Feuer am Dach

Dezember 2012 | Medizin & Trends

Was Sie bei Fieber tun und lassen sollten

Die Nase rinnt, der Hals kratzt, der Kopf brummt – und jetzt steigt auch noch die Körpertemperatur auf mehr als 38 Grad. Für MEDIZIN populär erklärt ein Experte, wozu das Aufheizen von innen gut ist, warum wir so darunter leiden, und was wir bei Fieber tun und lassen sollten.

Von Mag. Sabine Stehrer

Gut, dass die kleine Echse namens Dipsosaurus in der Wüste lebt: Denn wird das beliebte Versuchstier der Mediziner in Sachen Fieber von Bakterien, Viren oder anderen krankmachenden Keimen angegriffen, kann es die Attacken nur überleben, wenn es sich die Wüstensonne auf den Bauch scheinen lässt. So schafft es die Echse, ihre Körpertemperatur auf bis zu 47 Grad Celsius zu erhöhen – und wieder gesund zu werden. „Was für den Dipsosaurus der Instinkt ist, in die Sonne zu gehen, ist für den Menschen das Fieber“, erklärt Univ. Prof. DDr. Wolfgang Graninger, Leiter der Klinischen Abteilung für Infektiologie und Chemotherapie am AKH in Wien. „Fieber ist eine angeborene Reaktion des menschlichen Immunsystems, die natürliche Abwehrmechanismen gegen Krankheitserreger in Gang setzt.“

Zwischen Schüttelfrost und Schweißausbruch

Die komplexen Mechanismen starten, sobald Erreger in den Körper eindringen. Erst schütten bakterielle Erreger sogenannte Pyrogene aus. Das sind Substanzen, die den Hypothalamus, die Hirnanhangdrüse, befehlen lassen, Feuer am Dach zu machen und die Körperkerntemperatur von den üblichen rund 36 Grad auf 38 bis 41 Grad zu erhöhen. „Um Fieberwerte zu erreichen, bekommen wir Schüttelfrost, denn durch die zuckenden Muskelbewegungen wird Wärme erzeugt“, erklärt Graninger. Zugleich stellen sich die Körperhaare auf, um nah am Körper einen wärmenden Luftpolster zu halten, die Durchblutung der Hautoberfläche und der Extremitäten wird gedrosselt, Blutgefäße verengen sich, wir werden blass, Arme und Beine erkalten.
Sobald wir innerlich ausreichend aufgeheizt sind, stellt die Hirnanhangdrüse wieder auf Kühlen um. Also beginnen wir zu schwitzen, die Blutgefäße weiten sich, das Gesicht glüht, Arme und Beine werden wieder wärmer, uns wird heiß. Jeder hat irgendwann im Lauf seines Lebens Fieber, daher weiß auch jeder: Sowohl die komplexen Prozesse, die zum Aufwärmen führen, als auch jene, die uns abkühlen, sind extrem anstrengend, wir fühlen uns schlecht dabei. Graninger: „Deswegen wollen alle, die Fieber haben, das Fieber senken.“

Viren machen schlapp

Wirksame Mittel dazu gibt es genug, erklärt der Experte. Die Palette der Möglichkeiten reicht von Medikamenten mit Acetylsalicylsäure, die den Heizungsschalter im Hirn wieder auf Kühlen drehen, über heißen Tee, der die Schweißproduktion anregt und uns so schneller abkühlen lässt, bis hin zu lauwarmen Essigpatscherln oder Wadenwickeln, die wie riesige Schweißdrüsen wirken und die Körperkühlung fördern.
„All das kann man tun, man muss sich aber fragen, ob es wirklich gescheit ist, das Fieber zu senken“, gibt Graninger zu bedenken. Schließlich bewirkt die erhöhte Temperatur, dass es den Erregern an den Kragen geht: Sie können sich in der Wärme schlechter vermehren. Graninger: „Bei um die 40 Grad machen Grippe- und Rhinoviren schlapp.“ Zudem wird vermutet, dass sich die weißen Blutkörperchen bei höheren Temperaturen beim Killen der Keime leichter tun. Für all das sprechen auch die Ergebnisse ­einer Studie, die mit Patienten mit schwerer Lungenentzündung und Fieber am Wiener AKH durchgeführt wurde. Sie hat gezeigt, dass jene, die Fiebersenkungsmittel nahmen, letztlich länger krank waren als jene, die das Fieber ohne entsprechende Maßnahmen durchgestanden hatten. Dieselben Effekte wurden auch bei Grippekranken und Erkälteten beobachtet – wobei Grippe- und Schnupfenviren hierzulande die häufigsten Auslöser von Fieber sind.

