Gefährliche Handystrahlen?

Januar 2008 | Medizin & Trends

Ärzte fordern Schutz der Kinder
 
70 Prozent aller Zwölf- bis 13-Jährigen besitzen ein eigenes Handy, bei den Acht- bis Neunjährigen sind es rund 25 Prozent. Trotz aller Vorteile, die diese Kommunikationstechnologie zweifelsohne mit sich bringt, fragen sich besorgte Eltern, ob das häufige Telefonieren Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer Kinder haben könnte. Eine berechtigte Sorge, wie die Wiener Ärzteschaft betont, denn es gebe plausible medizinische Gründe, die für einen sparsamen Umgang mit Handys sprechen.
 
Von Mag. Wolfgang Bauer

Bereits im Jahr 2005 hat die Ärztekammer für Wien das Thema Mobilfunkstrahlung und mögliche gesundheitliche Folgen aufgegriffen und mit dem Plakat „10 medizinische Handyregeln“ für Aufsehen gesorgt (siehe nächste Seite). „Mit diesem Plakat haben die Wiener Ärztinnen und Ärzte die Bevölkerung auf mögliche negative Auswirkungen der Handystrahlung aufmerksam gemacht und für einen sorgsamen Umgang mit Handys plädiert. Mit großem Erfolg, denn aufgrund zahlreicher Anfragen mussten von diesem Plakat bereits 21.500 Stück gedruckt werden. Mittlerweile gibt es die Plakate auch in Englisch, Französisch, Italienisch, Schwedisch, Polnisch, Ungarisch und Niederländisch“, so der Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer Dr. Walter Dorner.

Schädliche Wirkung nachgewiesen
Das Thema hat seither nichts an Aktualität und Brisanz eingebüßt. Auch wenn der Nachweis eines direkten kausalen Zusammenhangs von Mobilfunkstrahlung und gesundheitlicher Beeinträchtigung noch ausständig ist. „Wir wissen zwar aus zahlreichen gut belegten Studien, dass die Mobilfunkstrahlung eine schädliche Wirkung hat, aber wir wissen noch nicht, wie sie genau schädigend wirkt“, betont der Referent für Umweltmedizin der Ärztekammer für Wien, Dr. Erik Huber. Er will jedoch erst gar nicht auf eindeutige Ergebnisse von Langzeitstudien warten, denn dann könnte es bereits zu spät sein. „Es war zum Beispiel seit Jahrzehnten bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs geben muss. Aber der eindeutige direkte kausale Wirkmechanismus zwischen Rauchen und Lungenkrebs konnte erst Mitte der 1990er Jahre bewiesen werden“, so Huber.

Noch keine Langzeiterfahrungen
Tatsache ist, dass es an wissenschaftlichen Studien zum Thema Mobilfunk und Gesundheit besonders für die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen mangelt. Das liegt nach Ansicht von Univ. Prof. Dr. Michael Kundi, Leiter des Instituts für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien, vor allem daran, dass der weit verbreitete Gebrauch von Handys in dieser Gruppe ein noch relativ neues Phänomen sei, worüber es naturgemäß noch keine Langzeiterfahrungen geben kann. Doch wurden rund 20 internationale Untersuchungen veröffentlicht, die sich mit dem Zusammenhang von Mobilfunk und Krebs befassen und deren Ergebnisse zu großer Vorsicht im Umgang mit Handys mahnen. Mehr als die Hälfte dieser Studien zeigt nämlich bei langfris­tiger Nutzung ein erhöhtes Risiko an, so Kundi. „Besonders deutlich ist der Zusammenhang mit jener Seite des Kopfes, die beim Telefonieren genutzt wurde.“

REFLEX-Studie: Alarmierende Ergebnisse
Eine der Studien, die der Erforschung grundlegender Wirkungen der Mobilfunkstrahlung gewidmet sind, ist die so genannte REFLEX-Studie, ein Projekt, das im Jahre 2000 begonnen und 2004 abgeschlossen wurde und deren Ergebnisse eine der Grundlagen für die „10 medizinischen Handyregeln“ darstellen. Zwölf Laboratorien in sieben europäischen Ländern suchten nach etwaigen Schäden am Erbgut durch Handystrahlung. Dabei wurden isolierte tierische und menschliche Zellen in vitro – also außerhalb des Organismus im Reagenzglas – elektromagnetischen Strahlen ausgesetzt.

Das Ergebnis: In mehreren Zellverbänden stellten sich durch die elektromag­netischen Strahlen einfache und doppelte Brüche von DNS-Strängen ein (DNS, die Desoxyribonukleinsäure, ist die Trägerin der Erbinformation). Solche Schäden können zu Zellveränderungen, zum Zelltod und dauerhaften Schäden am Erbgut führen und das Risiko für Krebs erhöhen sowie zu schnellerer Alterung führen.

