruppe der Flavonoide wirksam: „Naringinin wirkt sehr stark antioxidativ, also günstig gegen zellschädigende freie Radikale“, berichtet Wild. Doch nicht nur sekundäre Pflanzenstoffe machen die bittere Frucht zum gesunden Snack, sondern auch der hohe Gehalt an Ballaststoffen, die besonders reichlich in den weißen Häutchen rund um das Fruchtfleisch stecken. Ballaststoffe fördern die Verdauung unter anderem dadurch, dass sie die Darmbewegung anregen. „Auch die Fruchtsäuren sind verdauungsfördernd“, ergänzt Wild. „Sie regen die Bildung von Magensaft und Verdauungsenzymen an und fördern außerdem die Speichelproduktion.“ Die „Verwandten“ der Grapefruit – Zitronen oder Limetten – sind dieser punkto Bitterstoffgehalt übrigens kaum unterlegen.

Papaya und Kiwi

Bei der Papaya „sitzen“ die Bitterstoffe in Form von Senfölen (Glukosinulate) in den Kernen, weiß Wild. „Diese werden allerdings oft nicht mit gegessen, weil sie recht scharf schmecken.“ Wer sie trotzdem verspeist, genießt verschiedene gesundheitsfördernde Effekte: Senföle wirken antimikrobiell, gegen freie Radikale und stärken das Immunsystem.
Bei der Kiwi wiederum stecken die Bitterstoffe vor allem in den Samen. Neben den Bitterstoffen wirken auch die enthaltenen Fruchtsäuren der Kiwi verdauungsfördernd. „Fruchtsäuren sorgen außerdem dafür, dass der Vitamingehalt der Frucht stabil bleibt“, berichtet die Ernährungswissenschafterin. Kiwis sind außerdem reich an Chlorophyll und Flavonoiden, die unter anderem eine krebsvorbeugende Wirkung haben.

Gurke

In der Gurke sind es die Cukurbitane aus der Gruppe der Saponine, die für den bitteren Geschmack verantwortlich zeichnen. Diese wirken nicht nur verdauungsfördernd, sondern bieten „möglicherweise auch einen wirksamen Schutz vor Krebserkrankungen sowie vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson“, erklärt Wild. Die wertvollen Inhaltsstoffe stecken reichlich in Schale und Fruchtfleisch – vorausgesetzt es handelt sich um ursprüngliche Sorten aus biologischem Landbau. „In einer Feldgurke stecken um vieles mehr Bitterstoffe als in gezüchteten Salatgurken“, betont Wild. Nicht zuletzt sind Gurken reich an Ballaststoffen und dem Pflanzenwirkstoff Chlorophyll, der einen stark entgiftenden Effekt hat. „Aufgrund des hohen Kaliumgehalts wirken Gurken außerdem entwässernd und fördern die Nierengesundheit“, ergänzt Wild.

Kohlgemüse

Kohlgemüse – von Brokkoli über Kohl und Kohlsprossen bis zum Karfiol – ist ebenfalls reich an den gesunden bitter schmeckenden Inhaltsstoffen. Wieder sind vor allem Senföle, Glukosinulate, für den bitteren Geschmack verantwortlich. „Die sekundären Pflanzenstoffe fördern nicht nur die Verdauung, sie werden auch in Verbindung mit der Vorbeugung von Krebs gebracht“, betont Wild.

Wildkräuter

Nicht nur wegen ihres dekorativen Aussehens haben Wildkräuter und -blumen wie Löwenzahn oder Gänseblümchen zuletzt die Küchen erobert. Sie sind ganz besonders reich an bitter schmeckenden, sekundären Pflanzenstoffen. Das Heilkraut Enzian enthält mit dem sekundären Pflanzenstoff Amarogentin den bittersten Stoff überhaupt. Enzian ist in der Pharmazie bei Übelkeit im Einsatz und wirkt außerdem schleimlösend bei Schnupfen oder Husten. Andere, besonders bittere Kräuter sind Hopfen, Wermut und Pfefferminze. „Die enthaltenen Mentholverbindungen in der Pfefferminze wirken außerdem beruhigend auf die Magennerven“, ergänzt Wild. Thymian und Salbei haben aufgrund der enthaltenen Saponine außerdem eine stark entzündungshemmende und antibiotische Wirkung. Und auch die Scharfstoffe in Rucola, Löwenzahn oder Enzian wirken antibiotisch. Ein Klassiker in Sachen Leberentgiftung ist die Mariendistel.

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Immer weniger Bitterstoffe in Obst & Gemüse:
„Bitter“ in Gefahr!

So gesund die Bitterstoffe für uns sind, unserem Gaumen werden sie heutzutage zunehmend fremd. Dieser ist durch die Verbreitung industriell gefertigter Kost immer mehr auf „süß“ bzw. „salzig“ programmiert. Um diese fraglichen Vorlieben noch mehr zu bedienen, werden Bitterstoffe aus Obst oder Gemüse immer häufiger weggezüchtet: Salatgurken aus dem Glashaus beispielsweise enthalten so gut wie keine Bitterstoffe mehr. Mit den Bitterstoffen gehen aber auch die vielen positiven Wirkungen von Gurken & Co. verloren.
Wie kann man sicher in den Genuss aller pflanzlichen Inhaltsstoffe inklusive wertvoller Bitterstoffe kommen?
Am besten, man greift zu alten, ursprünglichen Sorten aus biologischem Anbau. Die oft besonders intensiven Farben – das satte Grün von Brokkoli oder Löwenzahn, das leuchtende Orange der Grapefruit, das dunkle Violett von Radicchio – sprechen für einen hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen – und damit an Bitterstoffen.

Stand 10/2015

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