Medikament der Natur

Fieber ist also an sich wie ein gutes Medikament, das die Natur für uns vorgesehen hat, und nichts, wovor man sich fürchten braucht. „An Fieber allein kann man nicht sterben, denn es steigt nicht in unermessliche Höhen“, weiß Graninger. „Wie wir heute wissen, steigt Fieber beim Menschen nie höher als bis auf 41 Grad, das ist für sich genommen nicht gefährlich.“ Lediglich alten und chronisch kranken Menschen empfiehlt Graninger, Fieber zu senken, um die Belastung für den Organismus zu reduzieren. Als ob das Mutter Natur bedacht hätte, steigt das Fieber mit zunehmendem Alter immer weniger stark an: „Trifft dasselbe Virus auf den Opa und das Enkerl, bekommt der Opa höchstens 38 Grad Fieber oder auch gar keines, und das Enkerl 40 Grad“, weiß Graninger.
Kleine Kinder haben aber nicht nur hohes, sondern auch relativ oft Fieber, weil ihr Immunsystem im Gegensatz zu jenem des Opas zudem noch lernen muss, wie es auf andere Arten als mit innerer Hitze Krankheitserreger überwältigen kann. Die Kleinen trifft es zehn bis zwölf Mal im Jahr, auch zu Fieberkrämpfen kann es kommen. Auch wenn das so gut wie nie lebensbedrohlich ist, sind Eltern oftmals dennoch in höchstem Maße besorgt. „Wenn die ganze Familie belastet ist, kann man überlegen, bei stark fiebernden Kindern das Fieber zu senken“, rät Graninger. Und zwar mit jenen Mitteln, die auch Erwachsenen zur Verfügung stehen: Medikamenten, die in Absprache mit dem Arzt gegeben werden, besser noch mit Hausmitteln wie Patscherln oder Wickel.

Abwarten und Tee trinken

Besteht kein Notfall, ist für Graninger bei Fieber die beste Devise: „Ins Bett gehen, ruhen, abwarten und viel Tee trinken, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, der durch das Schwitzen entsteht.“ Wer Fieber hat, es ignoriert und seinen gewöhnlichen Alltag weiterlebt, bis er nicht mehr kann, riskiert nicht nur, dass die Krankheit dann länger andauert, sondern dass durch das Fieber gepaart mit alltäglicher Anstrengung das Herz schwach und anfällig für Entzündungen wird. Herzmuskelentzündungen können wiederum zu Herzschäden führen, und die können lebensgefährlich werden. Schont man sich hingegen, kann man sicher sein: „Nach drei bis fünf Tagen Bettruhe ist das Fieber mitsamt den Erkältungssymptomen, die es meist im Schlepptau hat, verschwunden“, so Graninger. Wichtig ist, die Temperatur zu beobachten. Graninger: „Steigt sie am dritten Tag noch einmal an, sollte man unbedingt zum Arzt gehen.“ Denn das könnte ein Anzeichen für eine beginnende bakterielle Lungenentzündung sein, die man besser mit Antibiotika behandelt. Den Arzt aufzusuchen, empfiehlt sich auch, wenn sich zum Fieber Durchfall oder Hautprobleme wie z. B. ein Ausschlag gesellen.

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Was lässt uns fiebern?

Wenn wir Fieber haben, handelt es sich dabei meistens um die Reaktion des Immunsystems auf Attacken von Erkältungs- oder Grippeviren. Mit Fieber reagiert der Körper aber auch auf Angriffe von Erregern, die z. B. Borreliose, das Dengue-Fieber, Malaria, Syphilis und Typhus verursachen. Seltene Fieberformen gehen auf Genveränderungen zurück, wie z. B. die maligne Hyperthermie, bei der Betroffene auf Narkosemittel mit einem Fieberschub reagieren.

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Wie misst man richtig?

Wer fiebrig ist, kann das deutlich fühlen. Exakte Werte erfährt man freilich nur durch die Messung mit dem Fieberthermometer. Ob im Mund, im After, unter der Achsel oder im Ohr gemessen wird, ist entgegen der landläufigen Meinung nicht ganz egal. Die Wahrheit liegt sozusagen im Ohr. „Der Körperkerntemperatur kommt man bei der Messung über das Ohr am nächsten“, sagt Experte Univ. Prof. DDr. Wolfgang Graninger. Diese Messung funktioniert nur mit Ohr-Thermometern und empfiehlt sich auch noch aus einem zweiten Grund, so Graninger: „Sie eignet sich bestens für kleine Münchhausens, die zum Beispiel nicht in die Schule wollen, denn beim Ohr-Thermometer kann das Ergebnis nicht manipuliert werden.“ Was viele nicht wissen: „Bei allen übrigen Messarten ist zu den gemessenen Graden noch ein Grad dazuzurechnen, um den Wert der aktuellen Körpertemperatur zu erhalten“, so Graninger.

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