Eine solche Faktenlage würde in anderen Bereichen der Medizin zu weit reichenden Maßnahmen der Vorsorge führen. Was die Benutzung von Handys betrifft, so geht die sorglose Weiterverbreitung hierzulande aber munter weiter. „Würden Medikamente solche Prüfergebnisse wie bei Handystrahlen ergeben, müsste man sie sofort vom Markt nehmen“, sagt Dr. Huber.

Kinder sind empfindlicher
Dazu kommt, dass der Organismus von Kindern und Jugendlichen noch in Entwicklung begriffen ist und schädliche Einflüsse leichteres Spiel haben als im Körper von Erwachsenen. Umweltreferent Huber: „Der Schädel, insbesondere von kleinen Kindern, ist aufgrund des anderen Aufbaus des Schädelknochens und der dünnen Kopfhaut im Vergleich zum Erwachsenen gefährdeter gegenüber negativen Einflüssen der Strahlung. Es wird angenommen, dass die Mikrowellen tiefer in den kindlichen Schädel eindringen, weil durch den kleineren Schädeldurchmesser tiefer liegende Areale erreicht werden. Darüber hinaus befinden sich zwischen den beiden Knochenplatten noch blutbildende Zellen, die besonders empfindlich sind.“

Vorsorge ernst nehmen
Aufgrund dieser Faktenlage ist es nach Ansicht der Experten notwendig, dem ärztlichen Vorsorgeprinzip entsprechend die Bevölkerung vor möglichen Gesundheitsrisiken zu warnen sowie auf Möglichkeiten hinzuweisen, wie diese Gefahren vermindert werden können. „Wer mit acht Jahren anfängt, mobil zu telefonieren, hat seinen Kopf im Alter von 40, 50 Jahren einer noch nie da gewesenen Mikrowellenbelastung ausgesetzt“, warnt Dr. Huber. Doch mögliche Langzeiteffekte kommen in der öffentlichen Diskussion derzeit kaum zur Sprache. „Daher befinden wir uns auf diesem Gebiet in einem Großversuch mit uns allen“, wie ein deutscher Experte in einem Zeitungsartikel feststellt.

Was Experten empfehlen
Von einem Handyverbot halten die Experten nichts, vielmehr plädieren sie für einen sparsamen Umgang mit Handys. Ärztekammerpräsident Dorner fordert außerdem,

  • dass Handys künftig mit SAR-Werten versehen sein sollen. Diese geben an, mit welcher Auf­nahme an elektromagnetischer Strahlung die Benutzer rechnen müssen.
  • dass beim Kauf eines Handys die „10 medizinischen Handyregeln“ beigelegt werden.
  • dass man ein Werbeverbot für Handys – zumindest in Schulen – überdenkt, vor allem jene Werbungen, die gezielt Kinder und Jugendliche ansprechen.
  • dass sich die Mobilfunkindustrie ihrer Verantwortung bewusst werden soll und auf die so genannten 0-Cent-Tarife verzichtet. Denn diese laden zum hemmungslosen Telefonieren mit dem Handy besonders ein.
  • so oft wie möglich das Festnetz zu benutzen, vor allem für länger dauernde Gespräche.

Neben der Wiener Ärzteschaft plädieren übrigens auch das Gesundheitsministerium sowie die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AUVA für einen vorsichtigen Umgang mit Handys, insbesondere bei Kindern. Die AUVA entwickelte außerdem Verhaltenstipps für Handynutzer, um das Gesundheitsrisiko zu minimieren. Diese Ratschläge stimmen in etwa mit jenen der Ärztekammer überein.

***************
Die „10 medizinischen Handyregeln“
der Ärztekammer für Wien

STRAHLENDE INFORMATIONEN

  1. Prinzipiell so wenig und so kurz wie möglich telefonieren! Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sollten am besten gar nicht telefonieren!
  2. Das Handy während des Gesprächsaufbaus nie in Kopfnähe halten!
  3. Nicht in Fahrzeugen (Auto, Bus, Bahn) telefonieren – die Strahlung ist höher!
  4. Beim Versenden von SMS das Handy generell so weit wie möglich vom Körper fernhalten!
  5. Beim Telefonieren immer einige Meter Abstand von anderen Personen halten – sie werden mitbestrahlt!
  6. nie in die Hosentasche stecken – die Strahlung kann die Fruchtbarkeit bei Männern beeinträchtigen!
  7. Handys nachts immer ausschalten und nie in Kopfnähe aufbewahren!
  8. Keine Spiele via Handy spielen!
  9. Headsets sind ebenfalls bedenklich – das Kabel leitet die Strahlung!
  10. Auch Wireless LAN bzw. UMTS führen zu einer hohen Strahlenbelastung!

SERVICE: 
Plakat-Download auf der Homepage der Ärztekammer für Wien unter www.aekwien.at/media/Plakat_Handy.pdf

BUCHTIPP:

Huber, Knirsch-Wagner
Nebenwirkung Handy Schaden Mobiltelefone unserer Gesundheit?
152 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen

ISBN 978-3-902552-16-7 € 14,90 Verlagshaus der Ärzte
             

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